Folgt auf Van Rompuy wieder Leterme…
Wenn Van Rompuy die Spitze der Europäischer Union übernimmt, wird Yves Leterme wahrscheinlich zum dritten Mal an die Regierungsspitze in Belgien zurückkehren, so die allgemeine Überzeugung der Kommentatoren. Niemand will ihn, so schreibt Het Laatste Nieuws, doch niemand kann an ihm vorbei. Selbst seine eigene Partei, die CD&V, hat Bedenken, doch Leterme selbst ist offenbar zum dritten Mal für den Posten als Premierminister bereit. Er hat offenbar das Gefühl, dass er noch etwas gutzumachen hat.
…oder gar Didier Reynders?
De Morgen sieht das ähnlich, merkt jedoch an, dass die frankophonen Liberalen bei einem Weggang Van Rompuys das Amt des Premiers für sich, beziehungsweise für ihren Parteipräsidenten, den derzeitigen Finanzminister Didier Reynders, beanspruchen könnten. Seit die CD&V und die N-VA sich getrennt haben, bilden die Liberalen in der Tat die größte politische Familie im Parlament in Brüssel. Ihre Forderung ist daher nicht so ohne weiteres von der Hand zu weisen. Gewissen Parteikollegen Letermes dürfte dies sogar ganz recht sein, denn im Stillen wünschen sie sich wohl seitens der Koalitionspartner ein Veto gegen den bereits zweimal gescheiterten Leterme.
Het Belang van Limburg zufolge verdient er dennoch eine neue Chance. Natürlich hätten die Frankophonen lieber Van Rompuy behalten, weil sie davon ausgehen, dass eine verhandelte Lösung für den Wahlbezirk Brüssel-Halle-Vilvoorde mit ihm einfacher zu finden wäre als mit Leterme. Dass es soweit gekommen ist, sind sie jedoch selber Schuld. Mit ihrem ewigen Nein haben sie die Flamen mit dem Rücken zur Wand gestellt, heute schlägt das Pendel zurück und versetzt sie in die gleiche Lage.
Gute Chancen für Van Rompuy
Le Soir schließlich kommt nochmals zurück auf die Chancen Van Rompuys, EU-Präsident zu werden, und glaubt, dass es klappen wird. Immerhin gilt Belgien als sehr pro-europäisch, als Land des Kompromisses, als sehr pragmatisch eingestellt, und als Land, das zurzeit nicht so recht weiß, ob es noch ein Land bleiben will. Gerade letzteres ähnelt dem, was sich derzeit in Europa abspielt.
Soziales Blutbad bei Janssen Pharmaceutica
Das zweite große Kommentarthema der Inlandspresse ist der Abbau von 558 Arbeitsplätzen bei Janssen Pharmaceutica in der Nähe von Antwerpen. Dazu schreibt De Standaard, wieder einmal müssen die Arbeitnehmer die Zeche zahlen. Die Hauptschuld daran haben der hohe Steuerdruck in Belgien, die übertriebenen sozialen Lasten und die Tatsache, dass unser Sozialversicherungssystem ganz einfach zu viel kostet, vor allen Dingen für die Betriebe.
Ökonomische Nebenwirkungen der Generika
Het Nieuwsblad zufolge erwirtschaftete die Pharmaindustrie vor nicht allzu langer Zeit noch unglaubliche Gewinne, das ist definitiv vorbei. Es wird immer schwieriger, neue Medikamente zu entwickeln, und wenn man das Wundermittel dann doch gefunden hat, dann verfällt einige Jahre später das Patent und das Medikament wird durch billige Varianten rasch vom Markt gedrängt.
Gazet van Antwerpen sieht das genauso und meint, dass Janssen heute die Rechnung für die so genannten Generika, die für die Patienten und die Krankenversicherung sehr positiv sein mögen, präsentiert bekommt. Die Forscher des Betriebes bekommen möglicherweise nicht mehr die Zeit, die Früchte ihrer Arbeit zu pflücken. Damit sieht ein ganzer Wirtschaftszeig wohl einer eher finsteren Zukunft entgegen.
Arzneimittel im Supermarkt
Im gleichen Zusammenhang berichtet La Dernière Heure von einem ersten Test in einem Supermarkt der Warenhauskette Carrefour, wo neuerdings rezeptfreie Arzneimittel zehn Prozent billiger zu haben sind als in den Apotheken. Dabei werden den Kunden sogar Berater zur Seite stehen. Wenn das Experiment gelingt, wird es in einigen Monaten wahrscheinlich auf andere Geschäfte ausgedehnt werden.
Bahnstreik: Kaum Verhandlungsspielraum
La Libre Belgique widmet ihren Leitartikel dem heute Abend um 22 Uhr beginnenden 24-Stunden-Streik bei der belgischen Eisenbahn. Auslöser ist bekanntlich das Veto der Gewerkschaften gegen eine Neustrukturierung der Frachtabteilung der Bahn, die in diesem Jahr einen Verlust von fast 190 Millionenen Euro einfahren wird. Diese dramatische Entwicklung, so urteilt die Zeitung, erfordert drastische Gegenmaßnahmen, doch ist der Verhandlungsspielraum zwischen Direktion und Gewerkschaften äußerst gering. Dabei kann man die gewerkschaftlichen Ängste hinsichtlich einer fortschreitenden Privatisierung bei der Bahn nachvollziehen, doch ist ein Streik für den Ruf des Unternehmens ebenso schädlich wie unverantwortlich. Von der Politik hätte man wohl etwas mehr erwartet, als dass sie diesem traurigen Schauspiel sozusagen vom Balkon aus zuschaut.