„Die Krise wird schlimmer“ titelt heute die Brüsseler Tageszeitung Le Soir. L'Echo bringt die beängstigende Schlagzeile: „800.000 Arbeitslose im Jahre 2011“. Das so genannte Planbüro hat seine neuesten Konjunkturprognosen vorgelegt. Und die Aussichte sind noch schlechter als ohnehin schon befürchtet. Demnach springt der Konjunkturmotor im kommenden Jahr noch nicht an, 2010 wird zum zweiten Rezessionsjahr. Und auch der Wideraufschwung 2011 wird verhaltener ausfallen als ursprünglich erhofft. Die Folge: Ein drastischer Anstieg der Arbeitslosigkeit. Innerhalb von drei Jahren kommen 200.000 Erwerbslose hinzu; die Quote steigt von 11,8 auf 15,5 %.
Dabei muss man bedenken: Schon jetzt steht Belgien wegen seiner schlechten Haushaltszahlen auf der Schwarzen Liste der EU-Kommission; gestern gab es einen gehörigen Rüffel von der Brüsseler Behörde. Kommentierend meint dazu La Libre Belgique: Wenn das so weitergeht, dann entwickelt sich Belgien zur ersten Bananenmonarchie Europas. Das Zeugnis, das die EU-Kommission dem belgischen Stabilitätsprogramm ausgestellt hat, ist desaströs. Ursache für die katastrophale Lage ist einmal mehr die belgische Krankheit: Totale Lethargie, weil im belgischen Staatsgefüge immer irgendwo irgendwer blockiert.
Auch L'Echo geht mit den Regierenden hart ins Gericht: Das letzte Mal, das ein Land eine solche Ohrfeige von der EU-Kommission bekommen hat, war im Fall des Bankrottstaates Ungarn. In Belgien streitet man sich immer noch darüber, ob man nun sparen soll und damit eine Depression riskiert, oder die Schuldenspirale weiter drehen lässt, auf die Gefahr hin, dass sich wie in den 70er Jahren ein Schneeballeffekt entwickelt. Wir brauchen jetzt mutige Politiker, nicht nur, um es Europa recht zu machen, sondern auch im Sinne der kommenden Generationen.
Bei Le Soir macht sich derweil fast schon Verzweiflung breit. Es ist ja nicht nur so, das sich derzeit in Belgien zwei Modelle gegenüber stehen: Das Lager derer, die so schnell wie möglich sparen wollen, und eben diejenigen, die so lange wie nötig damit warten wollen. Hinzu kommt aber zu allem Überfluss die Gemeinschaftspolitik: Vor allem die N-VA wird die Themen Haushalt und Staatsreform verknüpfen wollen, und damit wird eine Bekämpfung der Krise fast schon zu einem Ding der Unmöglichkeit.
Fast alle flämischen Zeitungen echauffieren sich heute über die jüngsten Pannen im Justizwesen. Unmittelbarere Anlass: Ein Bauer, bei dem 150.000 Cannabispflanzen sichergestellt wurden, musste wegen Formfehlern freigelassen werden. Für die zuständige Anklagekammer in Gent war der Durchsuchungsbeschluss des zuständigen Untersuchungsrichters unvollständig. Das kann kein Mensch mehr nachvollziehen, tobt in diesem Zusammenhang Het Laatste Nieuws. Wer statt neunzig 94 km/h fährt, der darf 50 Euro bezahlen. Aber gut, selber schuld. Der größte Drogenbauer Flanderns kommt allerdings dem gegenüber auf freien Fuß.
Kopfschütteln auch bei Het Belang Van Limburg. In seinem Leitartikel bringt das Blatt eine Liste der jüngsten Aberwitzigkeiten der Justiz: Freilassungen wegen Formfehlern, Freilassungen wegen überfüllter Gefängnisse, und sogar eine Krise in der Haftanstalt von Hasselt wegen eines dramatischen Mangels an Unterhosen. Der Gipfel: Das Justizministerium will bis zu 300 Häftlinge vorzeitig aus der Haft entlassen, um hitzebedingte Spannungen in den überfüllten Gefängnissen zu vermeiden.
Dazu meint Gazet Van Antwerpen ironisch: Offenbar hängen vorzeitige Haftentlassungen nicht mehr von der Gesetzeslage ab, sondern von Faktoren wie Sonne und Windrichtung. Und wenn man der Anklagekammer von Gent folgt, dann hätte möglicherweise auch ein Marc Dutroux freigelassen werden müssen, wenn der Haftbefehl nicht in Ordnung gewesen wäre. Das versteht niemand mehr.
De Morgen bringt dennoch bis zu einem gewissen Maß Verständnis auf: In einem Rechtsstaat gibt es eben Regeln, und eine Hausdurchsuchung ist kein Pappenstiel. Und ein Durchsuchungsbeschluss muss eben ausreichend motiviert sein, auf die Gefahr hin, dass wir am Ende in einem Polizeistaat leben. Nicht unser Rechtssystem gehört an den Pranger gestellt, sondern die Justizvertreter, wenn sie Grundregeln außer Acht lassen.
De Standaard sieht das im Wesentlichen genau so. In der Justiz wird die Prozedur auf ein Podest gestellt. In anderen Ländern gilt dagegen längst die Maxime, dass Formfehler keine unverhältnismäßigen Auswirkungen auf ein Verfahren haben dürfen. Wäre es denn so kompliziert, ein solches Prinzip auch in Belgien einzuführen, fragt sich De Standaard.
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute auch mit neuen Erkenntnissen über König Leopold II. Der Monarch, der Belgien bis 1909 regierte, schaffte es sogar auf die Titelseiten von Het Belang Van Limburg und De Standaard. Demnach hatte Leopold in jungen Jahren den Plan gefasst, die Niederlande zu überfallen und einzuverleiben. Das Vorhaben scheiterte nur am Veto der Franzosen.