Im Einzelnen
"Zypern verliert russisches Roulette", heißt es bei L'Echo. Die Zeitung kommt in ihrem Leitartikel auf das EU-Rettungspaket zurück, durch das der Inselstaat vor einem Bankrott bewahrt werden soll: Zypern hat verloren. Das Land wollte trotz EU-Hilfe ein Steuerparadies bleiben, doch das ist jetzt vorbei. Die Rechnung, alle Sparer der Insel zur Kasse zu beten und das System fast unbeschadet weiter laufen zu lassen, ist nicht aufgegangen. Der Schuss ist nach hinten losgegangen, die Kugel des Revolvers hat das System getroffen, eine Bank muss verschwinden. Bang! Und weg ist sie. Doch im Revolver war noch eine zweite Kugel und sie trifft Europa. Denn die EU hat ein Fehler gemacht. Beim ersten Rettungspaket hat sie erlaubt, auch Spareinlagen unter 100.000 Euro zu belasten. Dadurch hat Europa die Büchse der Pandora geöffnet: Die Verunsicherung ist da, meint L'Echo.
Strich im Sand gezogen
"Nach dem Tiger kommt das Chaos", schreibt De Morgen und listet auf: Spanien und Irland, lange Zeit Wirtschaftswunderländer, heute am Tropf der EU. Nichts anderes ist mit Zypern passiert. All die Länder, die ein paar Jahre blühende Wirtschaftsparadiese waren, zahlen jetzt den Preis dafür. Denn Deregulierung, niedrigste Steuern, Abbau von Sozialleistungen: Das ist nicht nachhaltig. Auch Slowenien lange Zeit als Vorbild in Osteuropa gehandelt, bekommt das jetzt zu spüren und wenn Experten zurzeit Lettland als neuen Geheimtipp anpreisen, müssen wir das Schlimmste für das Land befürchten, meint De Morgen.
De Standaard ihrerseits schreibt: Bei Zypern hat Europa einen Strich in den Sand gezogen und ein Beispiel statuiert. Die Botschaft lautet: Der Steuerzahler wird nicht mehr alleine für die Schulden aufkommen, auch die Banken werden beteiligt.
Zypern ist aber auch Beispiel dafür, wie es Ländern ergeht, die nicht von selbst bei sich für Ordnung sorgen. Also ein Beispiel für Spanien, Portugal, Italien, Slowenien und sogar für Frankreich und Belgien. Schulden können nicht weiter vor sich hergeschoben werden, sie müssen bezahlt werden. Wohl oder übel. Doch selbst, wenn diese Botschaft jetzt formuliert ist und Zypern vorerst gerettet scheint: Niemand kann glauben, dass der Euro dadurch nachhaltig stabilisiert worden ist, urteilt De Standaard.
Vertrauensbeweis gegenüber Belgien
"Belgien darf von Sparzielen abweichen", titelt De Morgen auf Seite eins. Der EU-Kommissar für Wirtschaft und Währung Olli Rehn hat am Montag erlaubt, dass Belgien weniger hart sparen muss, als bisher gefürchtet. Der Staatshaushalt braucht erst 2016 ausgeglichen sein. Und schon in diesem Jahr darf das Defizit mehr als die 2,15 Prozent betragen, die bisher im Fahrplan stehen. Voraussetzung: Belgien muss strukturell sparen, also Maßnahmen beschließen, die langfristig greifen.
Het Nieuwsblad jubelt über diesen Beschluss: Die Nachricht hat am Montag viel Optimismus im Kreis der Minister hervorgerufen, die zurzeit über die Nachbesserung für den Haushalt 2013 beraten. Sie sind jetzt zuversichtlich, bis Ende der Woche Ergebnisse zu erzielen. Die Entscheidung der EU-Kommission ist ein Zeichen dafür, dass man dort verstanden hat, dass reiner Zahlenfetischismus nichts bringt. Pochen auf harte Maßregeln, klingt vielleicht gut. Aber in Krisenzeiten sollte man das vermeiden. Sparen um des Sparens willen hat noch nie jemandem geholfen, findet Het Nieuwsblad.
L'Avenir schreibt dazu: Die Entscheidung von EU-Kommissar Rehn kann man als Vertrauensbeweis werten. Als ein Vertrauensbeweis gegenüber unserem Land, das zu den braven Schülern in Europa zählt, verglichen mit Ländern wie Zypern, Italien oder Portugal. Das ist erfreulich. Auch wenn es den Mitarbeitern von Sekurit in Saint-Gobain und von BNP Paribas nicht hilft. Seit gestern wissen wir: Sie stehen vor Entlassungen und zahlen weiter den Preis für die andauernde Krise, stellt L'Avenir fest.
Von Banken, der Henne und dem Ei
Speziell zu den Entlassungen im Bankensektor macht sich La Dernière Heure in ihrem Kommentar Gedanken. Denn BNP Paribas ist nach Belfius und ING bereits die dritte Großbank, die in Belgien Filialen schließt und Mitarbeitern entlässt: Schuld sind wir, die Kunden, so sagen es die Banken. Denn wir erledigen unsere Bankgeschäfte immer häufiger per Internet. Personal in Filialen wird dadurch überflüssig, man könne nichts anderes machen, als die Mitarbeiter zu entlassen.
Auf der einen Seite ist das richtig, auf der anderen Seite ist es wie mit der Henne und dem Ei. Wen gab es zuerst? Denn es waren doch die Banken selbst, die uns immer mehr dazu verleitet haben, unsere Bankgeschäfte an Automaten oder online zu erledigen. Was dabei verloren geht, ist der persönliche Kontakt zu Mitarbeitern, also zu Menschen und damit geht auch ein Stück Vertrauen verloren, glaubt La Dernière Heure.
Archivbild: Eric Lalmand (belga)