Olivenbaum: nachhaltig, menschlich, solidarisch
Die als Olivenbaum bezeichnete Koalition zwischen PS, CDH und Ecolo stellte gestern die Schwerpunkte ihres Programms vor. Diese konzentrieren sich Vers l'Avenir zufolge auf folgende Achsen:
Das Unterrichtswesen, die nachhaltige Entwicklung, die Sozialpolitik, den Wohnungsbau und die Mobilität sowie mehr Deontologie in der Politik und das Ende der Ämterhäufung.
Neue Politik
Le Soir sieht in dem neuen Programm die Absicht, eine grundlegende Veränderung in die Politik des französischsprachigen Belgiens zu bringen. Das wird nicht einfach sein, aber was man sich vorgenommen hat, könnte die Gesellschaft in der Wallonie schrittweise verändern.
Dazu braucht man zum einen Geld, aber das ist weniger wichtig als der politische Zusammenhalt. Was die neue Regierungsmannschaft zusätzlich benötigt, sind ein unerschütterlicher Wille, das Ziel umzusetzen, Ideen und Entschlossenheit.
Kurzum, es muss die Lust vorhanden sein, für die Menschen und mit den Menschen die Wallonie zu regieren, so schlussfolgert Le Soir.
Einfluss von Ecolo
La Libre Belgique hebt die drei Schlagworte des Regierungsabkommens hervor: nachhaltig, menschlich und solidarisch. Somit finden sich alle drei Regierungsparteien in dem Koalitionsabkommen wieder. Den stärksten Einfluss auf das Programm hat zweifellos Ecolo ausgeübt, denn die Umwelt und die Nachhaltigkeit des politischen Handelns werden in allen Bereichen groß geschrieben.
Leider, so stellt die Zeitung fest, findet man keinen Hinweis darauf, was die Umsetzung des Programms kosten wird, sondern lediglich die Absicht, das finanzielle Gleichgewicht bis zum Jahre 2015 wieder herzustellen. Das hätte man nach Ansicht der Zeitung sicherlich besser etwas früher angestrebt.
Fehlender politischer Mut
Besonders kritisch zum wallonischen Regierungsprogramm äußert sich La Dernière Heure, wenn sie schreibt, PS und cdH haben es geschafft am Ruder zu bleiben und die nun mitregierenden Grünen mussten viel Wasser in ihren Wein geben.
So wird das Ende der Ämterhäufung, d.h. die gleichzeitige Ausübung eines parlamentarischen Mandats und eines Bürgermeister- oder Schöffenamtes erst in fünf Jahren greifen. Damit ist klar, dass die Bereitschaft zu mutigen politischen Entscheidungen auch bei Ecolo nicht vorhanden ist.
Das Schlimmste jedoch sind die fehlenden finanziellen Mittel. Während Flandern sein Defizit innerhalb der nächsten zwei Jahre beheben wird, wird die wallonische Region mindestens dreimal so lange brauchen. Dadurch wird der politische Handlungsspielraum bis 2015 bedeutend eingeschränkt, so urteilt La Dernière Heure.
Minister aus Privatwirtschaft
Die flämischen Zeitungen kommentieren ihrerseits die neue flämische Regierung, deren Minister heute vereidigt werden. Allgemein wird unterstrichen, dass zwei von ihnen nicht aus der Politik kommen, ja nicht einmal gewählt wurden, sondern aus der Privatwirtschaft. Es handelt sich um den bisherigen Chef des flämischen Unternehmerverbandes Philipe Muyters und die Vorsitzende der flämischen Nahverkehrsgesellschaft Ingrid Lieten.
Het Laatste Nieuws hebt hervor, dass die beiden auch noch mit den wichtigsten Ministerämtern betraut werden, was vor allen Dingen für Muyters gilt, der in Flandern das Budget und die Finanzen politisch verwalten wird.
De Standaard bedauert, dass es unter den vielen Politikern offenbar nicht genügend geeignete Kandidaten gibt, um ein Ministeramt auszuüben. Allem Anschein nach gibt die Politik ihrem Nachwuchs zu wenig Zeit und Gelegenheit sich zu entwickeln. Unter diesem Manko leidet bereits der belgische Fußball, der seine besten Spieler nicht aus den Jugendmannschaften holt, sondern im Ausland einkauft. Unser Fußball ist dadurch nicht besser geworden, der flämischen Politik könnte es genauso ergehen.
Frust und Enttäuschung
Het Belang van Limburg fragt zum gleichen Thema, warum wählen wir überhaupt noch, wenn man danach die Minister aus der Privatwirtschaft rekrutiert. Für den Nachwuchs in der Politik und jene Parlamentarier, die hart arbeiten, um sich auf ein Ministeramt vorzubereiten, muss es eine herbe Enttäuschung sein, auf diese Weise von der Parteispitze ins Abseits manövriert zu werden.
Zum Glück, so schreibt Het Nieuwsblad gibt es neben den neuen Gesichtern in der flämischen Regierung mit Leuten wie Vandeurzen, Bourgeois und Freya Vandenbossche auch noch erfahrene Minister, deren Fingerspitzengefühl und können allerdings auch nötig sein werden, um Flandern an den Klippen vorbei zu leiten, die in der nächsten Zeit, und zwar nicht nur aufgrund der Wirtschaftskrise, auf die Region zukommen werden.