Lage der Nation
Dazu bemerkt La Libre Belgique: Belgien ist eines der ersten europäischen Länder, das eine strukturelle Reduzierung der Staatsschuld eingeleitet hat. Das ist mutig. Doch man darf die Bürger nicht für dumm verkaufen. Man ist naiv oder man lügt, wenn man behauptet, die Banken und Energieproduzenten würden die von ihnen geforderten Beiträge nicht ihren Kunden anrechnen. Die Anhebung der Akzisen auf Dieseltreibstoff hingegen trifft direkt die Verbraucher. Das ist nicht skandalös, aber man muss es sagen.
Le Soir sieht die Strategie der Regierung: Man besteuert die Bürger nicht, aber die Unternehmen, die die Bürger zur Kasse bitten werden. Die Banken und die Elektrizitätsgesellschaften, von denen die Regierung eine Milliarde Euro verlangt, sind keine Mäzene. Die Banken werden die Krise nicht bezahlen, und Electrabel wird keine 10.000 neuen Arbeitsplätze schaffen.
Vers l'Avenir ist aufgefallen, dass Van Rompuy in seiner Rede zwanzig Mal das Wort Krise gebrauchte. Er nimmt das Haushaltsdefizit auf sich und vermittelt den Eindruck einer stillen Kraft.
La Dernière Heure spricht von einem strengen und ernsthaften Haushalt. Van Rompuy hat dem Etat seinen Stempel aufgedrückt. Über Gemeinschaftspolitik verlor er kein Wort. Auch hier kommt er seinen Verpflichtungen nach.
Kein politischer Mut
De Morgen kritisiert: Das belgische Defizit ist nicht nur das Ergebnis der Wirtschaftskrise, sondern auch verschiedener Mechanismen, wie der Kosten der Vergreisung, der Finanzierung von Gemeinschaften und Regionen, der festen Wachstumsnorm der Sozialsicherheit und der Zinsentwicklung. Kein einziger dieser strukturellen Mechanismen wird in diesem Haushalt angepackt. Die Regierung gefährdet unsere Zukunft durch ihren fehlenden politischen Mut.
Gazet van Antwerpen hätte mehr von Van Rompuy erwartet. Trotz seines guten Rufs hat auch er das Ruder nicht wenden können. Man hat nicht erfahren, in welche Richtung er das Land steuert und welche Perspektive seine Politik hat. Einsparen schient in diesem Land unmöglich zu sein, selbst mit Van Rompuy und der VLD in der Regierung.
Keine Show
Het Laatste Nieuws lobt: Van Rompuy macht keine Show. Für die einen ist das gleichbedeutend mit Stabilität, für die anderen mit Stagnation. Er kommt langsam voran, aber er kommt wenigstens voran. Van Rompuy ist ein Anachronismus, ein stabiler Pol der Ruhe in einer hektischen Zeit. Er weicht nicht von seinem Weg ab. Eine Akte nach der anderen. Zuerst die Asylpolitik, dann der Haushalt - und dann die Staatsreform. Doch auf diesem Weg muss er ein gewaltiges Hindernis nehmen: BHV.
Keine Gemeinschaftspolitik
L'Echo fällt auf, dass Van Rompuy nichts über die Gemeinschaftspolitik sagte. Das ist schon fast ein Ereignis. Heute muss zur Spaltung von BHV ein neuer Interessenkonflikt angemeldet werden, um wieder Zeit zu gewinnen. Es wäre schade, wenn die erste Regierung, die einen ernsthaften Haushalt aufstellt, über BHV fallen würde.
Het Nieuwsblad schreibt: Die stille Kraft ist Van Rompuys Markenzeichen. Damit kann die CD&V die Wahlen gewinnen. Er schweigt über BHV und die Staatsreform und vermeidet damit Konflikte. Er will keine überstürzten Reformen. Er hat Zeit, weil er gegen seinen Willen Premier geworden ist, Chef einer Koalition, die er nicht gebildet hat, mit einem Regierungsabkommen, das er nicht geschrieben hat.
De Standaard bemerkt: Inhaltlich hatte Van Rompuy nur wenig zu bieten. Doch man kann mit ihm rechnen. Es ist ihm gelungen, dem Staat wieder Ernsthaftigkeit zu geben. Doch die wirkliche Arbeit kommt erst noch. Van Rompuy will nur bis 2011 überleben. Nicht mehr.
Das Grenz-Echo bringt heute auf zwei Seiten ein Interview mit dem liberalen Gemeinschaftssenator Berni Collas, der seinen Rückzug aus der aktiven Politik ankündigt.