Daneben widmen sich auch viele Blätter dem Streik bei der Post. Große Aufmerksamkeit erregen auch die Aussagen des Ersten Vorsitzenden am Kassationshof Ghislain Londers vor dem Fortis-Untersuchungsausschuss.
Börsen erneut abgestürzt
„Der Absturz“ titelt heute La Libre Belgique. Le Soir spricht von einem neuen Schwarzen Montag. Weltweit sind gestern wieder die Börsen dramatisch eingebrochen. Der amerikanische Dow-Jones-Index sackte um über vier Prozent ab, der belgische Bel-20 stand bei Börsenschluss bei einem Minus von 5,7 Prozent.
Ursache für das erneute Abschmieren an den Finanzplätzen sind vor allem neue Hiobsbotschaften aus den USA, wo ein Geldhaus nach dem anderen katastrophale Jahresbilanzen 2008 vorlegen muss. Es gibt derzeit schlicht und einfach nicht eine einzige gute Neuigkeit, notiert das Börsenblatt L'Echo.
Die Brüsseler Börse wurde vor allem von den Finanzwerten nach unten gezogen, analysieren übereinstimmend viele Zeitungen. KBC und Dexia büßten fünf Prozent ein, die Fortis-Aktie verlor gar 17% an Wert. Hintergrund ist einmal mehr die Unsicherheit über die Zukunft der Fortis-Gruppe, meint unter anderem De Morgen. Die Verhandlungen mit BNP Paribas über einen Verkauf der Fortis-Bank gehen zwar in die Verlängerung, offenbar ist eine Einigung mit den Franzosen aber in den letzten Tagen wieder in weite Ferne gerückt.
Der Preis der Krise
Einige Zeitungen ziehen eine Zwischenbilanz der Wirtschaftskrise. So rechnet etwa De Tijd vor, dass der Börsenwert der zehn größten belgischen Betriebe im Vergleich zu Anfang 2008 bereits um über 100 Milliarden Euro geschmolzen ist.
Auch De Standaard präsentiert beängstigende Zahlen: Die Brüsseler Börse etwa verlor innerhalb eines Jahres über 56%. Vor einem halben Jahr noch stieg der Verkauf von Neuwagen um fünf Prozent. Jetzt ist die Nachfrage um 17% eingebrochen. Von der Situation am Arbeitsmarkt und der Zahl der Firmenpleiten ganz zu schweigen.
De Tijd kommt denn auch in seinem Leitartikel noch einmal zurück auf den Appell des Premierministers vom Wochenende. Herman Van Rompuy beklagte in einem Fernsehinterview den allgegenwärtigen Pessimismus, der die Wirtschaft nur weiter nach unten ziehe. "Wie sähe denn nach Ansicht des Premierministers eine verantwortungsbewusste Haltung aus?" fragt sich das Blatt. Sollen sich Presse und Politik jetzt in Schönreden üben? Das Resultat wäre allenfalls, dass die Menschen sich am Ende betrogen fühlen, und dass die Meinungsmacher den letzten Rest an Glaubwürdigkeit einbüßen.
Streik bei der Post
Einige Zeitungen beschäftigen sich mit dem Streik bei der Post. Auch heute sind wieder Protestaktionen vorgesehen. Vers L'Avenir fasst die Forderungen der Gewerkschaften mit einem Satz zusammen: Die Post soll ein menschliches Antlitz behalten. Es geht die Angst um, dass nach der von der EU gewollten Liberalisierung 2011 auch bei der Post nur noch der Faktor Rentabilität zählt.
Het Belang Van Limburg kann den Streik nicht ganz nachvollziehen. Die Liberalisierung ist ohnehin nicht abzuwenden. Die Post hat ein Interesse daran, sich für die Zukunft zu rüsten. Dies auch vor dem Hintergrund der neuen Kommunikationsmittel, allen voran E-Mails. Doch eigentlich muss die Post keine Angst vor der Liberalisierung haben, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass sie an ihrer Zukunft arbeitet.
La Derniere Heure befürchtet allerdings, dass die Proteste der wütenden Postbediensteten in den nächsten Tagen ausufern könnten. Das Blatt beruft sich auf Aussagen von Gewerkschaftern: Falls die Postdirektion auf Durchzug schaltet, dann könne er für nichts mehr garantieren, zitiert das Blatt einen CSC-Vertreter. Einen Vorgeschmack gab es ja schon, als wütende Demonstranten im Brüsseler Nordbahnhof ein Postamt stürmten.
Fortis-Untersuchungsausschuss: Londers legt nach
Die meisten Zeitungen widmen sich heute auch dem Fortis-Untersuchungsausschuss, der ja gestern nach langen Verzögerungen mit seinen Anhörungen begonnen hat. Der Ausschuss soll den Vorwürfen nachgehen, wonach die Regierung versucht habe, in der Fortis-Affäre Druck auf die Justiz auszuüben. Der Vorwurf kam von keinem Geringeren als dem Ersten Vorsitzenden am Kassationshof, Ghislain Londers. Londers gehörte denn auch zu den ersten, die von dem Ausschuss angehört wurden.
„Londers denkt nicht daran, auf die Bremse zu treten“, titelt in diesem Zusammenhang De Morgen. Und er bleibt bei seinem Vorwurf. Neues Element: Die Fortis-Akte hat sich nach Aussage von Londers einen Moment lang nicht mehr da befunden, wo sie hingehörte, nämlich in der Kanzlei des Brüsseler Appellationshofes. Stattdessen lag das Dossier im Kabinett des damaligen Justizministers Joe Vandeurzen.
„Vandeurzen wird schwer belastet“ titelt denn auch Het Laatste Nieuws. Normalerweise darf eine Gerichtsakte unter keinen Umständen die Kanzlei verlassen.
Frühere Fortis-Spitze im Parlament
Doch wird es am kommenden Montag im Parlament noch zu weiteren Anhörungen kommen, die längst mit Spannung erwartet werden:
Vor der Parlamentskommission, die sich mit der Bankenkrise insgesamt beschäftigt, soll die vollzählige frühere Führungsspitze der Fortis aussagen, berichten heute übereinstimmend De Tijd und L'Echo. Darunter auch diejenigen, die für das Fortis-Debakel verantwortlich gemacht werden, Maurice Lippens und Jean-Paul Votron.