"Nervosität zum 1. Mai", schreibt Het Laatste Nieuws über seinen Leitartikel und führt aus: Der 1. Mai kommt, und die PS-Rhetorik nimmt Fahrt auf. Der Chef der frankophonen Sozialisten Paul Magnette poltert fleißig herum. Das wäre nicht so schlimm, wenn es nicht handfeste Konsequenzen haben könnte, zum Beispiel beim Thema Einheitsstatut von Arbeitern und Angestellten.
Da sagt Magnette: Wenn das etwas kosten muss, sollen das die Unternehmen stemmen. Was letztlich entschieden wird, das sollen die Sozialpartner verhandeln. Die Regierung hält sich raus. Wenn diese Rhetorik Realität wird, sehen wir vor unserem geistigen Auge schon Arbeiter und Angestellte durch den Selbstbedienungsmarkt wandeln, sich alle Vorteile aus den Regalen in den Einkaufswagen legen, um an der Kasse die Unternehmen bezahlen zu lassen. Wenn die dann nicht mehr zahlen können, Pleite gehen und Leute entlassen: Wird dann die PS bereitstehen und neue Jobs anbieten?, fragt Het Laatste Nieuws.
Noch sozialistisch?
L'Avenir macht sich Gedanken, ob die frankophonen Sozialisten überhaupt noch sozialistisch sind: Ähnlich wie in Frankreich hat sich auch die PS bei uns von ihren Grundwerten entfernt. Nachdem sie sich zunächst pragmatisch gezeigt, Verantwortung übernommen und sich dem angeblichen Diktat der Globalisierung mit immer neuen Sparhaushalten unterworfen hat, hat sie nun die Kröte des Liberalismus geschluckt. Das kostet sie einen Teil ihrer Seele. Damit Überzeugungen und Hoffnungen weiter bestehen bleiben, benötigen wir ein neues politisches Projekt, das den authentischen Sozialismus wieder zum Leben erweckt, so L'Avenir.
Gazet van Antwerpen allerdings sieht die PS durchaus auf gutem Wege, ihre ureigenen politischen Überzeugungen durchzusetzen. Die PS hat es geschafft. Jetzt wird Belgien weniger sparen müssen. Die EU gibt ihren Segen dazu. Und bei der PS wird man nicht müde zu sagen: Das ist auch richtig. Denn im Vergleich zu anderen Ländern in der EU sind wir ein Vorbild. Doch dieser Vergleich hinkt natürlich, wenn man nicht nur auf die Sparmaßnahmen schaut. Denn bei der Staatsverschuldung ist Belgien alles andere als vorbildlich und auch die Alterung der Gesellschaft schreitet bei uns schneller voran als woanders. Alles Gründe, weiter zu sparen. Sogar die flämischen Sozialisten versuchen ihre frankophonen Genossen darauf hinzuweisen, doch anscheinend ohne Erfolg, schreibt Gazet van Antwerpen.
In Gottes Namen
De Standaard greift in seinem Kommentar die erneute Diskussion um Kindesmissbrauchsfälle in katholischen Bildungseinrichtungen auf. Am Wochenende hatte der Kinderpsychiater Peter Adriaenssens gefordert, die Vorgänge in einer wissenschaftlichen Studie aufzuarbeiten. Sowohl Sozialverbände als auch die Leitung des katholischen Bildungswesens in Flandern halten das für eine gute Idee. Die Fälle liegen mehr als 30 Jahre zurück.
De Standaard meint: Das ist der richtige Weg. Schuld kann man nicht abwaschen, man muss sie abarbeiten. Das ist zwar eine unangenehme Aufgabe, aber wichtig. Das ist man den Opfern schuldig. Doch die Studie, die jetzt alle wollen, muss auch vernünftig gemacht werden. Sie muss in einer ersten Phase wissenschaftlich darlegen, was überhaupt passiert ist, aber dann auch der Frage nachgehen, warum in Gottes Namen diese Dingen nicht nur geschehen, sondern auch so lange verschwiegen werden konnten, fordert De Standaard.
Thron frei für…
"Soll die Königsfamilie dem Beispiel der Niederlande folgen?", fragt sich heute Le Soir in seinem Aufmacher auf Seite eins. Anlass dazu ist die Abdankung der niederländischen Königin Beatrix, die morgen offiziell den Thron frei machen wird für ihren Sohn Willem-Alexander. In ihrem Kommentar geht die Zeitung der eigenen Frage nach: Von den Niederlanden kann man einiges lernen. Aber die Situation eins zu eins zu übertragen, das geht nicht. Das niederländische Königshaus ist unserem um einiges voraus. Ihr Weg sollte auch der Weg der belgischen Monarchie sein. Doch geht das nicht von jetzt auf gleich. Die Königsfamilie braucht dazu einen Rahmen, und den bieten die Gesetze. Sie müssen jetzt so verändert werden, dass sich auch bei uns die Monarchie ändern kann. Und dass, ohne dabei in Fettnäpfchen zu treten. Denn das Festhalten an einem überalterten System fordert von der Politik, deutlich zu sagen, was man von der Monarchie will, schreibt Le Soir.
Ende des Cavalliere?
La Libre Belgique fragt sich, ob die Bildung einer neuen Regierung in Italien ohne Berlusconi das Ende des "Cavalliere" bedeuten könnte: Man spricht mit Fug und Recht von den Nachfolgern, denn wirklich angewiesen auf Berlusconi ist man jetzt nicht mehr. Jüngere Menschen haben die politische Bühne betreten. Das Durchschnittsalter der neuen Regierung ist 53 Jahre. Sollte Berlusconi dann auch noch in einem der Prozesse, die ihm gerade gemacht werden, verurteilt werden, wird alles für ihn aus sein. Darüber wird sich vor allem die Linke freuen. Aber auch für ganz Italien ist das nicht notwendigerweise eine schlechte Nachricht, wenn die Generation nach Berlusconi endlich beginnt, sich von ihm zu emanzipieren, analysiert La Libre Belgique.