Der Verkauf des belgischen Geschäftsbereichs des Finanzdienstleisters Fortis an die französische Gruppe BNP Paribas wird mit einer einstweiligen Verfügung um mindestens zwei Monate verschoben. Erst muss sich am 12. Februar eine Aktionärsversammlung hierüber aussprechen. Das hat Rechtsanwalt Modrikamen im Namen von circa 2.000 Kleinaktionären in zweiter Instanz durchgesetzt. In allen Zeitungen ist dies heute das wichtigste Titelseitenthema.
Einstweilige Verfügung: Fortis-Verkauf gestoppt
"Richter torpediert Fortis-Deals" titelt De Tijd. "Die Abwicklung von Fortis ist in der Schwebe" titelt L'Echo. Le Soir bringt als Schlagzeile: "Der Verkauf von Fortis an BNP Paribas ist suspendiert". "Bombe unter dem Verkauf von Fortis" heißt es in De Morgen und De Standaard. "Berufungsgericht ruft Regierung zur Ordnung" meint Het Laatste Nieuws. Die Zeitung zitiert auch den Rechtsanwalt mit dem Satz: "Ein Sieg für den Rechtsstaat".
Einige Leitartikler konnten sich schon mit dem Thema befassen. La Libre Belgique findet, dieser Richterspruch ist ein Beweis für die Unabhängigkeit der Justiz. Der Druck, den Politik, Wirtschaft und Finanzwelt auf die Richter ausübten, war enorm, und es steht auch sehr viel auf dem Spiel. Trotzdem urteilte das Gericht, dass die bestehenden Regeln respektiert werden müssen. Und somit erhielten die Aktionäre recht. Jetzt geht der Fortis-Rechststreit in die nächste Runde.
De Tijd kommentiert: Genau wie vor zwei Monaten muss jetzt die Regierung wieder alles untenehmen, um die Interessen der Sparer zu schützen. Aber wenn der Staat Fortis jetzt schon zum dritten Mal retten muss, was sind die Rechte der Aktionäre dann noch wert? Müssen wir nicht endlich feststellen, dass der Wert der Aktien gegen Null tendiert, und entsprechend handeln, fragt die Wirtschaftszeitung.
Het Laatste Nieuws kommentiert: Jetzt muss abgewartet werden, ob BNP Paribas überhaupt noch an Fortis interessiert ist. Wenn die Aktionäre auf einem höheren Preis für den belgischen Geschäftsbereich von Fortis bestehen, kann es durchaus sein, dass die Franzosen den Belgiern den Laufpass geben. Genauso beängstigend ist die Perspektive, dass jetzt die Fortis-Kunden dem Finanzinstitut endgültig das Vertrauen kündigen. Jetzt droht ein Ansturm auf die Sparkonten. Holding und Regierung müssen jetzt schnell für Deutlichkeit sorgen. Es darf keine Zeit verloren werden.
Auch La Dernière Heure kommentiert: Das Berufungsgericht hat für einen Tsunami gesorgt. Mit diesem Richterspruch wird ein in Eile erbautes Konstrukt zur Rettung von Fortis-Belgien in seinen Grundfesten erschüttert. Jetzt ist jedes Szenario denkbar.
Probleme am Arbeitsmarkt
Verschiedene Zeitungen befassen sich auch mit der immer schwierigeren Lage am Arbeitsmarkt. Auch gestern wurde wieder der Verlust von fast 1.000 Arbeitsplätzen angekündigt. "Die Wirtschaftskrise schlägt zu" kommentiert De Standaard. Obschon manche Betriebe noch stolze Gewinnzahlen vorlegen können, streichen sie Stellen. Weil jeder davon redet, wie schlecht es geht, handeln wir auch entsprechend. Die Angst vor der Krise verschärft die Krise.
Het Belang Van Limburg meint hierzu: Belgische Unternehmen werden besonders hart von dieser Krise getroffen, weil in unserem Land die Lohnkosten sehr hoch sind. Und deshalb entscheiden sich multinational operierende Konzerne, die sparen müssen, gerne dafür, im teuersten Land Sanierungsprogramme zu starten. Daher ist es dringend nötig, dass Steuern und Sozialbeiträge gesenkt werden.
EU-Klimaplan enttäuschend
De Morgen befasst sich im Kommentar mit dem Klimaplan, auf den sich die EU beim gestrigen Gipfel in Brüssel einigte. Dieser Plan wird wohl kurzfristig kaum dazu führen, dass weniger CO2 ausgestoßen wird. Wieder einmal wurde eine Chance verpasst. Warum einigte man sich nicht auf ein großes Investitionsprogramm für rationellen Energiekonsum und nachhaltige Energieproduktion als Antwort auf die Wirtschaftskrise? Hierzu fehlte wohl der politische Wille und Mut, meint De Morgen.
Le Soir kommentiert: Was den Klimaschutz betrifft, hat der Brüsseler Gipfel nur Enttäuschendes gebracht. Angesichts der astronomischen Beträge, die in die Rettung der Finanzinstitute investiert werden, kann man hierfür kein Verständnis aufbringen.
L'Echo schließlich meint zum Brüsseler Gipfel: Das Verhältnis zwischen Frankreich und Deutschland hat sich enorm verschlechtert, und das ist gefährlich. Das ist schade, denn das deutsch-französische Verhältnis ist der Motor der EU.