Le Soir bringt im Vorfeld der Regionalwahlen die Ergebnisse einer Umfrage, die die Unterschiede zwischen der Wallonie und Brüssel herausstellt. In ihrem Leitartikel fasst die Zeitung zusammen: Wallonen und Brüsseler schätzen sich, doch sie haben verschiedene Pläne für den Fall der flämischen Unabhängigkeit. Die Brüsseler sehen sich allein als europäischer Distrikt; die Wallonen wollen bei Brüssel bleiben. Im September, wenn die Diskussion über die Staatsreform erneut beginnt, wird deutlich, dass es kein gemeinsames frankophones Projekt gibt, das den flämischen autonomistischen Forderungen gegenüber gestellt werden kann.
Auch De Standaard kommentiert diese Umfrage. Nur eine Minderheit glaubt, dass ein Zusammenschluss von Brüssel und der Wallonie die Nachfolge Belgiens antreten kann. In Brüssel spürt man keine große Sympathie für die Wallonie. Brüssel will eine Rolle als internationale und europäische Großstadt spielen. Interessant ist, dass die beiden Regionen langsam begreifen, dass sie selbst die Hebel in die Hand nehmen müssen, um ihren Arbeitsmarkt zu beleben. Flandern hat das längst verstanden. Vielleicht ist das der Vorbote der Einsicht, dass Änderungen nicht unbedingt schlecht für den einen sein müssen, wenn sie gut für den anderen sind.
DE TIJD findet: Der Wahlkampf ist sehr sonderbar. Offiziell geht es um die Regionen und Europa, obschon jeder weiß, dass das große Problem der Föderalstaat ist. Dort entgleist der Haushalt und wächst die Verschuldung, dort muss der Anstoß zur Konjunkturbelebung gegeben werden, dort entscheidet man über die Zukunft der Sozialsicherheit und die Staatsreform. Aber augenblicklich geschieht dort nichts. Man wartet die Regionalwahlen ab, um anschließend zu sehen, was möglich ist.
La Libre Belgique stellt fest: Obschon oft davon die Rede war, finden am 7. Juni nicht auch noch Föderalwahlen statt. Dabei war ein Zusammenlegen der verschiedenen Wahlen keine schlechte Idee. Der Wahlkampf beschäftigt sich ohnehin nur wenig mit der Politik der Gemeinschaften und Regionen. Viele föderale Minister stehen auf den regionalen Listen. Die Finanz- und Wirtschaftskrise und die Erwartung gewisser Gerichtsurteile können die Karten noch neu verteilen. In Flandern beobachten die Parteien die politische Zersplitterung, und in der Wallonie kämpfen sie um den Titel der stärksten Partei der Region.
Vers l'Avenir findet auch: Man hätte sich einen Wahlkampf gewünscht, der sich mit wichtigen Themen wie Unterrichtswesen oder Staatsreform beschäftigte. Doch nichts dergleichen. Der Wahlkampf der PS besteht aus Anti-Liberalismus und die Kampagne der MR aus Anti-Sozialismus. Ecolo versucht vergebens, die Debatte auf eine höhere Ebene zu heben, doch wird von dem sterilen Geschrei der anderen übertönt.
Die Rückkehr des Überläufers Vijnck
Der flämische Abgeordnete Dirk Vijnck, der von der Open VLD zur Liste Dedecker übergelaufen war und diese vor zwei Wochen wieder verließ, um zur VLD zurückzukehren, ist gestern erneut zur Liste Dedecker zurückgekommen. Die Liste Dedecker, die durch seinen Abgang nicht mehr über eine Fraktionsstärke im Parlament verfügte, hat sie jetzt wieder. Het Belang van Limburg notiert: Dedecker ist sehr zufrieden, dass er die zehn Mitarbeiter seiner Fraktion nicht entlassen muss, und dass er seine Fraktionszulage von 250.000 Euro im Jahr behalten kann.
Het Nieuwsblad schreibt: monatelang führte Dedecker Krieg mit der VLD. Seine Wahlkampagne handelt nur vom bitteren Kampf zwischen ehemaligen Parteifreunden. Dedecker erweist sich selbst keinen guten Dienst, wenn er immer wieder neue Skandale auspackt. Er hat ein Parteiprogramm, doch man hört nichts davon.
Gazet van Antwerpen spricht von einem politischen Zirkus. Es kann einem gleichgültig sein, dass Dedecker in seinem Streit mit Open VLD nicht mehr als einen Pyrrhussieg davonträgt. Wie kann ein Parteivorsitzender froh sein, dass ein Mitglied zurückkommt, das ihn vor einer Woche noch lächerlich machte. Ein echtes Problem hingegen ist, dass solche traurigen Schauspiele ein schlechtes Licht auf die ganze Politik werfen.
De Morgen weiß: Der Mann ist bei Dedecker willkommen, weil die Partei so ihre Zulage behalten kann. Es bleibt das Gefühl einer Verlotterung des Parlaments und des politischen Engagements der Volksvertreter.