34-Jährige stirbt an der Schweinegrippe
"Die Schweinegrippe hat ein erstes belgisches Todesopfer gefordert", titelt heute Le Soir.
Gazet Van Antwerpen bringt die Schlagzeile: "Eine Tote, ein Patient im kritischen Zustand".
"Die erste Grippe-Tote ist 34 Jahre alt", schreibt Het Laatste Nieuws auf seiner Titelseite.
In Turnhout in der Provinz Antwerpen ist gestern Vormittag eine junge Frau an den Folgen einer Infektion mit dem Virus des Subtyps A/H1N1 gestorben. Vor zwei Wochen war die 34-jährige noch kerngesund, bemerkt dazu Het Nieuwsblad. Vor knapp zwei Wochen verspürte sie die ersten Symptome und ging zu ihrem Hausarzt. Mit Verdacht auf Lungenentzündung wurde sie ins Krankenhaus von Turnhout eingeliefert. Ihr Zustand war zunächst nicht besorgniserregend, doch ging dann plötzlich alles rasend schnell. In der Zwischenzeit bestätigte sich der Verdacht, dass das Schweinegrippe-Virus A/H1N1 die eigentliche Ursache der Erkrankung war. Die doppelseitige Lungenentzündung wurde Linda Hendrickx gestern Vormittag zum Verhängnis. Wie am Abend bekannt wurde ringt in der Antwerpener Uni-Klinik auch noch ein 50-jähriger Mann mit dem Tod. Ursache auch hier: die Schweinegrippe. Viele Zeitungen lassen Virologen und Vertreter der zuständigen föderalen Influenza-Behörde zu Wort kommen. Der allgemeine Tenor: ein Todesfall war leider zu erwarten, es besteht aber kein Grund zur Panik.
Behörden bereiten sich auf Ernstfall vor
Der Leitartikel von Le Soir lässt da allerdings anderes vermuten. Die Behörden scheinen im Augenblick mit dem Schlimmsten zu rechnen. Warum sonst wurden große Vorräte an Medikamenten angelegt zur Bekämpfung von Virusinfektionen, die zur Behandlung von einem Drittel der Bevölkerung ausreichen würden? Warum sonst haben die Krankenhäuser schon Notfallpläne ausgearbeitet, für den Fall eines Massenansturms von Schweinegrippepatienten. Man sollte die Verantwortlichen nicht zu Unglückspropheten stempeln. Sie müssen auf den Worst Case vorbereitet sein; anderenfalls könnte man sie unter Umständen der unterlassenen Hilfeleistung bezichtigen.
Vers l'Avenir bringt in diesem Zusammenhang auf ihrer Titelseite eine beunruhigende Meldung. Demnach hat der Krisenstab der wallonischen Region die Gemeinden im südlichen Landesteil angewiesen, auf ihren Friedhöfen Platz für mögliche Grippetote zu schaffen. Nach Schätzungen könnten der Grippe in der wallonischen Region zwischen 2000 und 6800 Menschen zum Opfer fallen. Diese Zahlen nicht auf Kaffesatzlesen zurück, sondern sind das Ergebnis von ernsthaften Erhebungen, betont die wallonische Regionalzeitung. Den Vorwurf der Panikmache weist der Virologe Daniel Reynders im Interview mit Vers l'Avenir zurück.
Einige Leitartikler sehen das anders.
Irrationale Ängste? Morbide Faszination?
De Morgen etwa vergleicht die derzeitige Stimmungslage mit der Angst vor dem ominösen "Millennium Bug". 1999 ging die Schreckensvision um, dass zum Wechsel ins Jahr 2000 weltweit alle Computer den Geist aufgeben. Und was ist passiert? Nichts ist passiert! Jetzt versetzt die Schweinegrippe die Menschen in Angst und Schrecken, machen schon Notfallpläne die Runde, befürchten schon Experten, dass die Grippe die Wirtschaft zum Erliegen bringen könnte. Hier handelt es sich aber eigentlich nur um eine Reaktion auf die Dramatisierung der Grippe und nicht auf die eigentliche Bedrohung, die sie darstellt.
Het Laatste Nieuws sieht das ähnlich. Wir bringen der Schweinegrippe eine fast schon morbide Faszination entgegen. Wichtig ist nicht die tatsächliche Situation, sondern das, was sich daraus entwickeln könnte. Vor diesem Hintergrund könnte die Meldung von der ersten Grippe-Toten vielen nur eine Bestätigung sein für ihre schlimmsten Vorahnungen. Doch sollte man doch bitte auf dem Teppich bleiben. Wenn man sich vor Augen führt, wie viele Menschen an Krebs sterben oder im Straßenverkehr ihr Leben lassen, dann ist die Schweinegrippe wohl nichts anderes als ein "Fait divers", eine Fußnote.
La Libre Belgique übt sich in diesem Zusammenhang fast schon in Psychoanalyse. Die ohne Zweifel etwas irrationale Angst vor der Schweinegrippe erklärt sich wohl auch dadurch, dass uns die Pandemie noch einmal vor Augen führt, wie verletzlich der Mensch und seine Welt doch immer noch sind. Auch im 21. Jahrhundert und trotz der spektakulären Fortschritte in der Medizin.
Der Tod der jungen Antwerpenerin lässt Urängste aufkeimen, die noch aus der Zeit stammen, als Epidemien ganze Landstriche entvölkerten, doch davon sind wir derzeit erwiesenermaßen weit entfernt.
Keine Panik, nur Vorsicht !
Tatsächlich sind sich die Virologen einig, A/H1N1 ist ein vergleichsweises mildes Virus, jedenfalls kein Killer wie die Spanische Grippe in den Jahren 1918 bis 1920, unterstreicht Het Nieuwsblad. Jedes Jahr sterben Menschen an den Folgen einer Grippe. In Belgien schätzt man die Zahl auf mindestens 1000. Natürlich ist jeder Todesfall einer zu viel, erst recht, wenn es um einen Angehörigen geht. Doch sagen Experten, dass die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit der Schweinegrippe gemessen an der Zahl der Infizierten absolut gering ist.
Und wir sollten doch bitte auf diejenigen hören, die es wissen müssen, fügt Gazet Van Antwerpen hinzu. Die Verantwortlichen der Influenza-Behörde, allen voran der Virologe Marc Van Ranst, sind weltweit anerkannte Experten. Es gibt schlicht und einfach keinen Grund zur Panik.
Und Het Nieuwsblad schlussfolgert: vielleicht sollten wir tatsächlich etwas häufiger unsere Hände waschen. Vor allem sollten wir aber weiter leben wie bisher.