Für Le Soir wird Van Rompuy nur in Ermangelung eines Besseren Premierminister. Er interessiert sich nicht für das Amt. Seine fehlende Begeisterung ist ansteckend. Die flämischen Liberalen haben ihn akzeptiert, weil sein fehlendes Charisma für sie keine Gefahr darstellt. Die große Frage ist, ob seine Regierung bis 2011 halten wird.
Ganz anders beurteilt La Libre Belgique den neuen Regierungschef. Van Rompuy ist tatsächlich fähig, sich den großen Herausforderungen zu stellen. Er arbeitet hart, denkt scharf und besitzt Weitblick. Er kann dem Land und seinen Gliedstaaten eine echte Zukunft bieten. Als überzeugter Föderalist weiß er, dass ein Zerfall des Landes zur wirtschaftlichen Verarmung und zum kulturellen und sozialen Rückgang der Gemeinschaften führen würde. Er hat nicht nur Freunde, vor allem nicht in seiner eigenen Partei. Doch er könnte erfolgreich sein, wo Leterme versagt hat.
Aufgaben und Herausforderungen für Van Rompuy
Für De Standaard ist die Gemeinschaftspolitik eine der größten Herausforderungen für Van Rompuy. Er war nie ein gemeinschaftspolitischer Scharfmacher. Im vergangenen Jahr konnte er die zwischengemeinschaftlichen Beziehungen als Beauftragter des Königs vorübergehend auftauen. Dadurch gewann er das Vertrauen der Frankophonen. Er ist vor allem ein gemeinschaftspolitischer Pragmatiker. In seiner eigenen Partei gehört er nicht zu den populärsten Politikern. Nicht zuletzt, weil er sich niemals einer gemeinschaftspolitischen Flucht nach vorn angeschlossen hat.
Het Laatste Nieuws behauptet: Van Rompuy weiß genau, dass er vor einer schwierigen, wenn nicht unmöglichen Aufgabe steht. Der Regierungsstil ist ein wesentliches Element des Vertrauens unter den Koalitionspartnern. Dieses ist notwendig, um die kommenden Regionalwahlen zu überleben. Das ist nur möglich, wenn der Regierungschef konsequent handelt, unter allen Bedingungen Wort hält und klare und deutliche Absprachen macht. Das Tempo und die Methode, mit der Van Rompuy gestern arbeitete, zeigen, dass er schon eine Zeit lang über seine Arbeitsweise nachgedacht hat.
La Derniere Heure unterstreicht: Bei den Regierungsverhandlungen hat man immer noch nicht das Vertrauen wieder hergestellt, das der Regierung seit den letzten Wahlen fehlt. Ohne ein Mindestmaß gegenseitigen Respekts und dem Aufbau einer echten Partnerschaft ist keine politische Arbeit möglich. Das wird wahrscheinlich zur schwierigsten Aufgabe für Herman Van Rompuy. Sechs Monate vor den Regionalwahlen ist dieser Kampf noch nicht gewonnen.
Weiter machen bis 2011
Het Nieuwsblad erklärt: Niemand glaubt, dass diese Regierung ein großes Ziel verfolgt. Diese Mannschaft ist sich nur einig, dass sie bis 2011 weiter machen will. Sie will es vermeiden, von den Wählern für ihre schlechte Arbeit bestraft zu werden. Die Politiker der Koalitionsparteien sind wohl die einzigen, die glauben, sie könnten tatsächlich noch zwei Jahre überleben.
De Morgen kritisiert, dass die Parteivorsitzenden einen schnellen Durchstart der Regierung wollen. In ihren Augen reicht es aus, Yves Leterme als Premierminister zu ersetzen und weiter zu machen. Sie sagen, das sei im Interesse der Bürger mitten in der Wirtschaftskrise. Doch was hat der Bürger von einer Regierung, die eine schlechte Politik weiterführt? Gewisse Parteien wollen vor allem nichts an den bestehenden Verhältnissen und der politischen Kultur ändern. Die Verantwortung, die Leterme dafür trägt, darf nicht unterschätzt werden, doch seine Kollegen dürfen nicht vergessen, dass auch sie keinen Grund haben, stolz zu sein.
De Tijd behauptet: Es ist nicht sicher, dass die frankophonen Parteien nach den Regionalwahlen noch große Lust verspüren werden, bis 2011 weiter zu machen. Wenn die MR die PS als größte Partei der Wallonie ablöst, ist es nicht ausgeschlossen, dass die frankophonen Sozialisten die Föderalregierung verlassen. Sollte die MR hingegen für weitere fünf Jahre in der Wallonie in die Opposition gedrängt werden, wird sie sich über eine föderale Regierungsbeteiligung Gedanken machen.
Gazet van Antwerpen meint: Es wäre ein Zeichen des Vertrauens, wenn die Frankophonen sich bereit finden würden, sich schnell und konstruktiv an einem neuen interinstitutionellen Dialog zu beteiligen. Der Regierungsbildner muss sie dazu überreden. Sie vertrauen ihm viel mehr als Leterme. Auch auf gemeinschaftspolitischer Ebene. Sie müssen zeigen, dass es ihnen ernst gemeint ist.