Belgien virtuell pleite
Der VLD-Budgetminister Guy Vanhengel hat am Wochenende mit seiner Erklärung, wenn man die Kriterien eines Unternehmens anwende, sei Belgien virtuell pleite, viel Staub aufgewirbelt.
Le Soir bedauert, dass er mit diesen Erwägungen, die keine Lösung herbeiführen, Zeit verliert. Belgien war einmal offen und kreativ und ist jetzt konservativ geworden. In einer Welt in Bewegung war die institutionelle Kompliziertheit ein Trumpf. Sie ist jetzt zu einem großen Hindernis geworden. Belgien braucht einen starken Manager, um aus der Sackgasse zu geraten und die Pleite des poltischen Systems zu vermeiden.
La Libre Belgique fragt: Welches Interesse hat der Minister Vanhengel daran, von einem bankrotten Belgien zu reden? Die ideologischen Debatten sind erforderlich, aber nicht, wenn sie zu Unentschlossenheit führen. Bei den Verhandlungen über die präzisen Fragen: Wer muss bezahlen? Was muss besteuert werden? Wo muss man sparen?- ist Diskretion eine Bedingung für den Erfolg der Verhandlungen. Doch es ist zu befürchten, dass sich dahinter die Unfähigkeit verbirgt, Entscheidungen zu treffen.
Die regionalen Unterschiede
De Standaard schreibt unter dem Titel "Wählen zwischen Pest und Cholera": Van Hengel möchte, dass die Gliedstaaten die Pensionen für die Beamten bezahlen, die sie eingestellt haben. Das klingt logisch, doch man muss die Frage stellen, ob Brüssel und die Wallonie dazu in der Lage sind. Rein psychologisch ist das ein großer Schritt in die Richtung einer Spaltung der Sozialsicherheit. Noch furchterregender ist die Behauptung Vanhengels, die im Lauf der Geschichte aufgetürmte Staatsschuld könne nicht allein von der bedürftigen föderalen Ebene getragen werden. Nach welchen Kriterien soll sie abgetragen werden? Nach der Bevölkerungszahl, nach der wirtschaftlichen Stärke, oder muss der am meisten zahlen, der am meisten Schulden gemacht hat? Aufgrund des heutigen Finanzierungsgesetzes ist Belgien in der Tat virtuell bankrott. Doch die Vorschläge des Ministers beschleunigen noch die Zentrifugalkräfte, die er bekämpfen will.
Het Nieuwsblad stellt fest, dass Flamen und Wallonen den Ernst der Lage der Staatsfinanzen völlig anders einschätzen. Die PS-Vizepremierministerin Onkelinx warf dem VLD-Haushaltsminister Vanhengel eine Dramatisierung vor, die die Glaubwürdigkeit des Landes untergrabe. Der flämische N-VA-Haushaltsminister Muyters ist hingegen einverstanden, dass Flandern sich am Abtragen der Staatsverschuldung beteiligt, wenn zugleich eine neue Staatsreform durchgeführt wird. Das ist der Kern der Sache.
Staatsfinanzen wichtiger als BHV
Gazet van Antwerpen kommentiert die Reaktion der frankophonen Politiker auf den flämischen "Gordel". Die Frankophonen betrachten die Gemeinden mit Spracherleichterungen rund um Brüssel als Brüsseler Territorium. Dieser Kampf ist schon verloren, weil kein einziger flämischer Politiker diese Gemeinden aufgeben will. Im Vergleich mit dem Haushaltsdefizit ist die Spaltung von Brüssel-Halle-Vilvoorde ein Luxus. Sie bedroht nicht unseren Wohlstand. Es ist nur logisch, dass alle Aufmerksamkeit der Sanierung der Staatsfinanzen zukommt. Doch im nächsten Jahr muss die Spaltung durchgeführt werden.
Reynders überzeugt seine Partei
Auf dem Parteitag der MR konnte sich der Vorsitzende Didier Reynders behaupten. La Dernière Heure bezeichnet ihn als einen Politiker, der der Debatte nicht aus dem Weg geht und die Partei einigen will. Wenn er zwischen dem Parteivorsitz und seinem Amt als Vizepremier entscheiden muss, fällt seine Wahl auf die Partei. Er hat auch erkannt, dass seine Wahlkampfstratege zu aggressiv war.
Vers l'Avenir fügt hinzu: Die Mitglieder der MR haben Reynders Beifall gespendet. Die Frage des Parteivorsitzes wird erst im kommenden Jahr diskutiert. Dann organisiert die Partei einen Kongress zur Vorbereitung der Föderalwahlen 2011 und beschließt über einige Reformen.