Antwerpener Gericht lässt Rauchverbot in Rauch aufgehen
„Das Rauchverbot ist illegal“, titelt heute das flämische Massenblatt Het Laatste Nieuws. De Morgen meint auf Seite 1: “Ein Antwerpener Gericht bringt das Rauchverbot ins Wanken“. Der Antwerpener Appellationshof hat gestern ein Urteil gefällt, das möglicherweise zu einem Präzedenzfall werden kann. Der Betreiber einer Taverne wurde freigesprochen, obwohl er sich über das Rauchverbot hinweggesetzt hatte. Weil er auch kleinere Gerichte anbietet, wäre nach den Buchstaben des Gesetzes der Glimmstängel eigentlich nicht willkommen.
Sein Rechtsbeistand machte aber geltend, dass besagtes Gesetz gegen das Gleichheitsprinzip verstößt. Und das Gericht folgte der Argumentation. Demnach ist nicht einzusehen, warum man einen Unterschied macht zwischen Restaurants und Kneipen. Das Kriterium, wonach Rauchverbot für Gaststätten gilt, die ihren Umsatz zu wenigstens einem Drittel mit Mahlzeiten erzielen, ist willkürlich.
Kommentierend meint dazu De Morgen: Einmal mehr wird deutlich, dass wir im Mutterland des Surrealismus leben. Aus der Argumentation des Gerichts geht eigentlich hervor, dass der Appellationshof prinzipiell für ein allgemeines Rauchverbot im Hotel- und Gaststättengewebe Partei ergreift. Aus dem Urteil ergibt sich allerdings das Gegenteil: Wird der Freispruch zu einem Präzedenzfall, dann ist das bestehende Rauchverbot für Restaurantbetriebe möglicherweise bald auch schon nur noch Makulatur.
Rauchverbot verstößt gegen Gleichheitsgrundsatz
Das Antwerpener Urteil droht zugleich, eine geplante Ausweitung des Rauchverbots sozusagen im Keim zu ersticken, bemerken De Standaard und Het Nieuwsblad. Tatsächlich wurde gestern eine Neufassung des Rauchverbots im zuständigen Kammerausschuss abgesegnet. Demnach darf nur noch in Kneipen geraucht werden, die „verpackte Lebensmittel“ anbieten, die mindestens drei Monate haltbar sind. Gemeint sind damit wohl kleinere Snacks wie Chips oder Bierwürste.
„Was, um Himmel Willen, soll das denn jetzt?“ echauffiert sich in diesem Zusammenhang Het Nieuwsblad. Vier von zehn Krebserkrankungen in Belgien gehen auf das Rauchen zurück, jedes Jahr sterben hierzulande 20.000 Menschen an den Folgen von Tabakkonsum. Die Gegner eines allgemeinen Rauchverbots, das also auch für Kneipen aller Art gelten würde, machen wirtschaftliche Argumente geltend, warnen davor, dass man vielen Cafés damit den Todesstoß versetzen würde. Doch wiegt das schwerer als die Volksgesundheit? Die Antwort ist nein, meint Het Nieuwsblad.
Surreale Horeca-Welt im blauen Dunst
Für De Standaard ist das Ganze nur noch erbärmlich. Da, wo gegessen wird, darf nicht geraucht werden, da, wo getrunken wird, wohl. Das ist doch vollkommen unlogisch. Warum soll das eine ungesünder sein als das andere? Man sollte doch den Tatsachen ins Auge sehen: Die Zigarette wird früher oder später ohnehin gänzlich aus dem Hotel- und Gaststättengewerbe verbannt. Bei der aktuellen Diskussion handelt es sich allenfalls um ein Rückzugsgefecht.
Experten empfehlen Verzicht auf neue Atommeiler
Einige Zeitungen befassen sich heute mit dem Energiemix der Zukunft. Wie unter anderem die Wirtschaftszeitung L'Echo berichtet, hat eine Expertengruppe diesbezüglich gestern einen Bericht vorgelegt. Darin wird der Regierung empfohlen, nicht mehr in neue Atomkraftwerke zu investieren. Der Bau von neuen Kernkraftwerken würde die belgischen Stromrechnungen nur zusätzlich aufblähen. Die Frage nach einer möglichen Verlängerung der Laufzeiten der bestehenden sieben belgischen Reaktorblöcke bleibt aber vorläufig offen.
Electrabel zahlt (fast) keine Steuern
La Libre Belgique schaut ihrerseits dem bei weitem größten Stromproduzenten, Electrabel, auf die Finger. Das Blatt konnte vertrauliche Dokumente einsehen. Daraus geht hervor, dass Electrabel im vergangenen Jahr so gut wie keine Steuern bezahlt hat. Einzige Ausnahme: Die Abgabe, die die Regierung den Betreibern von Atomanlagen aufgebrummt hat. Grund für die faktische Steuerbefreiung sind offenbar die außergewöhnlich großen finanziellen Belastungen, denen Electrabel im vergangenen Jahr ausgesetzt war. In diesem Zusammenhang stellen sich aber Experten hinter vorgehaltener Hand die Frage, ob sich dahinter nicht getarnte Geldtransfers an das französische Mutterhaus GDF Suez verbergen.
„Wind of change“ bei der MR?
Die Brüsseler Tageszeitung Le Soir schließlich wittert eine Palastrevolte bei den frankophonen Liberalen MR. „Bei der MR braut sich was zusammen“, lautet die Schlagzeile auf Seite 1. Demnach haben mehr und mehr Liberale ein Problem mit der Doppelbelastung ihres Parteichefs Didier Reynders, der ja auch föderaler Finanzminister und Vizepremier ist.
Viele Blaue sind der Ansicht, dass man sich jetzt schon im Hinblick auf die Wahl von 2011 neu aufstellen müsse, und dazu bedürfe es einer wirklichen Erneuerung. Kommentierend meint dazu das Blatt: Wer eine Niederlage nicht eingesteht, der kann sie auch nicht hinterfragen. Und jeder Küchenchef weiß: Man hindert einen Kessel nicht am Überkochen, wenn man einen Deckel draufmacht - man erreicht genau das Gegenteil.