G-20 Gipfel ordnet Kapitalismus neu
Eine fünf mit zwölf Nullen prangt heute auf der Titelseite von Le Soir. L'Echo spricht auf Seite eins von den Grundzügen einer neuen Weltordnung. La Libre Belgique meint lapidar: „der Appell von London“. Die G20, das heißt die 20 reichsten Staaten der Welt, inklusive der wichtigsten Schwellenländer, haben gestern in London den Weg aus der Krise vorgezeichnet. Wenn man alle staatlichen Hilfspakete weltweit zusammenzählt, dann werden insgesamt 5000 Milliarden Dollar in die Weltwirtschaft gepumpt, um den Konjunkturmotor wieder anzuwerfen. Darüber hinaus werden weitere 1000 Milliarden Dollar über den internationalen Währungsfonds und die Weltbank zur Verfügung gestellt, um vor allem den Ärmsten der Armen in diesen Krisenzeiten unter die Arme zu greifen. Zugleich einigten sich die Herren der Welt auf die Schaffung einer übergeordneten Kontrollbehörde, sozusagen der Keimzelle für eine weltweite Finanzaufsicht.
Ein historischer Kompromiss?
Ist es wirklich ein historischer Kompromiss? fragt sich in diesem Zusammenhang De Morgen in seinem Kommentar. Nun, das Wort historisch ist vielleicht eine dieser typischen Übertreibungen, die den Medien gefällt. Gänzlich fehl am Platz ist das Adjektiv dafür aber nicht. Natürlich wird ab morgen nicht alles anders, dennoch darf man durchaus, wie auch US-Präsident Barack Obama, von einem Wendepunkt sprechen. Es gibt viele hoffnungsvolle Ansätze in den Ergebnissen des G20-Gipfels. Vor allem wird die Macht im internationalen Währungsfonds neu verteilt. Endlich haben hier auch Länder wie Brasilien oder Indien ein Wörtchen mitzureden.
Die Welt wird nicht mehr sein wie vorher, meint auch die Brüsseler Tageszeitung Le Soir. Die Hypermacht USA muss ab jetzt andere Staaten neben sich akzeptieren. Die multipolare Welt ist jetzt unwiderruflich eine Tatsache.
Ähnlich sieht das das Börsenblatt De Tijd. Von einer neuen Weltordnung zu sprechen, wie etwa der Gastgeber des G20-Gipfels, der britische Premierminister Gordon Brown, ist bestimmt nicht ganz falsch. Der Club der G7, der sieben reichsten Staaten der Welt, die eben dieser Welt bislang ihren Willen aufgezwungen haben, ist Geschichte. Die neue Plattform heißt G20 und schließt damit die wichtigsten Schwellenländer mit ein.
Dass diese 20 Staaten mit ihren jeweils sehr unterschiedlichen Interessen am Ende zu einer Einigung gelangen konnten, das gibt durchaus Anlass zur Hoffnung, fügt L'Echo hinzu. Da kann man es mit der deutschen Bundeskanzlerin Angela Merkel halten, die von einem historischen Kompromiss sprach. Die Finanz- und Wirtschaftskrise hat zu einer Infragestellung des Systems geführt. Und das wiederum hat die Welt augenscheinlich näher zusammenrücken lassen, meint L'Echo.
Tatsächlich wäre das Londoner Abschlusskommuniqué vor einigen Monaten noch undenkbar gewesen, meint zum selben Thema La Libre Belgique . Doch steht das Wichtigste eigentlich noch bevor: Jetzt müssen die Versprechen und Absichten in die Tat umgesetzt werden, jetzt muss die Welt den hehren Ambition des G20-Gipfels auch gerecht werden. Es gibt viel zu tun, packen wir es an, meint La Libre Belgique.
Das Problem der entgleisenden Staatsfinanzen
Einzig Gazet van Antwerpen reagiert etwas verhaltener auf den G20-Gipfel. In der Lösung der derzeitigen Wirtschaftskrise sind schon die Keime für die nächste Krise enthalten, meint das Blatt. Man will Milliarden und Abermilliarden in die Wirtschaft pumpen: Schön und gut, doch wer soll das bezahlen? Die westlichen Industriestaaten, allen voran die USA, türmen in diesen Tagen enorme Schuldenberge auf; überall entgleisen die Staatshaushalte. Wir brauchen jetzt Staatsmänner, die den Mut haben ihren Bürgern zu sagen, dass es keine Wundermittel gibt.
Auch in Belgien wird die Haushaltslage von Tag zu Tag dramatischer. Alle Zeichen stehen auf Sturm, bemerkt etwa das Grenz-Echo, sämtliche Indikatoren stehen auf Rot. Und ausgerechnet in diesen schweren Zeiten steht das Land de facto ohne Regierung da, beklagt Het Laatste Nieuws. Bis zum 7. Juni ist es jedenfalls so, dass der Föderalregierung um Herman Van Rompuy die Hände gebunden sind. Noch 66 Tage bis zur Wahl, das heißt: Wenigstens in den nächsten 66 Tagen wird es keine Entscheidung geben, die diesen Namen verdient. Die Situation ist so ernst, dass es nur zwei Möglichkeiten gibt: entweder anpacken oder abtreten. Es ist ja immer noch möglich, am 7. Juni auch Föderale Wahlen abzuhalten.
Die Roten Teufel nach den Bosnien-Pleiten
Schließlich kommen einige Blätter noch einmal auf die jüngsten Misserfolge der Fußballnationalmannschaft zurück. Für die Roten Teufel ist der Zug zur WM 2010 wohl abgefahren. Wie Het Laatste Nieuws zu berichten weiß, hat das schon für einen Generationenkonflikt innerhalb der Mannschaft gesorgt. Außerdem ist Nationaltrainer René Vandereycken ausgezählt. Offiziell wurde er zwar noch nicht entlassen, meint La Derniere Heure, hinter den Kulissen steht der Rauswurf jedoch fest. Für La Derniere Heure müsste ein Duo die Nachfolge übernehmen: die Frankophonen Jean-François De Sart und Marc Wilmots. Gazet van Antwerpen hat einen anderen Kandidaten: den Flamen Eric Gerets.