Ein Jahr Finanzkrise: Kein vorschneller Optimismus
Vor einem Jahr begann mit der Pleite der amerikanischen Bank Lehmann Brothers weltweit die bisher größte Finanz- und Wirtschaftskrise seit der großen Depression in den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts. Hiermit setzen sich verschiedene Zeitungen mit ausführlichen Dossiers auseinander.
"Wie der Konkurs der Lehmann Brothers die Finanzwelt zur Explosion brachte", schreibt zum Beispiel De Tijd.
Le Soir befasst sich während der ganzen kommenden Woche ausführlich mit den Folgen der Krise für unser Land: Das belgische Sozialmodell steht auf der Kippe", so die Schlagzeile. Die Krise ist eine große Gefahr für unsere Renten, den öffentlichen Dienst, unsere Kranken und Arbeitslosenversicherung und den Staatshaushalt. Dieses Jahr fehlen 25 Milliarden Euro in der Staatskasse.
Die nächste Krise kommt bestimmt
Im Kommentar meint L'Echo: Ein Jahr nach dem Beginn der Finanzkrise sieht es danach aus, als ginge es wieder bergauf. Gleichzeitig tauchen aber wieder dieselben Exzesse auf, die fast zum Untergang des kapitalistischen Finanzsystems geführt hätten. Schon wieder gibt es Banken, die Anlagen auf den Markt bringen, mit dem Versprechen einer Rendite von 15 Prozent. Das kann nicht gut gehen. Es sieht danach aus, dass manche Banker aus dieser Krise nichts gelernt haben.
De Tijd warnt vor voreiligem Optimismus. Wir dürfen nicht zu früh davon ausgehen, dass diese Krise schon vorüber ist. Auch in den dreißiger Jahren wurde immer wieder vorschnell angekündigt, dass es wieder bergauf gehe. Außerdem sieht es danach aus, dass eine internationale Bankenaufsicht und eine regulierende Finanzpolitik nicht durchsetzbar sind. Die nächste Blase kündigt sich schon an.
Opel-Verkauf: Protektionistisches Verhalten der Länder
Die angekündigte Schließung von Opel Antwerpen ist in vielen Zeitungen auch ein Thema.
"Opel-Verkauf: Belgien verärgert über Deutschland", schreibt das Grenz-Echo. "Die Deutschen haben wieder gewonnen" zitiert De Standaard einen Opel-Arbeiter. Die Belegschaft von Opel Antwerpen hat ihre Motivation verloren, schreibt die Zeitung weiter. Viel sind schon auf der Suche nach einer neuen Arbeitsstelle. Dazu auch einige Kommentare:
Autoindustrie hat strukturelles Problem
Wir dürfen den Arbeitern vom Opel-Werk Antwerpen nichts vormachen, meint Het Laatste Nieuws. Die flämische Regierung will die Europäische Kommission einschalten, um das Werk in Antwerpen zu retten. Die Gewerkschaften fordern die Verteilung der verfügbaren Arbeit auf alle europäischen Werke. Aber all das ist illusorisch. Die Autoindustrie hat einfach eine zu große Überproduktion, und deshalb müssen manche Werke geschlossen werden. Gazet van Antwerpen kommentiert: Unsere Politiker diskutieren jetzt über die Schuldfrage und machen die deutsche Kanzlerin Merkel für die Entwicklung in Antwerpen verantwortlich. Das ist aber sehr kurzsichtig. Die Autoindustrie hat ein strukturelles Problem, und deshalb muss einfach saniert werden. Was die Rentabilität betrifft, sind kleine Werke, wie das in Antwerpen, einfach benachteiligt.
Het Belang van Limburg meint: Viele unserer Unternehmen sind in ausländischer Hand. Die wichtigen Entscheidungen werden nicht hier sondern im Ausland getroffen. Wenn saniert werden muss, haben wir nichts zu sagen.
Le Soir kommentiert: Genau wie während der Bankenkrise reagieren die großen europäischen Länder jetzt im Fall Opel mit einem protektionistischen Reflex. Jetzt spielt Deutschland die nationalistische Karte und besorgt Belgien einen K.O. mit der Schließung von Opel Antwerpen. Es ist einfach so, dass Angela Merkel ein viel größeres politisches Gewicht hat als Premierminister Van Rompuy oder Ministerpräsident Peeters.
Verbot religiöser Symbole an flämischen Schulen
Gestern hat der Schulträger der flämischen Gemeinschaftsschulen ein generelles Kopftuchverbot beschlossen. Das betrifft 700 flämische Schulen, schreibt Het Laatste Nieuws. Verboten sind dort in Zukunft Kopftücher, Kippahs und Kreuze. Die Moslemgemeinschaft reagiert bestürzt auf diese drastische Maßnahme, notiert die Zeitung.
De Morgen lässt einen unzufriedenen Imam zu Wort kommen, der ankündigt, dass jetzt muslimische Schulen gegründet werden. Die Zeitung kommentiert dieses Kopftuchverbot: Hierfür gibt es viele Pros und Contras. Und das macht eine demokratische Entscheidung nicht einfacher. Tatsache ist aber, dass die Befürworter eines solchen Verbots nun mal mächtiger sind als die Gegner. Trotzdem gibt es bei der gestern gefallenen Entscheidung keine Gewinner.
Het Nieuwsblad findet: Antwerpen hat das Kopftuchproblem nach ganz Flandern exportiert. Jetzt wird noch an viel mehr Schulpforten um ein Stück Stoff gekämpft. Besser wäre es gewesen, zu diesem Thema erst einmal eine gründliche gesellschaftliche Debatte zu organisieren. Jetzt wurde die Entscheidung über das Kopftuchverbot übereilt getroffen. Das ist eine verpasste Chance.