"Van Rompuy I.: Die dritte Regierung in einem Jahr" titelt das Grenz-Echo. Vers L'Avenir stellt auf Seite 1 unverhohlen die Frage: "Wie lange hält die neue Regierung?" Gazet Van Antwerpen formuliert auf seiner Titelseite einen fast schon verzweifelten Neujahrswunsch: "Wir wünschen ein wunderschönes Jahr 2009 und … eine gute Regierung".
Die Regierung unter dem neuen Premierminister Herman Van Rompuy hat vor dem König den Eid auf die Verfassung abgelegt. "An die Arbeit", fordert jetzt La Dernière Heure. Kommentierend meint das Blatt, dass die neue Regierung es sich nicht erlauben kann, das Land zu enttäuschen. Die Ära Leterme hat den Ruf der politischen Klasse dieses Landes mächtig ramponiert. Jetzt muss die Politik beweisen, dass sie die Krise managen und sich um den Alltag der Bürger kümmern kann.
La Libre Belgique wünscht denn auch der Regierung Van Rompuy I. ein langes Leben. Auf dass jeder sein Ego zurückstelle, auf dass nicht mehr wahltaktische Interessen, sondern das Gemeinwohl ab jetzt im Vordergrund stehen möge. Doch muss man schon ein wenig abergläubisch sein, um wirklich zu glauben, dass die neue Regierung von Harmonie geprägt sein wird.
18 Monate Politik entsorgen
Die Regierung hat eigentlich nur eine Aufgabe, meint das Börsenblatt De Tijd. Sie muss das Gewurstel der vergangenen 18 Monate möglichst schnell vergessen machen. Doch stand schon bei der Bildung der neuen Regierung wieder besagtes Gewurstel im Vordergrund: Für die größten Diskussionen sorgte nicht etwa das Regierungsprogramm, vielmehr stand Postenschacher im Vordergrund.
Patrick und Inge
In diesem Zusammenhang muss man vor allem zwei Entwicklungen hervorheben: das Ausscheiden des bisherigen Innenministers Patrick Dewael, der Herman Van Rompuy als Kammerpräsident ersetzen wird, und der spektakuläre Abgang der CD&V-Ministerin Inge Vervotte. Zum Wechsel von Patrick Dewael meint De Morgen: Dewael ist der letzte, der eingesehen hat, dass er politisch tot ist. Dewael war ja im Zusammenhang mit dubiosen Ernennungen an der Spitze der föderalen Polizei ins Zwielicht geraten.
Deutlich Aufsehen erregender und auch überraschender ist dagegen die Entscheidung von Inge Vervotte, der neuen Regierung nicht angehören zu wollen. Diese Entscheidung der 31-jährigen Politaufsteigerin verdient Bewunderung und Anerkennung, meint Het Nieuwsblad. Vervotte kann nach eigenen Worten nicht damit leben, dass nur CD&V-Leute geopfert wurden. Patrick Dewael bekommt noch ein nettes Geschenk zum Karriereende, andere Liberale, die in letzter Zeit ebenfalls ins Zwielicht geraten sind, wie Karel de Gucht oder Didier Reynders, behalten ihr Posten. Und es ehrt Frau Vervotte, wenn sie ihren politischen Idealen treu bleibt und dabei nicht nach einem Notausgang sucht.
Für viele flämische Zeitungen ist der Rückzug von Inge Vervotte jedoch allenfalls die Spitze des Eisbergs. De Standaard etwa sieht in der Enscheidung ein Indiz für erhebliche Spannungen innerhalb der CD&V. Vervotte spricht aus, was ein Großteil der Basis der flämischen Christdemokraten denkt: Viele CD&V-Mitglieder fühlen sich verraten und verkauft. Das wirft einen Schatten auf die neue Regierung, ungeachtet dessen, dass der Premierminister nach wie vor von der CD&V gestellt wird. Die Unruhe innerhalb der CD&V sorgt dafür, dass die Überlebenschancen der neuen Regierung noch kleiner sind als ohnehin befürchtet.
Zukunftsaussichten
Für Het Laatste Nieuws droht der CD&V eine Guerilla, die von Altpremier Leterme und seinem Umfeld ausgeht. Tatsächlich stand Vervotte Yves Leterme sehr nahe. Der neue Premier Herman Van Rompuy besetzt seinerseits Schlüsselpositionen in der neuen Equipe mit Leuten, die ihm nahe stehen. Das ist zwar normal, die CD&V-Vorsitzende Marianne Thyssen wird aber alle Hände voll damit zu tun haben, wieder Ruhe in die Partei zu bringen.
Gazet Van Antwerpen und Het Belang Van Limburg sehen im Abgang von Inge Vervotte nicht mehr und nicht weniger als einen letzten Coup von Yves Leterme. Wenn Herman Van Rompuy als Premierminister erfolgreich ist und möglicherweise 2011 sogar gestärkt aus den Wahlen hervorgeht, dann ist Yves Leterme definitiv am Ende. Deswegen hat er via Inge Vervotte eine Bombe unter der Regierung platziert. Sollte das nicht funktionieren, dann gibt es aber offenbar eine Hintertür für Yves Leterme. Wie Het Belang Van Limburg erfahren haben will, soll er in wenigen Monaten Außenminister Karel De Gucht ersetzen, der seinerseits zur EU-Kommission wechseln soll.
Angesichts all dieser offenen Fragen ist das Spannungsfeld für die neue Regierung denn auch klar abgesteckt, meint Le Soir. Auf der einen Seite steht die Notwendigkeit: Kein Zweifel, in diesen Zeiten braucht das Land eine stabile Regierung. Auf der anderen Seite lauern die alten und neuen Probleme: Allen voran die Gemeinschaftspolitik, die anstehenden Regional- und Gemeinschaftswahlen und die inneren Streitigkeit der CD&V. Wohin das Pendel am Ende ausschlagen wird, die Politik hat es in der Hand.