Die Themen im Einzelnen.
"Porträt der belgischen Femen", schreibt Le Soir auf Seite eins. "Die belgischen Frauen hinter dem Angriff auf Léonard", so Het Nieuwsblad. "Die belgischen Femen: Wer sind sie, was wollen sie?", so La Dernière Heure.
Viele Zeitungen greifen heute erneut die Attacke von halbnackten Frauen mit Wasser auf Erzbischof Léonard bei einer Veranstaltung an der Freien Universität Brüssel vom Dienstagabend auf. Sie wollten den Geistlichen damit für seine Ansichten zu Homosexuellen kritisieren.
Le Soir verurteilt diese Aktion: Wir sind Viele, die die Überzeugungen von Erzbischof Léonard nicht teilen. Es gibt zahlreiche Möglichkeiten, ihm zu widersprechen. Der Angriff der "nackten Brüste" sowie Werfen von Torten, Eiern und Tomaten auf Personen übersteigt das Maß des Erlaubten. Das sind ein Gewaltakte. Die Femen sagen, dass sie gewaltlos seien, aber das Bild, was sie abgegeben haben, indem sie Wasser auf den betenden Erzbischof gespritzt haben, zeigt etwas anderes, findet Le Soir.
Femen in Belgien fehl am Platz
Het Nieuwsblad schreibt: In Osteuropa, dort wo sie herkommen, hatten die Femen ihren Sinn. Die Frauen mit nackten Brüsten machten auf diese Weise darauf aufmerksam, dass sie nichts zu sagen hatten, dass die Systeme, in denen sie lebten, ungerecht waren, dass sie als Frauen unterdrückt waren. Sie konnten die Weltöffentlichkeit erreichen - ihre Botschaft machte Sinn. Doch bei den Femen in Belgien ist das anders. Keiner zwingt sie, der Meinung von Erzbischof Léonard zu folgen. Sie müssen nicht Mitglied der katholischen Kirche sein. Es stellt sich die Frage, welche Botschaft sie vermitteln wollten oder ganz grundsätzlich: "Wie viel Botschaft können nackte Brüste bei uns in Belgien haben?", so Het Nieuwsblad.
Ausländerschalter in Aalst
De Morgen und Het Laatste Nieuws greifen in ihren Kommentaren Meldungen aus der flämischen Stadt Aalst auf. Dort möchten die regierenden Nationalisten der N-VA zusammen mit den Koalitionspartnern, den Sozialisten und Christdemokraten, neue Regeln in der Stadtverwaltung einführen. Zum Beispiel soll es einen eigenen Schalter für Ausländer geben, an dem immer ein Polizist steht und die belgische Flagge soll an öffentlichen Gebäuden nur dann aufgehängt werden, wenn es das Gesetz vorschreibt.
Het Laatste Nieuws findet das erschreckend. In allen Gemeinden, wo die N-VA den Bürgermeister stellt, verfolgt sie zwei große Themen. Erstens Sicherheit und Ausländer, zweitens Flämische Symbole. Die Schlussfolgerung liegt auf der Hand. Die N-VA will die neue, vom Vlaams Belang gewonnene Wählerschaft bedienen. Daraus entstehen Zustände wie im Polizeistaat, und wenn wir bedenken, dass nächstes Jahr Wahlen sind, und die N-VA sich dann als weitaus stärkste Partei in Flandern weiter etablieren wird, kann uns nur Angst und Bange werden, schreibt Het Laatste Nieuws.
De Morgen nimmt sich die Rolle vom Chef der flämischen Sozialisten Bruno Tobback vor: Tobback wird jetzt heftig kritisiert. Er dürfe nicht zulassen, so sagen es Parteigenossen, dass die Sozialisten in Aalst die Pläne der N-VA unterstützen. Denn sie würden, so die Argumentation, Grundwerten der Sozialisten widersprechen. Das mag richtig sein, doch muss man auch bedenken: Lokalpolitik ist oftmals weit entfernt von großen Ideologien. Vor Ort dominiert das Praktische. Tobback weiß das, doch macht ihm das die Sache nicht einfacher. Den Spagat, den er jetzt auszuführen hat, wird sehr schmerzhaft für ihn sein, glaubt De Morgen.
Gut, aber es könnte besser sein…
"Flanderns Stern verblasst" titelt De Standaard und berichtet, dass der nördliche Teil Belgiens aus den Top fünf der wirtschaftlich stärksten Regionen Europas verschwunden ist. Selbst die Wallonie würde in einigen Bereichen besser als Flandern abschneiden. Ratlos kommentiert das Blatt: Man kann der flämischen Regierung nicht vorhalten, dass sie nichts tut. Sie hat mit "Flandern in Aktion" 337 Maßnahmen ergriffen, um die Region voranzubringen. Die Programme laufen auch gut, doch woanders laufen sie besser. Ähnlich ist es mit der Qualität des Unterrichtswesens. So scheint es heute zu sein: Nicht nur Stillstand, sondern auch nur langsames Voranschreiten bedeutet Rückschritt, schlussfolgert De Standaard.
Kulturelle Kino-Ausnahme
La Libre Belgique macht sich Gedanken über die Zukunft des europäischen Kinos: Kurz vor Beginn des Festivals in Cannes vereinigen sich Filmschaffende aus Europa um die "Exception Culturelle" zu verteidigen, und das zu Recht. Denn das Freihandelsabkommen, über das die EU zurzeit mit den USA verhandelt, birgt Gefahren für das europäische Kino. Die USA möchten, dass diese "Exception Culturelle" fällt, durch die zurzeit europäischen Filmen ein Existenzrecht gesichert wird. Dazu gibt es sogar eine EU-Richtlinie. Sie ist auch wichtig, um die Vielfalt zu bewahren. Doch die USA wissen natürlich ganz genau, was schon ihr Präsident Roosevelt 1945 gesagt hat: Schickt ihnen Filme nach Europa, unsere Produkte werden folgen. Die europäischen Verhandlungsführer täten gut daran, sich dieser Worte zu erinnern, findet La Libre Belgique.
Bild: Benoit Doppagne (belga)