Schon die Titel sprechen Bände: „Eine verhinderte Rebellion“ heißt es in Le Soir, „Fortis-Zirkus“ schreibt Gazet Van Antwerpen, „Straßenschlacht um Fortis“, so die Schlagzeile in De Morgen und Het Laatste Nieuws titelt „Erst flog ein Schuh, dann kam das Ja“ zum Verkauf der Fortis an BNP Paribas.
In den Kommentaren gehen die Leitartikler vornehmlich zwei Fragen nach: Was wird jetzt aus der größten belgischen Bank, nachdem so gut wie sicher ist, dass sie demnächst von Paris aus geführt wird, und wie ist das Verhalten des Anwalts der Minderheitsaktionäre Modrikamen zu beurteilen, der gestern in Gent den Saal förmlich zum Kochen brachte?
Aktionärsversammlung: Unwürdige Tumulte
Le Soir spricht von einem schwarzen Tag für Fortis und kritisiert scharf Anwalt Modrikamen. Nachdem er juristisch sein letztes Pulver verschossen hatte, wiegelte er die Minderheitsaktionäre auf und schreckte selbst nicht davor zurück, Hass zu säen, um sich eventuell doch noch durchzusetzen. Was er der Gegenseite immer vorwarf, nämlich alle möglichen und unmöglichen Mittel anzuwenden, das hat er nun selbst getan, und das ist mehr als bedauerlich.
In ähnlichem Sinne äußert sich auch Het Laatste Nieuws unter der Schlagzeile „Ein beschämendes Schauspiel.“ Was man im Irak kann, kann man offenbar auch bei uns, nämlich mit Schuhen werfen. Anwalt Modrikamen hat mit einer relativ kleinen Gruppe die Generalversammlung eines europäischen Spitzenbetriebes lahm gelegt. Damit zeigte sich Belgien als ein Land, das nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten auf zivilisierte Art und Weise zu regeln, denn das Chaos von Gent hat man natürlich in den europäischen Finanzhauptstädten miterlebt. Es war sozusagen eine Premiere für den finanziellen Hooliganismus.
Wie belgisch bleibt Fortis?
Zu der Zukunft von Fortis heißt es im Kommentar von De Morgen: Jetzt müssen wir abwarten, ob die belgischen Wirtschaftsinteressen und Kreditanfragen bei der Fortis-Direktion in Paris mit dem gleichen Entgegenkommen behandelt werden, wie wenn die Bank in belgischen Händen geblieben wäre. Allerdings muss man zugeben, dass ein Fortis-Alleingang die Periode der Unsicherheit um Monate, wenn nicht gar um Jahre verlängert hätte. Der Deal mit BNP Paribas hat zumindest den Vorteil, die Fortis-Bank fester in einer großen Finanzgruppe zu verankern.
Unter dem Titel „ Wer am lautesten schreit, hat nicht unbedingt recht“ schreibt La Dernière Heure, Modrikamen und sein Gefolge haben die schweigende Mehrheit der Aktionäre stundenlang niedergebrüllt. Wichtige Argumente zur Untermauerung ihrer Position wurden nicht vorgebracht. Wahrscheinlich weil sie wussten, dass ein Fortis-Alleingang zum einen die schlechtere Lösung gewesen wäre und zum anderen ohnehin keine Chance mehr hatte, sich noch durchzusetzen. Eines ist jetzt allerdings sicher: BNP Paribas hat hierzulande Versprechen einzulösen, in erster Linie die Erhaltung der Arbeitsplätze bei Fortis und eines von einem Belgier geführten Entscheidungszentrums in Brüssel.
Modrikamen: Robin Hood oder Hooligan?
De Standaard zufolge hat Modrikamen seinem Berufsstand einen schlechten Dienst erwiesen. Statt juristische Argumente vorzubringen, inszenierte er einen Volksaufstand und die Einschüchterung seiner Gegner. Als Anwalt hat er sich einem gerichtlichen Urteil, das allen Aktionären Stimmrecht gibt, zu fügen und das Ergebnis einer demokratischen Abstimmung zu respektieren.
Ganz anderer Meinung ist diesbezüglich Het Belang Van Limburg, wenn es schreibt: Modrikamen bekam oft genug zu hören, dass er sich als echter Demagoge gebärdet und sich die Taschen auf Kosten der Fortis-Kleinaktionäre füllt. Sein Verdienst war es allerdings, dass er es wagte, gegen das belgische Finanzestablishment vorzugehen, indem er relevante Fragen stellte und Offenheit forderte. Modrikamen ist dabei zwar nicht elegant vorgegangen, doch hatte er zumindest den Mut, den Kampf für seine Sache und sein Recht nie aufzugeben.
Geduld lohnt sich für BNP Paribas
La Libre Belgique zufolge darf allein BNP Paribas sich als Sieger betrachten. Die Ausdauer der Franzosen bei der Fortis-Übernahme hat sich gelohnt. Große Verlierer sind die Aktionäre und wohl auch der belgische Staat, der zwar in einer sehr schwierigen Situation und aus einer Position der Schwäche heraus entscheiden musste, doch dabei entscheidende Fehler gemacht hat.
Gazet Van Antwerpen gibt ihrerseits zu bedenken, dass nicht Paris entscheidet, wie es mit der Fortis-Bank weitergeht, sondern deren Kunden. Das Wichtigste ist, dass jetzt endlich Klarheit geschaffen wurde. Die Fortis kann jetzt eine neue Strategie entwickeln und darin investieren.