Happart im Affären-Sumpf?
„José Happart und das kleine Haus auf dem Lande“, titelt heute die Brüsseler Tageszeitung La Libre Belgique. Die Lütticher Justizbehörden haben gestern in von José Happart genutzten Büroräumen sowie in seiner Privatwohnung Hausdurchsuchungen durchgeführt. Happart wird der Vorteilsnahme im Amt verdächtigt. Er soll einer guten Freundin zu einem günstigen Haus verholfen haben. Als Gegenleistung sollen einem Unternehmen Vorteile im Hinblick auf öffentliche Aufträge in Aussicht gestellt worden sein. Die Klage eingereicht hat ein französischer Unternehmer. Schlüsselfigur sei demnach José Happart in seiner Eigenschaft als Verwaltungsratspräsident der Betreibergesellschaft des Lütticher Regionalflughafens Bierset.
Politische Abrechnung?
In der Brüsseler Tageszeitung Le Soir holt der scheidende wallonische Parlamentspräsident derweil zum Gegenschlag aus. Er sei unschuldig, wird Happart zitiert. Schließlich kämen die Verdächtigungen aus dem Mund eines einschlägig bekannten Betrügers. Außerdem stellt sich Happart die Frage, warum die Lütticher Justiz ausgerechnet jetzt zur Tat schreitet, wo doch gerade die Koalitionsverhandlungen zwischen PS, cdH und Ecolo begonnen haben.
Auf diese Frage liefert der Chef eines Unternehmens, das in der Affäre genannt wird, in Vers l'Avenir seine Antwort. Hier handle es sich ganz klar um eine politische Abrechnung, wird der Lütticher Firmenchef zitiert. Noch vor 2 Wochen habe sich die zuständige Prokuratorin des Königs, Danielle Reynders, in Facebook als Liberale geoutet. Danielle Reynders ist ja die Schwester von MR-Chef Didier Reynders. Dass die Affäre jetzt ans Licht kommt, sei also kein Zufall: Reynders habe die Wahl verloren und jetzt sie die Jagd auf die Roten eröffnet, so der Unternehmer und Happart-Freund in Vers l'Avenir .
Neue Ethik braucht das Land
La Derniere Heure stellt sich ihrerseits in ihrem Kommentar die Frage, wann dieser Zirkus endlich aufhört. Fast schon resigniert bemerkt das Blatt: auch drakonische Bußgelder hindern Autofahrer nicht daran, eine rote Ampel zu missachten. Strengere Ethikregeln werden das Problem wohl nicht lösen. Vielmehr geht es hier um Personen. Bei der Auswahl des Personals sollte die Olivenbaumpartner also sehr sorgfältig vorgehen. Weil vor allem die Grünen das ohnehin vorhatten, kann sich der Olivenbaum eigentlich bei José Happart bedanken. Diese Affäre zeigt einmal mehr, wo der Schuh drückt.
La Libre Belgique hält ihrerseits, ohne Happart ausdrücklich zu nennen, noch einmal ein flammenden Plädoyer für eine ethische Revolution. Den Worten von PS-Chef Elio Di Rupo müssen Taten folgen; die angekündigte Operation „Weiße Weste“ muss mehr sein als nur eine Waschmittelwerbung. In diesem Zusammenhang müssen Ecolo und cdH kompromisslos den Druck aufrecht erhalten. Und notfalls auch ihre Konsequenzen ziehen. Vor diesem Hintergrund bleibt die MR weiter eine Alternative.
Die Peeters-Note und die Open VLD
Die flämischen Zeitungen widmen sich heute fast ausschließlich der Note des CD&V Regierungsbildners Kris Peeters. Im Hinblick auf die Bildung einer neuen Koalition hat Peeters den vier Interessierten Parteien ein Synthesepapier unterbreitet, das die möglichen Leitlinien der kommenden Regierung enthält. Im Rennen sind derzeit noch seine eigene Partei, sowie die nationalistische N.VA, die sozialistische SP.A und die liberale Open VLD. Für die Open VLD, um ihren Interimsvorsitzenden Guy Verhofstadt ist die Peeters-Note eigentlich ein Affront, da die wichtigsten liberalen Programmpunkte entweder nicht berücksichtigt oder sogar ins Gegenteil verkehrt werden. Peeters will treibt die Open VLD in die Enge, titelt denn auch sinngemäß Het Laatste Nieuws.
De Standaard stellt dagegen fest, Peeters wird die Liberalen nicht los. Tatsächlich haben alle vier Parteien die Peeters-Note begrüßt, eben auch die Open VLD. De Morgen sieht in dem ganzen ein politisches Pokerspiel. Die Frage lautet nicht, mit wem eine Regierung geformt werden soll, sondern: „Wie schaffen wir es, eine der vier Parteien abspenstig zu machen“. Dass die Open VLD auf die Provokation nicht eingegangen ist, lässt tief blicken: die Liberalen wollen auf Biegen und Brechen mit in die Regierung.
In diesem Zusammenhang sieht Gazet van Antwerpen für die Open VLD nur zwei Möglichkeiten, die beide wenig schmeichelhaft sind: entweder Opposition oder in der Unterhose dastehen. In jedem Fall scheint Peeters die Bitte seines Parteifreunds, des föderalen Premierministers Herman Van Rompuy in den Wind zu schlagen. Van Rompuy hatte im Namen der politischen Stabilität dafür plädiert, die Open VLD in der flämischen Koalition zu halten. Weil aber auch den frankophonen Liberalen eine Oppositionskur in den Teilstaaten droht, sind Probleme auf föderaler Ebene ohnehin vorprogrammiert.
Pensionsfonds in Finanznöten
De Standaard und La Libre Belgique schließlich widmen sich der finanziellen Gesundheit der Pensionsfonds in Belgien. Demnach leidet fast die Hälfte der 250 Pensionsfonds unter Liquiditätsproblemen. Hintergrund ist die Finanzkrise. Die Auszahlung der Zusatzrenten stellt aber kein Problem dar. Es gebe keinen Grund zur Panik. Zumindest noch nicht.