Fortis - Zeit für „Plan B“?
„Die Vertreter der Fortis-Kleinanleger spielen ihre letzte Karte aus“, titelt heute La Libre Belgique. Am kommenden Dienstag und Mittwoch müssen die Fortis-Aktionäre ja erneut über die Zukunft ihrer Holding entscheiden. Und gestern haben die Kanzleien Modrikamen und Deminor, die Verbraucherschutzorganisation Test Achats und die Interessenvertretung ADAF ihren „Plan B“ vorgelegt. Die Gegner der Zerschlagung der Fortis-Gruppe und des Verkaufs der Fortis-Bank an BNP Paribas sind nach wie vor davon überzeugt, dass eine Stand-alone-Lösung möglich ist, dass die Fortis-Bank auch alleine, ohne die Hilfe der Franzosen, lebensfähig ist. Diese Variante wollen sie nun also mit ihrem Plan untermauern.
Die Schwerpunkte dieses Plan B, die verschiedene Zeitungen hervorheben, sind mitunter höchst unterschiedlich.
Das Börsenblatt De Tijd unterstreicht etwa auf seiner Titelseite, dass eine eigenständige Fortis-Bank dem Plan zufolge deutlich abspecken müsste. Innerhalb der nächsten zwei Jahre müssten weltweit bis zu 7.200 Jobs bei der Fortis-Bank gestrichen werden. Das könne aber über „natürliche Abgänge“ erfolgen.
De Morgen hebt hervor, dass die Kanzleien den Anlegern vor allem eins versprechen: einen höheren Aktienkurs. Dem Alternativplan zufolge würde die Stand-alone-Lösung zur Folge haben, dass der Kurs der Fortis-Aktie, die ja im Augenblick bei etwa 1 Euro 50 steht, möglicherweise mittelfristig auf 6 bis 8 Euro ansteigt. Modrikamen Deminor & Co rufen deshalb denn auch die Anleger auf, bei den Aktionärsversammlungen am Dienstag in Gent und am Mittwoch in Utrecht den Verkauf der Fortis-Bank abzulehnen.
Der Coup der Härtnäckigen
Kommentierend meint dazu die Wirtschaftszeitung L'Echo: Eins muss man den Vertretern der Kleinaktionäre lassen. Sie sind äußerst hartnäckig. Eigentlich hatte der Brüsseler Appellationshof vor rund zehn Tagen den Kanzleien schon die Tür verbaut. Nach dem Urteil des Gerichts darf nämlich bei den Aktionärsversammlungen gar nicht über einen Alternativplan abgestimmt werden. Indem sie ihren Plan B jetzt öffentlich machen, wählen Modrikamen, Deminor & Co die Hintertür: Sie wollen eine Alternative aufzeigen, um die Wackelkandidaten in letzter Sekunde doch noch dazu zu bringen, den Verkauf der Fortis-Bank abzulehnen. Die Aktionärsversammlungen in einer Woche werden damit doch noch für die Fortis zum letzten Gefecht.
Hat „Saubermann“ Dedecker selbst keine weiße Weste?
Fast alle flämischen Zeitungen widmen sich einmal mehr dem Krawallpolitiker Jean-Marie Dedecker. Der hatte am Wochenende erneut für mitunter heftige Diskussionen gesorgt, nachdem bekannt geworden war, dass er einen Privatdetektiv auf den Open VLD Außenminister De Gucht angesetzt hatte. Dedecker wollte nach eigenen Worten untersuchen lassen, ob De Gucht in dunkle Geschäfte verwickelt ist.
Jetzt scheint das Pendel zurückzuschlagen. Gazet van Antwerpen berichtet heute auf seiner Titelseite über ein neues Buch, das in Kürze erscheinen wird. Darin wirft ein namhafter Journalist dem selbst ernannten Robin Hood vor, selbst keine reine Weste zu haben. Demnach soll Jean-Marie Dedecker in seiner Zeit als Judo-Nationaltrainer Zuschüsse unterschlagen haben. Außerdem soll er Familienmitgliedern und Freunden Jobs in verschiedenen Parlamenten verschafft haben. Kommentierend meint dazu Gazet van Antwerpen, jetzt erntet Dedecker das, was er ausgesät hat. Wenn die Vorwürfe zutreffen, dann hat Dedecker genau das gemacht, was er anderen vorwirft. In jedem Fall haben die Ereignisse der letzten Tage für merklich Unruhe in der nach ihm benannten Partei gesorgt.
Erste Auflösungserscheinungen bei Liste Dedecker?
Ein Beispiel dafür bringt De Standaard auf seiner Titelseite. Dirk Vijnck, der ursprünglich von der Open VLD zur Liste Dedecker übergewechselt war, hat seinen Schritt rückgängig gemacht. Und er wurde von der Open VLD, gleich dem verlorenen Sohn, mit offenen Armen empfangen. „Die flämischen Liberalen genießen ihre Revanche“, titelt denn auch De Standaard.
Kommentierend meint dazu Het Belang van Limburg: Jean-Marie Dedecker hat sein Spiel möglicherweise überreizt. Möglicherweise ist er doch nicht der weiße Ritter. Und möglicherweise ist er mit der Affäre um den Privatdetektiv zu weit gegangen. Keine einzige Partei hat derzeit ernsthaft die Absicht, mit Dedecker eine Koalition einzugehen.
De Morgen glaubt allerdings nicht, dass Dedecker durch die jüngsten Ereignisse Schaden nimmt. Es ist ein bekanntes Phänomen: Die Menschen sehen nur das, was sie sehen wollen. Im vorliegenden Fall werden die Fans von Dedecker in den jüngsten Entwicklungen nur den Beweis dafür sehen, dass das Establishment Dedecker zerstören will.
Het Laatste Nieuws schüttelt bei all dem nur den Kopf. Alle Welt sucht nach Auswegen aus der Krise, nur wir nicht. In Belgien diskutiert man in diesen Tagen viel mehr über Dedeckers Schlammschlachten und eine Reise von wallonischen Auslaufmodellen. Tiefer kann die Rue la Loi kaum noch sinken.
Empörung über Ahmadinedschad
Einige Zeitungen befassen sich schließlich auch noch mit der Uno-Rassismuskonferenz in Genf, wo der iranische Präsident Mahmud Ahmadinedschad für einen Eklat gesorgt hat.
„Ahmadinedschad provoziert die Welt“, meint etwa die Brüsseler Tageszeitung Le Soir auf ihrer Titelseite. Der iranische Präsident sieht im weltweiten Zionismus die Personifizierung des Rassismus. Israel ist für ihn nichts anderes als ein Land, das auf Rassismus fußt. Kaum hatte er seine Rede vor der Konferenz begonnen, da verließen die anwesenden europäischen Delegationen demonstrativ den Saal. Belgien wird aber die Konferenz nicht definitiv boykottieren; man könne die Vereinten Nationen doch nicht den Extremisten überlassen, zitiert Le Soir ein belgisches Delegationsmitglied.
La Libre Belgique widmet dem Eklat einen wütenden Kommentar. Die Aussagen von Ahmadinedschad sind nicht nur inhaltlich falsch und inakzeptabel, sie kommen außerdem noch aus dem Mund des Präsidenten eines Landes, in dem Oppositionelle, Andersdenkende und Minderheiten weiß Gott nichts zu lachen haben. Das Schlimme ist: in der arabischen Welt steht Ahmadinedschad mit seinem Antisemitismus längst nicht mehr alleine da. Das Fazit von La Libre Belgique: Es ist eine traurige Welt.