La Libre Belgique schreibt: Der 72-jährige Martens ist ein geschickter Unterhändler, doch er ist seit langem schon ein Rentner der belgischen Politik. Es ist das Drama der CD&V, dass es ihr an Führungskräften für die föderale Politik fehlt. Die Rückkehr von Wilfried Martens ist dafür bezeichnend und noch mehr die angekündigte Rückkehr von Jean-Luc Dehaene als Premierminister. Unterdessen finden die echten Verhandlungen zwischen den Präsidenten und flämischen Parteien hinter den Kulissen statt. Die ernste Wirtschaftskrise erlaubt keinen Aufschub.
Für Het Nieuwsblad zeigt der Auftrag für Martens, wie groß das Misstrauen zwischen den Koalitionspartnern ist. Der schnelle Durchstart der Regierung wegen der Wirtschaftskrise ist unmöglich. Doch es ist nicht undenkbar, dass Martens schließlich doch noch zu Jean-Luc Dehaene führt, der sich als Krisenmanager verdient gemacht hat.
Der König ist mit seinem Latein am Ende
De Morgen behauptet: Für die Insider des Regierungsviertels ist es verständlich, dass der König Martens gerufen hat. Das Staatsoberhaupt sucht als Übergangslösung einen flämischen Christdemokraten, der bei den Frankophonen einen Stein im Brett hat und zugleich für die flämischen Liberalen unschädlich ist. Doch für das Land ist das ein schlechtes Signal. Es zeigt der Öffentlichkeit, dass selbst der König mit seinem Latein am Ende ist. Er tritt keine Flucht nach vorn an, sondern er schaltet zurück in die Vergangenheit, als dieses Land noch den falschen Eindruck machte, ohne große Probleme zu sein.
Auch Het Laatste Nieuws findet: Bei allem Respekt für den Staatsmann, die Tatsache, dass der König ausgerechnet den 72-jährigen Martens als Pfadfinder einstellt, zeigt, dass das Adressbuch der Berater des Königs überholt ist. Die neun Martens-Regierungen stammen aus der Amtszeit von König Baudouin. Keiner der Minister der Leterme-Regierung war damals schon dabei.
De Standaard bemerkt: Martens und Dehaene besitzen beide großes Talent und viel Erfahrung. Doch das reicht nicht, um die neue Generation Politiker zu gleichartigen Leistungen anzuspornen. Ihnen fehlt es oft an Talent und natürlich an Erfahrung, doch das ist nicht ihr größtes Handicap. Sie haben kein Land mehr, das sie regieren könnten. Ihr Land ist in zwei Länder zerfallen, die verschiedene Richtungen eingeschlagen. Aber sie müssen dafür eine Regierung bilden. Das ist fast unmöglich. Außerdem sollen sie das mit völlig zerstrittenen Parteien tun.
Eine Regierung mit welchen Parteien?
Het Belang van Limburg ist überzeugt: Martens hat keine leichte Aufgabe. Ein Durchstart der Leterme-Regierung liegt auf der Hand, doch dazu müsste er das Vertrauen zwischen den Parteien wieder herstellen. Eine Ausweitung auf die flämischen Sozialisten würde den Schwerpunkt auf orange-rot verschieben, sehr zum Missfallen der Liberalen. Eine andere Wahl wäre orange-blau, ohne die PS.
La Derniere Heure vermutet: Die sozialistischen Parteien wollen die Liberalen demütigen und eine Regierung bilden, die nicht dem Wählerwillen entspricht. Der König ist zur Geisel der CD&V geworden, die sich an der VLD rächen will.
Gazet van Antwerpen fügt hinzu: VLD und CD&V sind sich nicht einig. Die eine will die Föderalwahlen auf Juni vorverlegen, die andere will zwei Jahre warten. Die CD&V will die Wahlen nicht zusammenlegen, weil sie befürchtet, dass ihr Ministerpräsident Peeters die Rechnung für das schlechte Abschneiden der Leterme-Regierung zahlen muss. Die VLD will hingegen Peeters Schaden zufügen. Die Nicht-Ernennung der drei Bürgermeister durch den liberalen Innenminister Keulen war nur dazu bestimmt, den Gemeinschaftsdialog unter Führung von Peeters zu torpedieren. Hinter den Kulissen finden politische Spiele statt, die nichts mit dem allgemeinen Interesse zu tun haben.
L'Echo warnt: Belgien braucht einen echten politischen Führer. Ohne eine tatkräftige Regierung und einen Vertrauen erweckenden Premierminister wird die Bevölkerung in eine Spirale des Pessimismus mitgerissen.