Dauerfrost unter freiem Himmel
„Draußen schlafen bei minus sieben Grad“, titelt heute Het Laatste Nieuws. Das Foto auf der Titelseite zeigt ein zweijähriges Mädchen mit Schnuller vor seinem Nachlager unter freiem Himmel. Allein in Brüssel haben zuletzt 150 Menschen die Nacht auf der Straße verbracht, darunter 50 Kinder, schreibt das Blatt. Auch Het Nieuwsblad beleuchtet das Schicksal der Brüsseler Obdachlosen. In der Hauptstadt gibt es ganz einfach nicht genug Auffangstrukturen. Wenn es wirklich kalt wird, wie jetzt, dann die Übernachtungsmöglichkeiten ausgelastet; dann bleibt bestenfalls noch eine U-Bahn-Station.
Verlängerung der anti-Krisen-Maßnahmen
Die Föderalregierung hat gestern die eigentlich zeitlich befristeten Maßnahmen zur Bekämpfung der Wirtschaftskrise für weitere sechs Monate verlängert. Insbesondere gilt das also auch für die Möglichkeit, Angestellt in Kurzarbeit zu schicken.
De Morgen hebt auf Seite 1 eine wichtige Neuerung hervor. Demnach hat künftig jeder Arbeiter im Falle einer betriebsbedingten Kündigung Anrecht auf eine Abfindung in Höhe von 1.666 Euro. Damit will die Regierung vor allem verhindern, dass Kündigungen überstürzt ausgesprochen werden. Außerdem vertreten die Gewerkschaften die Ansicht, dass gewisse Betriebe die Krise nur als Vorwand nutzen, um sich von Mitarbeitern zu trennen.
Auf Gewerkschaftsseite wird also die Einführung der Kündigungsprämie begrüßt. Das gilt aber nicht für die Arbeitgeber, wie u.a. auch De Standaard notiert. Es sei doch irrwitzig, wenn man Betrieben ausgerechnet jetzt noch zusätzliche Kosten aufbürdet, zitiert das Blatt den Vorsitzenden der flämischen Mittelstandsvereinigung UNIZO.
In diesem Zusammenhang bringt u.a. Vers l'Avenir die Ergebnisse einer Befragung in der Unternehmenswelt. Demnach rechnen acht von zehn Mitgliedern des belgischen Unternehmerverbandes FEB nicht mit einer spürbaren wirtschaftlichen Erholung in den kommenden sechs Monaten. Für ein Drittel der Betriebe hat sich die Rentabilität im letzten halben Jahr noch verschlechtert. Die Wirtschaftszeitung L'Echo warnt vor diesem Hintergrund denn auch vor verfrühter Euphorie. Zwar scheint das Konjunkturbarometer nach oben zu zeigen. Die Wachstumsprognosen werden stetig nach oben korrigiert. Doch Vorsicht: die wirtschaftliche Verbesserung wurde künstlich hervorgerufen und zwar durch staatliche Konjunkturprogramme. Dennoch muss man zugeben: die Maßnahmen des Staates zur Eindämmung der Krise haben insbesondere am Arbeitsmarkt bislang einen Kahlschlag verhindert. Deswegen ist die Verlängerung des Antikrisen-Arsenals auch absolut richtig.
Ende des Einschreibe-Chaos?
Ausnahmslos alle frankophonen Zeitungen beleuchten heute eingehend das neue Dekret der französischen Gemeinschaft über die Einschreibungen im frankophonen Sekundarschulwesen. Hier handelt es sich bereits um die dritte Regelung dieser Art innerhalb von drei Jahren. Doch jetzt scheint man endlich auf dem richtigen Weg zu sein, meint La Libre Belgique in ihrem Kommentar. Manchmal steckt in drei Köpfen eben mehr als in einem. Die Dreierkoalition aus PS, CDH und Ecolo hat jedenfalls einen Kompromiss erarbeitet, der das Problem ein für allemal lösen könnte. Endlos lange Warteschlangen vor reputierten Schulen gehören jetzt wohl der Vergangenheit an, ebenso wie das Lotterie-Prinzip, wo Schüler ihrer künftigen Schule mitunter per Los-Entscheid zugeteilt wurden. Auch Le Soir ist optimistisch. Das Chaos der letzten Jahre dürfte wohl ein für allemal Geschichte sein. Zugleich behält man das ursprüngliche Ziel vor Augen: mehr soziale Heterogenität, d.h. keine Ghetto-Schulen mehr, weder für Reiche, noch für Arme. Das kann aber nur funktionieren, wenn man sich nach den Einschreibungen nun auch das zweite Problem vornimmt: die Unterstützung und Förderung der Schüler aus sozial schwachen Milieus.
Die Regierung und die Gemeinschaftspolitik
Gazet Van Antwerpen und Het Belang van Limburg kritisieren ihrerseits die jüngste Aktion zur Regularisierung illegal in Belgien lebender Ausländer. Die Maßnahme schafft mehr Probleme als Lösungen, meint etwa Gazet Van Antwerpen. Die Regierung verteilt massenweise Aufenthaltsgenehmigungen, ohne allerdings den Nutznießern Perspektive zu bieten. Viele von ihnen werden wohl in kürzester Zeit in den Sozialämtern landen, was auch dort für finanzielle und strukturelle Probleme sorgen wird. All das haben wir nur der PS und der cdH zu verdanken, die über diesen Weg neue Wähler gewinnen wollen, meint das Blatt. Und Het Belang van Limburg fügt hinzu: die frankophonen Parteien haben die Regularisierung gewollt, die Flamen dürfen sie ausbaden. Tatsächlich wurden 88% der Flüchtlinge an flämische Sozialämter verwiesen.
Rote Karte für grüne Umweltministerin
Und auch die frankophone Ecolo-Umweltministerin der Region Brüssel, Evelyne Huytebroeck, ist im Fadenkreuz der flämischen Presse. Hintergrund ist ein Umweltskandal um die Brüsseler Kläranlage, die das Wasser der Senne säubern soll. Die hat wegen eines Konflikts mit den regionalen Behörden ihren Betrieb eingestellt. Die Folge: der Unterlauf der Senne in Flandern ist biologisch tot. Huytebroeck wusste davon, hat die flämischen Kollegen aber nicht über das Problem informiert.
Het Laatste Nieuws zeigt der Ministerin in seinem Kommentar die rote Karte. Ihre Informationspolitik ist vergleichbar mit der der Sowjetunion nach der Katastrophe von Tschernobyl. Für De Standaard ist das Vertrauen Flanderns in die Region Brüssel in seinen Grundfesten erschüttert. Für die Fehler in der Hauptstadt muss Flandern bezahlen. Flandern sollte Schadensersatz verlangen. Für De Morgen zeigt der Vorfall einmal mehr, wie unsinnig die Aufspaltung der Befugnis für Umweltpolitik, insbesondere im Großraum Brüssel ist.
Gazet Van Antwerpen schließlich richtet in dieser Vorweihnachtszeit noch eine Warnung an die Männerwelt: einer Studie zufolge haben schon 36% der Frauen mit ihrem Partner Schluss gemacht, weil ihnen das Weihnachtsgeschenk nicht gefiel.