Rote Teufel: Rauch, Niederlage, Trainer unter Beschuss
„Die Roten Teufel mit heruntergelassener Hose“, titelt heute Gazet Van Antwerpen. „Belgiens WM-Traum ging vorerst in Rauch auf“, meinen gleichlautend De Standaard und das Grenz-Echo auf Seite 1. „Der schmähliche Abgang“ bemerkt De Morgen auf der Titelsite. Die belgische Fußballnationalmannschaft hat am Samstagabend ihr Heimspiel gegen Bosnien-Herzegowina mit 2:4 verloren. Damit schwinden die Chancen auf eine Qualifikation für die Weltmeisterschaft in Südafrika im kommenden Jahr. Das Match, das in der Cristall-Arena in Genk stattfand, war von einem spektakulären Zwischenfall überschattet: In der zweiten Halbzeit musste das Spiel für zehn Minuten unterbrochen werden, nachdem die bosnischen Fans Rauchbomben auf das Feld geworfen hatten. De Morgen spricht in diesem Zusammenhang von einem Chaos. In einem Land, das das Heysel-Drama miterleben musste, darf so etwas nicht passieren, zitiert das Blatt einen Augenzeugen. Demnach ist man in Genk am Samstag nur knapp einer Katastrophe entgangen. Dennoch plädieren die Ordnungskräfte auf unschuldig. Alle bosnischen Fans seien sogar zweimal kontrolliert worden. Gazet Van Antwerpen stellt sich dennoch die Frage, ob das Spiel vom Samstag eines Landes würdig ist, das 2018 zusammen mit den Niederlanden die WM organisieren will. Die Partie war in allen Belangen ein Desaster. Ein Fußballfest war es jedenfalls nicht. Viele Zeitungen ziehen aber auch die sportliche Bilanz des Debakels vom Samstag. Aus dem Stadion hatte sich der Rauch der bengalischen Feuer irgendwann wieder verzogen, nicht aber aus dem Kopf des Nationaltrainers René Vandereycken, meint etwa Het Laatste Nieuws.
Vandereycken hat offensichtlich ein anderes Spiel gesehen, als drei Millionen Fußballfans in diesem Land. Er hat Lichtblicke gesehen, wo nur Dunkel herrschte. Er hat Chancen gesehen, wo keine waren. Seine Darlegungen, die er nach dem Spiel zu Protokoll gab, sind eine Beleidigung für jeden Fußballfan. Da gibt es nur eins: Der Mann muss weg. Auf der andere Seite der Sprachgrenze sieht man das genauso: „Trop is te veel“, titelt etwa La Derniere Heure. Kommentierend fügt das Blatt hinzu, dass die Roten Teufel nach einigen hoffungsvollen Auftritten an einem Abend wieder zur europäischen Lachnummer geworden sind. Wenn Vandereycken auch nicht die Schuld trägt an den zahlreichen individuellen Fehlern seiner Spieler, so ist doch offensichtlich, dass die Roten Teufel taktisch nicht auf der Höhe waren. In dieser Mannschaft ist viel Potential, das aber unter dem Trainer Vandeycken nicht zum Ausdruck kommt. Deshalb muss Vandereycken gehen, und zwar schnell, fordert La Derniere Heure.
Politbarometer
Doch auch politisch war es ein bewegtes Wochenende. Mit der PS, der cdH und Ecolo haben auf frankophoner Seite gleich drei Parteien ihren Wahlkampf eingeläutet. Viele Zeitungen widmen vor allem dem Brüsseler PS-Kongress und den markigen Aussagen von PS-Präsident Elio Di Rupo ihre Aufmerksamkeit, der der liberalen MR einmal mehr den Kampf angesagt hat. Passend zu dieser spannungsgeladenen Atmosphäre veröffentlicht La Libre Belgique heute ihr traditionelles Politbarometer. Demnach scheint sich der Aufwärtstrend der frankophonen Grünen zu bestätigen. Sowohl in Brüssel als auch der Wallonie kommt Ecolo demnach auf knapp zwanzig Prozent der Stimmen und überflügelt damit in beiden Regionen die cdH. Den Kampf der Titanen entscheidet derweil die PS erst mal für sich. Zumindest in der Wallonie liege die Sozialisten rund 2,5 Prozent vor der liberalen MR, wobei beide Parteien mehr oder weniger Federn lassen müssen. In Brüssel entscheidet die MR dagegen den Kampf um die Wählergunst eindeutig für sich und distanziert die PS um mehr als acht Prozent. In Flandern bleibt die CD&V stärkste Kraft. Überraschungszweiter ist die Liste Dedecker, die die OpenVLD, den Vlaams Belang und die SP.A hinter sich lässt. In der Rangliste der populärsten Politiker fällt ein Name ins Auge: Guy Verhofstadt. Der Ex-Premier führt in Flandern und Brüssel die Hitparade an; sogar in der Wallonie lässt Verhofstadt die meiste Kollegen hinter sich: Er rangiert auf Platz zwei hinter PS-Chef Elio Di Rupo.
Intensivierter Wahlkampf führt zu politischer Lethargie
Het Belang Van Limburg warnt jedoch vor einer Überbewertung solcher Umfragen. Vergleicht man mit vorherigen Politbarometern, so ergibt sich ein nicht immer einheitliches Bild. Dennoch wird auch diese Umfrage zweifellos in den Parteizentralen für Unruhe sorgen. Eins ist sicher: Der Wahlkampf wird härter denn je. Für Journalisten verspricht das vielleicht ein schönes Spektakel; ob das allerdings auch gut für das Land ist, sei dahingestellt.
Ähnlich sieht das La Libre Belgique: Der Wahlkampf sorgt für absolute politische Lethargie. Alle wichtigen Dossiers bleiben liegen; und das gilt auch und vor allem für die Bekämpfung der Krise. Zur Sanierung der Staatsfinanzen bedarf es entschlossener Maßnahmen. Und wer das nicht klar und deutlich sagt, der belügt die Menschen.