Sache gehört lückenlos aufgeklärt, Fiskus und Justiz müssen mit aller Entschlossenheit gegen die Betrüger und auch ihre Helfer vorgehen. Belgien zahlte noch nie so wenig für seine Staatsanleihen, heben ebenfalls viele Zeitungen hervor. Und schließlich zeigen einige Blätter, wie schnell man vom Täter zum Opfer wird.
"Offshore-Leaks - die Untätigkeit des Fiskus", titelt Le Soir. "Die Rolle der Banken in dem Megabetrug wird untersucht", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. "Die Sozialisten eröffnen die Jagd auf die Betrugshelfer", so die Schlagzeile in De Standaard.
Der Offshore-Leaks-Skandal sorgt weiter für Diskussionsstoff. Hier geht es ja um eine Liste von 130.000 Privatpersonen und Unternehmen, die ihr Schwarzgeld in Steuerparadiesen versteckt haben sollen. Darunter sind auch rund 100 Belgier. "Wie konnte der Fiskus ein Phänomen von einer solchen Tragweite übersehen?", fragt sich Le Soir. Anscheinend ist das eine Frage der Prioritäten. Das Blatt zitiert ungenannte Mitarbeiter der Steuerbehörden. Nach ihren Worten tue die Hierarchie alles, um eben nicht gegen Steuerbetrug vorzugehen.
Jagd auf Betrugshelfer ist eröffnet
Da gibt es aber den zuständigen Staatssekretär für Betrugsbekämpfung, John Crombez. Und der will jetzt, im Fahrwasser des Offshore-Leaks-Skandals, die Rolle der Banken untersuchen lassen, wie Het Nieuwsblad berichtet. Großbanken wie die Deutsche Bank, die schweizerische UBS und auch BNP-Paribas stehen im Verdacht, ihren finanzkräftigen Kunden beim Verstecken ihres Schwarzgeldes geholfen zu haben. Wie De Standaard berichtet, legen die beiden sozialistischen Parteien PS und SP.A jetzt einen Gesetzesvorschlag vor, mit dem die Schrauben festgezurrt werden sollen. Demnach drohen künftig denjenigen, die Leuten dabei helfen, Steuern zu hinterziehen, fünf Jahre Haft.
Ein solches Gesetz ist überfällig, glaubt Het Nieuwsblad. Viele der Steuerflüchtlinge haben wohl nicht alleine den Weg in die exotischen Steueroasen gefunden. Jemand dürfte sie wohl an die Hand genommen haben. Und das waren unter anderem die Banken, wie zumindest aus den Offshore-Leaks-Akten hervorgeht. Wenn das stimmt, dann wäre das ein sehr schlechter Scherz. Ausgerechnet die Banken, die vom Steuerzahler gerettet werden mussten, weil sie sich verzockt hatten, ausgerechnet die helfen einem Kreis handverlesener Kunden, ihr Geld am Fiskus vorbei zu schleusen. Es wird also höchste Zeit, dass auch der Gesetzgeber den Druck auf mutmaßliche Betrugshelfer erhöht, meint Het Nieuwsblad.
Zugleich müssen Grauzonen und Interpretationsspielräume beseitigt werden, fordert La Libre Belgique. Der Gesetzgeber muss über klare Regelungen Licht ins Dunkel bringen, weil Steuerhinterziehung in der Regel im Halbschatten stattfindet. Es darf jedenfalls nicht sein, dass sich offensichtliche Steuerflüchtlinge auch noch damit brüsten können, vollkommen legal zu handeln.
Populisten laufen sich warm
Die ganze Geschichte hat viele Mitbürger jedenfalls im wahrsten Sinne des Wortes auf die Palme gebracht, bemerkt Le Soir. Und diese Empörung ist absolut nachvollziehbar. Erst musste der Staat die Banken retten. Die Zeche zahlt der Bürger. Der muss aber den Eindruck haben, dass der strikte Sparkurs im Endeffekt nur für die Kleinen gilt. Das ist brandgefährlich. In der Bevölkerung macht sich eine allgemeine Ablehnung gegen die Eliten breit, jene Verantwortlichen, die offensichtlich auf der ganzen Linie versagt haben. Insbesondere die Politik wäre jetzt also gut beraten, das Problem Steuerhinterziehung resolut anzupacken. Sonst bekommen die Politiker bei der nächsten Wahl die Quittung.
Auch L'Echo warnt vor möglichen dramatischen politischen Auswirkungen der jüngsten Krisen. In Frankreich stolpert der oberste Betrugsbekämpfer, der ehemalige Haushaltsminister Cahuzac, über ein Geheimkonto in der Schweiz. In Zypern kollabieren die Banken, weil die EU mal wieder nicht genau hingeschaut hat. Und jetzt der Offshore-Leaks-Skandal. All das ist Wasser auf den Mühlen von Populisten und Neofaschisten. Wenn die Politik eine Katastrophe verhindern will, dann muss sie jetzt mit aller Entschlossenheit die Wurzeln des Übels bekämpfen. Die Zauberworte lauten: Kontrolle, Regulierung, grenzüberschreitende Zusammenarbeit, Transparenz, schlicht und einfach Ethik.
Belgischer Zinssatz im Keller
"Staat bezahlt den niedrigsten Zinssatz aller Zeiten", jubelt Het Laatste Nieuws auf Seite eins. Der Zinssatz für zehnjährige Staatsanleihen ist unter die Marke von zwei Prozent gefallen. Das heißt: Die Staatsschuld wird billiger. Das heißt auch: Belgien genießt Vertrauen an den internationalen Finanzmärkten. "Gute oder schlechte Neuigkeit?", fragt sich dennoch L'Echo. Es gibt nämlich in der Tat auch Nachteile bei einem solch niedrigen Zinssatz: Die Versicherer haben es immer schwerer, ihre Rendite-Versprechen zu erfüllen. Auch die Sparer bekommen weniger Geld für ihr Geld.
Und schließlich sind die niedrigen Zinssätze auf Staatsobligationen auch noch ein Zeichen an der Wand, fügt L'Echo in seinem Leitartikel zu. Sie dienen nämlich dem Fachmann als Konjunkturbarometer. Die Erkenntnis: Die Wirtschaft in der Euro-Zone springt nach wie vor nicht an. Die Aussichten bleiben trübe. In diesem Zusammenhang könnte sich die jüngste Idee der Regierung noch als wirklich interessant erweisen. Geplant ist ja eine Art Volksanleihe, für die dann eine verminderte Quellensteuer gelten soll. Damit könnte zumindest ein Teil des schlummerndes Vermögens der Belgier aktiviert werden, denn nicht vergessen: Auf den belgischen Sparbüchern liegen 240 Milliarden Euro.
Auch Gazet Van Antwerpen warnt vor Euphorie. Dass Belgien jetzt weniger als zwei Prozent auf seine Staatsanleihen bezahlt, ist bestimmt gut mitgenommen. Doch macht eine Schwalbe noch keinen Sommer. Unsere Wirtschaft schwächelt weiterhin, die Lohnkosten in Belgien sind zu hoch und die Staatsschuld von 370 Milliarden Euro wiegt nach wie vor erdrückend schwer.
Umweltzerstörung mit staatlicher Hilfe?
De Morgen berichtet heute auf seine Titelseite über einen auf den ersten Blick lukrativen Auftrag für eine Gallionsfigur der belgischen Industrielandschaft. Das Seebaggerunternehmen De Nul soll mit Blick auf die Schaffung eines neuen russischen Hafens am Nordmeer eine Fahrrinne ausheben. Russland will damit den Weg ebnen für die Öl- und Gasgewinnung am Nordpol. De Nul bittet den belgischen Staat um eine Absicherung des Geschäfts über eine Staatsbürgschaft. Das allerdings dürfte sich als schwierig erweisen, glaubt De Morgen. In einer Resolution ruft das föderale Parlament nämlich zum Schutz des Nordpol-Gebiets auf.
Kommentierend meint De Morgen dazu: Das Bohren nach Öl und Gas in so einem einzigartigen Ökosystem wie dem Nordpol ist viel zu riskant. Dass ein Unternehmen seinen eigenen Umsatz über ökologische Erwägungen stellt, das ist seine Entscheidung. Aber darum muss der belgische Steuerzahler noch längst nicht die Bürgschaft übernehmen. Das Parlament als Vertreter des Steuerzahlers sollte das vor Augen halten.
"Wer ist hier der Verrückte?"
Einige Blätter beschäftigen sich mit einer fast schon absurden Geschichte. Der bekannteste Häftling des Landes, Farid Bamouhammad, genannt Farid der Verrückte, bekommt ab jetzt 5.000 Euro Schadensersatz für jeden Umzug in ein neues Gefängnis. Weil er zur Gewalt neigt, ist Farid le Fou schon 35 Mal verlegt worden. Gegen diese Praxis hatte er mit Erfolg geklagt. La Dernière Heure spricht auf ihrer Titelseite von einem "Skandal".
Das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws versteht seinerseits die Welt nicht mehr. Farid der Verrückte hat seine Odyssee durch die Gefängnisse des Landes einzig und alleine sich selbst und seinem Verhalten zu verdanken. Sein Ruf eilt ihm dermaßen voraus, dass das Personal eines Gefängnisses, in das er verlegt werden soll, bei Bekanntwerden dieser Entscheidung, automatisch in den Streik tritt. Ein Mann, der regelmäßig seine Zelle zerlegt und Wärter anfällt, geht jetzt also quasi als Opfer durch, wird noch für sein Verhalten belohnt. Da muss man sich fragen, ob der dafür verantwortliche Richter nicht denselben Beinamen verdient hätte, wie eben Farid der Verrückte. Der jedenfalls ist kein Opfer, er sollte vielmehr einmal die volle Härte des Gesetzes erfahren.
Bild: Dirk Waem (belga)