Ein Europa ohne Mauer
"Deutschland feiert den Fall der Mauer", titelt heute das Grenz-Echo. "Berlin feiert ein Fest der Freiheit", meint Het Nieuwsblad auf Seite 1. Le Soir würdigt auf seiner Titelseite eine Welt ohne Mauer. Gestern wurde in Berlin an den Mauerfall vor 20 Jahren erinnert. Viele Zeitungen bringen ausgiebige Fotostrecken zu dem Ereignis. Die Welt war gestern in Berlin, um den Sieg der Freiheit zu feiern.
Kommentierend meint dazu Le Soir, man kann über die Entwicklung des europäischen Integrationsprozesses nach dem Fall des Eisernen Vorhangs geteilter Meinung sein. Natürlich gerät der europäische Motor immer wieder gerne ins Stottern, natürlich gibt es Schönheitsfehler, natürlich erinnert so mancher EU-Gipfel an einen Kreuzweg. Doch gibt es Momente, in den man auch mal inne halten und das Erreichte würdigen muss. Was 27 europäische Staaten und vielleicht sogar bald mehr da gerade unternehmen, ist ungeachtet aller Probleme durchaus ein großes und einzigartiges Unterfangen.
Kein weißer Rauch für Van Rompuy
In Belgien blickte man ja nicht nur wegen der Feierlichkeiten nach Berlin. Am Rande des Festaktes hatten die EU-Staaten und Regierungschefs einmal mehr die Gelegenheit, über die Besetzung der beiden neuen EU-Spitzenposten zu beraten. Premierminister Herman Van Rompuy gilt ja als aussichtsreicher Kandidat für den Posten des EU-Präsidenten.
In Berlin gab es aber noch keinen weißen Rauch für Van Rompuy, berichtet unter anderem De Morgen. Die schwedische EU-Ratspräsidentschaft konnte noch nicht den entscheidenden Durchbruch erzielen. Noch nicht einmal steht jetzt endlich der Termin fest für den Sondergipfel, bei dem die endgültige Entscheidung getroffen werden soll. Der Grund: der britische Außenminister David Miliband verzichtet auf eine Kandidatur für das Amt des EU-Außenministers. Und jetzt steht Großbritannien wieder wie ein Mann hinter Tony Blair, der offenbar nach wie vor ebenfalls den Posten des EU-Ratspräsidenten anstrebt.
Droht ein Korfu-Szenario?
Für De Standaard steht Van Rompuy denn auch jetzt vor einer neuen Hürde. Van Rompuy sollte "im Paket" mit Miliband kandidieren, nach dem Verzicht von Miliband ist plötzlich wieder alles offen. De Standaard warnt vor einem Remake der gescheiterten Kandidaturen von Jean-Luc Dehaene oder Guy Verhofstadt seinerzeit für das Amt des EU-Kommissionspräsidenten: Wieder droht ein belgischer Premier im Zusammenhang mit einer Berufung in ein EU-Spitzenamt am Widerstand der Briten zu scheitern.
Van Rompuy und die CIA
Dabei wäre Herman Van Rompuy der ideale EU-Ratspräsident, meint Vers l'Avenir auf seiner Titelseite. Damit einverstanden wäre sogar, man höre und staune, der US-Geheimdienst CIA. Ein Forscher der Universität Antwerpen hat nämlich auf der Grundlage einer CIA-Methode ein Psychogramm von Herman Van Rompuy erstellt. Der Wissenschaftler kommt zu dem Schluss: Herman Van Rompuy hat das ideale Profil für den Job.
Leterme spaltet das Land
Zwar stehen die Chancen von Herman Van Rompuy wieder auf der Kippe, doch stellt sich hierzulande immer noch mehr denn je die Frage nach der möglichen Nachfolge. In Ermangelung einer definitiven Entscheidung über die Zukunft des Premiers hält sich dessen Partei, die CD&V, derzeit vornehm zurück.
In diesem Zusammenhang rät La Libre Belgique in ihrem Kommentar, jetzt bloß kühlen Kopf zu bewahren. Es gibt auch ein Leben nach Herman Van Rompuy. Es wäre jedenfalls müßig und noch dazu anmaßend, jetzt Yves Leterme gleich mit dem Bannfluch zu belegen. Seine ersten Auftritte auf dem föderalen Parkett waren zweifelsohne enttäuschend, ein frankophones Veto gegen Leterme wäre aber kontraproduktiv. Damit sorgt man nämlich nur dafür, dass sich der Norden des Landes hinter Leterme scharrt.
Gazet Van Antwerpen bestätigt diese These. In den letzten Tagen haben die Frankophonen lauthals ihre Ablehnung gegen Leterme zum Ausdruck gebracht. Damit haben sie aber nur der CD&V-Präsidentin Marianne Thyssen ihre Entscheidung erleichtert. Alle parteiinternen Vorbehalte gegen Leterme sind mit einem Mal wie Schnee in der Sonne geschmolzen. Je lauter die Frankophonen "Non" rufen, desto stärker wird der Druck auf Thyssen, jetzt nicht nachzugeben. Kein Kniefall vor den Wallonen, so lautet jetzt das Motto. Ganz davon abgesehen: bis zur nächsten Wahl ist Yves Leterme so oder so wegen seiner 800.000 Vorzugsstimmen legitimiert.
"Fußballprofis sind keine Risikopatienten"
Einige Zeitungen berichten über eine neuerliche Polemik im Zusammenhang mit der gerade erst gestarteten zweiten Phase der Impfkampagne gegen die Schweinegrippe. Gestern wurde bekannt, dass einige Profi-Fußballvereine aus der ersten Division ihre Spieler haben impfen lassen. Das sei Diebstahl, tobt der Leiter des zuständigen Influenza-Kommissariats, Marc Van Ranst, unter anderem in Het Belang van Limburg.
In Belgien sei die Impfung zum jetzigen Zeitpunkt ausschließlich Risiko-Patienten vorbehalten. Und Profi-Fußballer gehörten definitiv nicht dazu. Er könne nur hoffen, dass die Profis bei ihrem nächsten Spiel noch den Einstich spüren, sagt Van Ranst zynisch.
Kommentierend meint dazu Het Nieuwsblad: Besagte Fußballklubs sind nicht die einzigen, die ein solch asoziales Verhalten an den Tag legen. Offenbar ist es auch so, dass einige Hausärzte Impfserum hamstern und horten. Für all das gibt es keinen Grund: Es sind genug Impfdosen für alle da.