Außer Kontolle
Le Soir titelt hierzu: "Belgien hat keine Kontrolle über seine Arbeitsplätze mehr". Nach dem drohenden Aus für Opel in Antwerpen meldet jetzt DHL den Umzug von 788 Arbeitsplätzen an. Die Politik sei völlig machtlos, meint die Brüsseler Tageszeitung. Mit Zynismus, so kommentiert der Leitartikler, habe das Kurierdienst-Unternehmen DHL mitgeteilt, dass fast 800 Mitarbeiter des Unternehmens in Brüssel ihren Arbeitsplatz nach Prag, Leipzig oder Bonn abwandern sehen. Bei Opel in Antwerpen drohen 2000 Arbeitsplätze verloren zu gehen. Diese beiden Beispiele würden unausweichlich die Frage nach der Richtigkeit der belgischen Wirtschaftspolitik in den vergangenen 20 Jahren aufwerfen. Deshalb obliege es umso mehr dem neuen Premierminister und dessen Kollegen in den Regionen des Landes, alle legalen, fiskalen, wirtschaftlichen und diplomatischen Mittel zu nutzen, um sich ökonomischen Nationalismen zu widersetzen. Es gelte auch allen Umstrukturierungsversuchen, die nur von Zynismus nicht aber von der Krise getrieben würden, Einhalt zu gebieten. Ansonsten sei es mit der sozialen Kohäsion im Land vorbei, so der Kommentar.
Auch Gazet Van Antwerpen macht mit den Arbeitsplatzverlusten bei DHL auf. Die Gewerkschaften verlangten von dem deutschen Unternehmen, auf seine Entscheidung zurückzukommen. Und sie gingen sogar noch einen Schritt weiter, meint Gazet Van Antwerpen, riefen die Gewerkschaften doch die deutsche Bundeskanzlerin Merkel auf, einzugreifen. DHL, ein Unternehmen der deutschen Post habe zwar jedem Personalmitglied angeboten mit nach Bonn umzuziehen. Möglicherweise müssten die Beschäftigten aus Belgien aber, um ihren Arbeitsplatz behalten zu können, auch bereit sein nach Leipzig oder Prag umzuziehen.
Het Laatste Nieuws macht heute auf der Titelseite die Rechnung zur Summe aller dieses Jahr verloren gegangenen Jobs auf. Belgiens auflagenstärkste Zeitung meint, dass bis Ende des Jahres 32.000 Entlassungen zu verzeichnen sind, das Schlimmste auf dem Arbeitsmarkt aber noch aussteht. Im kommenden Jahr erwarte der flämische Ministerpräsident Kris Peeters alleine für den nördlichen Landesteil 54.000 zusätzliche Erwerbslose. Zu erklären sei dies, trotz der ersten Anzeichen einer der Konjunkturbelebung, durch eine gewisse Verzögerung, mit der Unternehmen im Bereich der Arbeitsplätze auf eine Krise reagieren.
Auch Het Nieuwsblad titelt heute „Wieder 788 Jobs weg“ und meint, dass DHL mit Zynismus trumpft, wenn das Unternehmen seinen belgischen Mitarbeitern einen Umzug nach Deutschland oder in die Tschechische Republik vorschlägt. Im Leitartikel meint das Blatt, dass nach dem schweren Brand den die Finanz- und Wirtschaftskrise darstellte, jetzt ein Entlassungstsunami anrolle. Kurzfristig könne man leider nichts anderes tun, als die Flutwelle der Entlassungen auszusitzen und gleichzeitig auf bessere Zeiten zu hoffen. Die Politiker im Land könnten sich derweil der Frage widmen, ob das Unternehmertum wohl ausreichend im eigenen Land verankert wurde. Die Frage sei nämlich, ob es ein Zufall ist, dass DHL oder Opel viel leichter Jobs im Ausland als in ihrem Heimatland streichen.
De Morgen lässt in der heutigen Ausgabe 30 Jahre DHL Revue passieren. 1978 habe das Unternehmen in Zaventem erste Aktivitäten aufgenommen. 1984 sei das europäische Hauptquartier in Brüssel eingerichtet worden. 1988 sei auch das weltweite Hauptquartier aus London nach Brüssel umgezogen. Das seien bessere Zeiten, meint De Morgen und verweist darauf, dass allein in der Zeit zwischen 2008 und 2010 bei DHL in Belgien gut 3000 Jobs verloren gehen.
Wird Karel De Gucht EU-Handelskommissar?
De Standaard bringt heute keine Entlassungen sondern eine anstehende Beförderung auf die Titelseite. Die Tageszeitung macht mit einem möglichen Top-Job für Ex-Außenminister Karel De Gucht auf und meint, dass der derzeitige EU-Kommissar für Entwicklungszusammenarbeit in der neuen Mannschaft von Kommissionspräsident Barroso das wichtige Portefeuille Handel bekommen könnte. Genau eine Woche nach der Berufung von Herman Van Rompuy zum ersten Präsidenten des Europäischen Rates gehe eine weitere Spitzenposition nach Belgien. Es bestehe fast kein Zweifel mehr daran, dass der liberale Karel De Gucht EU-Handelskommissar wird. Gestern Abend habe sich De Gucht mit Kommissionspräsident Barroso getroffen. Würde sich die Vermutung bestätigen, dann wäre der Top-Job für Karel De Gucht auch Alt-Premier Guy Verhofstadt, der ja jetzt Fraktionschef der Liberalen im Europaparlament ist, zu verdanken. Der hatte nämlich in den letzten Wochen mächtig "gelobbyd", um den Liberalen in der EU ebenfalls einige Top-Jobs zuzuschanzen.
La Libre Belgique sowie die Wirtschaftsblätter L'Echo und De Tijd schließlich berichten heute auf Seite 1 über die Finanzkrise im Emirat Dubei. Die Finanzmärkte hätten weltweit die Börsen erschüttert.