Leterme out
„Gesucht: neue Premierminister“, titelt Het Nieuwsblad. „Pokerspiel über die Nachfolge von Leterme“, meint De Standaard auf Seite 1.
Le Soir bemerkt auf seiner Titelseite: „Dehaene oder Thyssen? Der Schlüssel liegt bei der CD&V“. Die Seite Yves Leterme ist vorerst umgeblättert. Der Mann, der bei den Wahlen im Juni 2007 800.000 Vorzugsstimmen einfuhr, will zunächst an der Seitenlinie bleiben. Er sei nicht Kandidat für seine eigene Nachfolge und wolle auch kein Ministeramt in der nächsten Regierung, ließ Leterme mitteilen. Er wolle erst sich und seine bisherigen Mitarbeiter von den Vorwürfen hinsichtlich einer versuchten Einflussnahme reinwaschen.
Das ist eine weise Entscheidung, bemerkt in diesem Zusammenhang Gazet van Antwerpen:
1) Der Mann ist seelisch und körperlich am Ende.
2) Nach all dem, was Yves Leterme in den letzten 1 ½ Jahren widerfahren ist, tut eine politische Auszeit not. Wenn die Justiz der Politik und insbesondere der Premierminister versuchte Einflussnahme vorwirft, dann kann man nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen.
Und 3), es ist unvorstellbar, dass ein amtierender Premierminister sich vor laufenden Kameras im Rahmen eines Untersuchungsausschuss, rechtfertigen muss. Nichts hindert Yves Leterme daran, sich gegebenenfalls bei der nächsten Wahl dem Urteil der Wähler zu stellen. Gewinnt er die Wahl, dann kann er durchstarten.
So selbstverständlich war der vorläufige Abgang des Yves Leterme aber offensichtlich doch nicht, notiert dazu La Libre Belgique. So mancher ist allen ernstes davon ausgegangen, dass Yves Leterme Regierungschef bleiben kann. Das, so meint das Blatt, ist absoluter Irrsinn und lässt tief blicken. Was Belgien jetzt braucht ist ein Krisenmanager, einen außergewöhnlichen Politiker, der dazu fähig ist, den Bürgern dieses Landes innerhalb von wenigen Wochen das Vertrauen wieder zurückzugeben.
Dehaene oder Verhofstadt?
In diesem Zusammenhang wird im Augenblick vor allem ein Name genannt: Jean-Luc Dehaene. Kaum war dieser Name gefallen, da gab es auch schon wieder Streit innerhalb der bisherigen Mehrheit.
Der „Dehaene-Plan“ wurde insbesondere von den flämischen Liberalen, Open VLD sabotiert, notiert etwa De Standaard. Zunächst waren sich alle Beteiligten einig: Wir brauchen schnell eine neue Regierung, wir müssen durchstarten. Nur beinhaltet dieses Durchstarten nicht für alle Parteien dasselbe.
Die CD&V will eine Regierung, die bis zum Ende der Legislaturperiode 2011 durchhalten soll. Dem gegenüber will die liberale Open VLD unbedingt Neuwahlen im Juni 2009.
Und auch, wenn es um Personalien geht, gibt es keinen Konsens. Derzeit kursieren die Namen von 2 möglichen Heilsbringern: Jean-Luc Dehaene und Guy Verhofstadt. Die Liberalen wollen Dehaene nicht, für die Christdemokraten ist Verhofstadt ein rotes Tuch.
Was für eine Bande von Streithähnen, echauffiert sich in diesem Zusammenhang Het Laatste Nieuws. Kaum zeichnen sich mögliche Hintertüren ab, da machen die bisherigen Mehrheitsparteien gleich wieder das, was sie in den letzten 1 ½ Jahren am besten konnten: Sie liegen sich in den Haaren. Kein Zweifel, die Parteien der bisherigen Koalition haben einander satt. Sie haben allerdings das Pech, dass wir derzeit mitten in einer schweren Wirtschaftskrise stecken, die sie aneinander kettet. Wenn tatsächlich jetzt ein Mann wie Jean-Luc Dehaene den Feuerwehrmann spielen muss, dann wäre das eine Blamage für die heutige Politikergeneration: Dehaene, der sich selbst einen Mann des 20. Jahrhunderts nennt, müsse die Politiker des 21.Jahrhunderts retten.
Auch La Derniere Heure geißelt die verschiedenen Protagonisten. Lange hat es nicht gedauert, bis die kleinen, miesen Politik-Spielchen wieder losgingen. Kaum fiel der Name Didier Reynders als möglicher Premierminister, da ging die PS auch schon auf die Palme.
Unter normalen Umständen wäre die Haltung der Sozialisten noch verständlich, nur braucht das Land jetzt schnell eine neue Regierung. Das prinzipielle Nein der PS im Hinblick auf eine mögliche Reynders-Lösung ist denn auch eine geschmacklose Entgleisung, meint La Derniere Heure.
Düstere Zukunftsaussichten
Für De Morgen befindet sich das Land also in einer politischen Pattsituation. Von allen Seiten werden Vetos angedroht. Jeder Hauch einer Lösung wird vom jeweiligen politischen Gegner gleich verworfen.
Ein schnelles Durchstarten der Regierung ist denn auch plötzlich doch nicht mehr so wahrscheinlich wie ursprünglich gehofft. Mitunter könnte es so aussehen, dass diese Politikergeneration eigentlich keine langfristige Lösung anstrebt.
Eine ähnlich düstere Vorahnung hat auch die Brüsseler Tageszeitung Le Soir. Angesichts der derzeit zu beobachtenden Strategiespielchen, kann einem Angst und Bange werden.
Dieses Land hat Angst. Wenn man ihm nicht sofort zu Hilfe eilt, dann ist das kriminell. Es sei denn, dass man vielleicht sein Ende beabsichtigt.