Regierung und Fortis-Kleinaktionäre: Gericht statt Dialog
Die Regierung, so der allgemeine Tenor, entscheidet sich also für den juristischen Weg und lehnt Verhandlungen mit den Minderheitsaktionären ab.
Nach Darstellung von Le Soir ist dieser Kollisionskurs genau das falsche Signal und darüber hinaus auch politisch gefährlich. Statt der direkten Konfrontation hätte die Regierung viel besser daran getan, die Tür für Verhandlungen zu öffnen, mit dem doppelten Vorteil, einerseits die Aktionäre zu beruhigen und andererseits zu ermöglichen, dass die Übernahme der Fortis durch BNP Paribas fortgesetzt werden kann.
Het Laatste Nieuws spricht im gleichen Zusammenhang ebenfalls von einer verpassten Chance. Premierminister Leterme erhielt vom Gericht die Möglichkeit, die bisherigen Fehler der Regierung in der Akte Fortis zu korrigieren und damit zugleich die Interessen der Aktionäre, des Fortis-Personals und des belgischen Staates auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Jedes andere Land in Europa hätte diese Möglichkeit genutzt, nur Belgien tut es nicht. Im Übrigen stellt die Zeitung fest, dass das neue Gerangel um Fortis bei den Kunden der Bank zwar keine Panik ausgelöst hat, wohl aber bedeutet es einen erneuten Tiefschlag für das langsam zurückkehrende Vertrauen in Fortis.
Auch Het Belang Van Limburg geht in seinem Leitartikel auf dieses Thema ein und schreibt, es ist normal, dass die Kleinaktionäre, deren Fortis-Aktie nicht mal mehr einen Euro wert ist, zu retten versuchen, was zu retten ist, zumal sie zu keinem Zeitpunkt nach ihrer Meinung gefragt wurden. Wenn Leterme heute behauptet, dass er sich in der Fortis-Akte für die kleinen Sparer einsetzt, dann übersieht er offenbar, dass tausende Fortis-Aktionäre nichts anderes als kleine Sparer sind, die ihr Geld nicht auf einem Sparkonto anlegten, sondern in Fortis-Aktien, deren jährliche Dividende attraktiver war als die Zinsen eines Sparbuchs.
Het Nieuwsblad meint schließlich zum gleichen Thema, es ist höchste Zeit, dass die Regierung Leterme sich konstruktiv verhält und auch an die Interessen der Minderheitsaktionäre denkt, was konkret nichts anders heißt, als einen höheren Preis für den Verkauf von Fortis auszuhandeln. Leterme sollte sich das Sprichwort vor Augen halten, wonach nur Dummköpfe nicht gelegentlich ihre Meinung ändern.
Ging Justizminister Vandeurzen zu weit?
Verschiedene Zeitungen kommen zurück auf den famosen Prozedurfehler, durch den der mutmaßliche Mörder der Polizistin Kitty Van Nieuwenhuysen fast aus der Untersuchungshaft entlassen worden wäre. Im letzten Augenblick schaltete sich Justizminister Vandeurzen ein, indem er den Gefängnisdirektor zwang, den Mann wieder einzusperren. Die Presse hat zu dieser Verhaltensweise des Ministers ganz erhebliche Bedenken.
So schreibt La Libre Belgique, Vandeurzen hat sich in inakzeptabler Weise über die hierzulande geltende Trennung der Gewalten hinweggesetzt. Dies ist umso beunruhigender, als man gerade in jüngster Zeit feststellen muss, dass sich auch zahlreiche andere Minister in anderen Entscheidungen ähnlich verhalten, wie zum Beispiel die Akte Fortis beweist.
Zum gleichen Thema notiert De Morgen, eigentlich müsste Justizminister Vandeurzen - würde er sich nach den Prinzipien richten, die seine eigene Partei, die CD&V, seinerzeit in der Opposition vertrat - jetzt eigentlich zurücktreten. Wenn allerdings jeder Minister in Belgien sein Amt niederlegen würde, wenn einer seiner Untergebenen einen Prozedurfehler begeht, hätten wir wahrscheinlich keinen einzigen Minister mehr. Im Übrigen muss man Vandeurzen zugute halten, dass er bisher im Großen und Ganzen gute Arbeit geleistet hat.
Wachsende Zukunftsangst - schrumpfende Passagierzahlen in Zaventem
Vers L'Avenir beschäftigt sich mit den Alltagssorgen der Belgier und macht dabei die folgende Feststellung: Die Lebenshaltungskosten sind zwar durch die Verringerung der Energiepreise leicht zurückgegangen und somit die Kaufkraft des Durchschnittsbelgiers entsprechend gestiegen. Trotzdem geben die Leute weniger Geld aus, weil die meisten das Vertrauen in die Zukunft verloren haben. Viele haben Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren, und diese Angst ist berechtigt, denn eines von vier belgischen Unternehmen hat zurzeit mehr oder weniger schwere finanzielle Probleme, und fast jeder zweite Betrieb glaubt, dass es im kommenden Jahr schlechter gehen wird.
Schlechter gehen wird es im kommenden Jahr auch am Brüsseler Flughafen Zaventem, der einem Bericht der Gazet Van Antwerpen zufolge aufgrund der Wirtschaftskrise höchstwahrscheinlich eine Million Passagiere verlieren wird.