"Frischer Wind für die katholische Kirche?", fragt sich La Libre Belgique auf Seite eins. "Viel Arbeit für den neuen Papst", titelt das Grenz-Echo. Der neue Papst Franziskus steht weiter im Mittelpunkt des Interesses. La Libre Belgique hebt vor allem die demonstrative Bescheidenheit des neuen Papstes hervor. Ob Franziskus wohl der Papst der Erneuerung sein kann, fragt sich das Blatt.
Einige Zeitungen versuchen, den Verlauf des Konklaves zu rekonstruieren: "Wie der Top-Favorit Angelo Scola ins Abseits gestellt wurde", analysiert De Standaard. Denn es ist so: Es galt quasi als ausgemacht, dass der Mailänder Erzbischof Scola wohl zum 266. Papst gewählt würde. Und zunächst schien auch alles in diese Richtung zu laufen. Dann bildete sich aber eine Front gegen den Italiener, wie auch Het Laatste Nieuws erfahren haben will.
Der belgische Kardinal Danneels jedenfalls ist glücklich mit der Wahl von Jorge Bergoglio. Danneels hatte bereits 2005 für den Argentinier eine Lanze gebrochen. Het Laatste Nieuws spricht denn auch von der "süßen Rache" von Danneels. Die italienische Bischofskonferenz leistete sich übrigens einen peinlichen Fauxpas. Einige Zeitungen drucken einen Brief ab, in dem es heißt: "Die italienischen Bischöfe danken Gott für die Wahl von Angelo Scola zum Oberhaupt der katholischen Kirche".
Überraschungspapst…
Auf den Übergangspapst Benedikt folgt jetzt also der Überraschungspapst Franziskus, bemerkt das Grenz-Echo in seinem Kommentar. Allein die Wahl seines Papstnamens Franziskus spricht Bände, meint das Blatt. Immerhin zeichnete sich das Wirken des Franz von Assisi durch Demut, Einfachheit und Bodenständigkeit aus. Man darf daher gespannt sein, ob die Namenswahl tatsächlich eine programmatische Richtschnur sein wird. Klar ist jedoch auch, dass der neue Papst nicht den von vielen Katholiken herbeigesehnten Reformgeist verkörpert.
Das allerdings ist nicht wirklich verwunderlich, urteilt Het Nieuwsblad. Was hatten wir denn erwartet? Schließlich wird der Papst von Kardinälen gewählt, die allesamt durch Johannes Paul II. oder Benedikt XVI. ernannt wurden. Von zwei Männern also, die unbeirrt am konservativen Kurs der Kirche festhielten. Aus dem Konklave konnte schlichtweg kein progressiver Papst herauskommen.
Ähnlich sieht das Het Laatste Nieuws: Wirklich sichtbare Kurswechsel in Sachen Sexualmoral, Abtreibung, Euthanasie oder Toleranz Homosexuellen gegenüber sind wohl nicht zu erwarten. Doch gibt es ja auch andere Baustellen. Der Papst könnte Abstand nehmen vom vatikanischen Luxus, den Weg des heiligen Franziskus einschlagen oder gar den des Religionsstifters Jesus von Nazareth. Der Papst könnte auch die Ökumene vorantreiben, die Öffnung den anderen Religionen gegenüber. Wenn er das schafft, dann hätte er schon viel erreicht.
… aber wohl kein Heiliger
"Er ist der Papst der Hoffnung, aber selbst kein Heiliger", bemerkt Het Nieuwsblad. Tatsächlich steht Papst Franziskus schon im Mittelpunkt einer Polemik, wie L'Avenir auf seiner Titelseite schreibt. Le Soir ist noch deutlicher: "Erste Kratzer in der Krone des Papstes", so die Schlagzeile auf Seite eins. Kritisiert wird insbesondere die Haltung von Jorge Bergoglio in der Zeit der argentinischen Militärdiktatur. War der Papst in einem früheren Leben ein Kollaborateur?, fragt sich Le Soir provokativ in seinem Leitartikel. Fest steht: Jorge Bergoglio war bestimmt kein Held. Er hat nicht gegen die Diktatur aufbegehrt. Das allein ist kein Verbrechen, doch wird er auch beschuldigt, Kirchenleute der Junta ausgeliefert zu haben. Es gibt also zumindest Zweifel an der moralischen Integrität des neuen Papstes. Franziskus wäre gut beraten, diese Zweifel schnellst möglichst auszuräumen.
Het Nieuwsblad schlägt in dieselbe Kerbe: Der Papst sollte über seine Vergangenheit sprechen. Das würde womöglich auch in seine Heimat dazu führen, dass das bleierne Schweigen endlich gebrochen wird. Argentinien hat nämlich die Militärdiktatur immer noch nicht verarbeitet.
"Haushalt muss Papst weichen"
Die Ereignisse in Rom bringen jedenfalls sogar die Terminplanung der Föderalregierung durcheinander. Eigentlich müssten die nächsten Tage ganz ins Zeichen der Haushaltskontrolle stehen. Am Dienstag werden aber Premier Di Rupo und die beiden Vizepremiers Reynders und De Crem nach Rom reisen, um der Zeremonie zur Amtseinführung des neuen Papstes beizuwohnen. "Der Haushalt muss dem Papst weichen", bringt es Het Laatste Nieuws auf den Punkt.
Zugleich erhöht die EU aber den Druck auf Belgien, wie De Morgen auf seine Titelseite berichtet. EU-Währungskommissar Olli Rehn hat den Belgiern jedenfalls klar gemacht, dass die Kommission von Belgien einen soliden Haushalt erwartet. Anderenfalls droht eine Geldbuße von 720 Millionen Euro.
Der bisherige Sparkurs scheint jedenfalls seine Früchte zu tragen, wie L'Echo auf seine Titelseite berichtet: Belgien steht an den Finanzmärkten besser da als Frankreich, so die Schlagzeile. Demnach bekommt Belgien einen leicht günstigeren Zinssatz für seine Kredite, was als Vertrauensbeweis gilt.
"EU und Belgien ohne Vision"
Trotz der Straßenproteste gegen den europaweiten Sparkurs hält die EU derweil an diesem Weg fest. "Europa bleibt im Spar-Korsett", schreibt L'Echo. "Ratspräsident Van Rompuy sagt das Gegenteil der Gewerkschaften", bemerkt Het Laatste Nieuws. Het Nieuwsblad hat derweil andere Töne bei Van Rompuy herausgehört: "Europa muss andere Akzente setzen", zitiert Het Nieuwsblad dem EU-Ratspräsidenten.
L'Echo vermisst in seinem Leitartikel eine allgemeine Vision. Wie lange muss es denn noch dauern, wie viele Arbeitsplätze müssen denn noch vernichtet werden, bis Belgien beziehungsweise die EU endlich aufwachen? Es nützt nichts, sich an die glorreiche Vergangenheit zu klammern, es bedarf eines strategischen Zukunftskonzeptes. Im Augenblick denkt niemand weiter als die eigene Nasenspitze; wichtig ist allein die nächste Wahl. Europa braucht einen Plan und dafür braucht man politischen Mut.
Archivbild: Vincenzo Pinto (afp)