Vers l'Avenir befragte einen politischen Zeitgenossen von Wilfried Martens, den PSC-Politiker Charles-Ferdinand Nothomb. Er ist überzeugt, dass es Martens gelingen wird, eine Vertrauensgrundlage zu schaffen und den Politikern wieder Sinn für Kompromisse zu geben. Der König setzt auf die Erfahrung und Weisheit von Wilfried Martens. Ich bin optimistisch, sagt Nothomb. Wir sind an einem Wendepunkt angelangt.
De Standaard stellt fest: Das Land lernt einen alten Premierminister wieder kennen. Martens besitzt die erforderlichen Eigenschaften für seinen Auftrag. Doch es ist eine andere Frage, ob er der heutigen Generation glaubwürdig erscheint. Er ist nicht gut für Überraschungen. Er wird sich für die Logik des Stärksten entscheiden und die bestehende Koalition fortsetzen. Er ist Wegbereiter für Jean-Luc Dehaene.
Die Angst der Liberalen
La Libre Belgique notiert: Die liberalen Parteien betonen, dass sie die größte politische Familie des Landes bilden. Sie beschweren sich darüber, dass man sie bisher kaum angehört hat. Sie fühlen sich auf Seite geschoben. Die flämischen Sozialisten sind plötzlich bereit, der Koalition beizutreten. Wilfried Martens spricht heute mit den Oppositionsparteien und man hat den Eindruck, dass er für Dehaene arbeitet. Das verstärkt die Befürchtung der Liberalen, dass man nach den Wahlen eine schwarz-rote Koalition bilden will, die Dehaene schon als Informator im Jahre 2007 vorschlug.
La Dernière Heure sagt vorher, dass die Verhandlungen in eine Sackgasse führen werden. Der König weiß keinen Ausweg mehr. Er kann die mächtigste Partei der Koalition, die CD&V, nicht zur Vernunft bringen. Es besteht die Gefahr, dass die Situation sich rapide verschlechtert. Dann bleiben nur noch Neuwahlen, die das Land Monate lang lähmen werden.
Het Laatste Nieuws bedauert, dass die Parteien inzwischen gewisse Politiker persönlich ausschließen. Es geht nicht mehr um den politischen Inhalt. Niemand macht sich noch Sorgen darüber, ob die Politik und die Demokratie diese schlimmste Periode der belgischen Geschichte überleben werden. Man muss den Politikern sagen, dass ihr Verhalten skandalös ist und dass die Wähler sie verurteilen werden. Vorverlegte Neuwahlen wären ein roter Teppich für Jean-Marie Dedecker. Wenn man so weiter macht, ist seine Partei am 7. Juni die einzige, die mehr als 20 % der Stimmen erhält.
Aussichtslose Situation
De Morgen erklärt: Die Situation ist aussichtsloser als in den 70er Jahren. Damals stürzte das Land in eine Katastrophe, weil die Politiker sich zu lange mit gemeinschaftspolitischen Fragen beschäftigten. In der heutigen Krise spielt die Gemeinschaftspolitik nicht mehr so stark mit, doch einige verteidigen nur ihre eigenen Interessen und ihren persönlichen Gewinn. Ihnen ist es gleichgültig, wenn das Land einstürzt.
Het Belang van Limburg fügt hinzu: Das Vertrauen in die Politik ist unter den Gefrierpunkt gesunken. Die Bevölkerung stellt fest, dass sie den höchsten Steuerdruck und die niedrigste Beschäftigungsrate hat. Die Politiker müssen aufhören, sich gegenseitig zu bekämpfen. Es ist höchste Zeit für eine neue Politik, die führende Persönlichkeiten anerkennt, mit anderen zusammenarbeitet und andere respektiert.
Und trotz allem geht es uns noch gut
Gazet van Antwerpen meint: Trotz allem können wir froh sein, hier zu leben. Unsere Probleme sind an ausländischen Maßstäben gemessen gar keine Probleme. BHV muss gelöst werden, doch es bedroht niemanden. Die Ernennung der drei Bürgermeister tastet weder die Freiheit noch die Wohlfahrt an. Gleich wer der nächste Premierminister wird, wir müssen nicht um unser Leben fürchten. In anderen Ländern ist das sehr wohl der Fall.
Le Soir fordert die Parteien auf, ihre kurzsichtige Politik aufzugeben. Ist es zu viel verlangt, dass die CD&V wieder zur Staatsräson zurückfindet? In anderen lebendigen Demokratien wäre die Bevölkerung unter solchen Umständen bereits zu Kundgebungen auf die Straße gegangen. Hierzulande bereitet man die Weihnachtsgans vor und schweigt. Eine pathetische Weihnacht, so als ob unser System bereits tot sei.