Während einige Landeszeitungen den Ausgang des Urnengangs noch offen lassen, erklären die anderen Barack Obama auf der Grundlage der letzten Umfragen der Nacht bereits vorsichtig zum Wahlsieger.
Amerika hat gewählt
„Die Amerikaner haben gewählt“, titelt La Derniere Heure. Het Nieuwsblad spricht auf seiner Titelseite von einer historischen Wahl; Gazet van Antwerpen meint lapidar: „Viel Glück, Mr. President“.
Die meisten Tageszeitungen berichten heute auf zahlreichen Sonderseiten über die Wahlen in den USA. Die meisten sind sich einig: der 44. US-Präsident tritt ein schweres Erbe an.
De Tijd feiert in seinem Leitartikel das Ende der Ära Bush. Bush hinterlässt eine gespaltene Partei, eine gespaltene Nation, eine gespaltene Welt. Amerika hat durch seine Arroganz das Wohlwollen verspielt, das die Welt den USA nach den Anschlägen vom 11.September 2001 entgegen gebracht hat.
Schon vor der Wahl war klar: der eigentliche Verlierer heißt George W. Bush. Dennoch wird am Ende die Geschichte über die Ära Bush urteilen müssen.
Auch La Libre Belgique zieht eine Bilanz der letzten 8 Jahre. Und die fällt nach Meinung der Brüsseler Zeitung katastrophal aus. Im Namen des Kriegs gegen des Terrorismus hat George W. Bush eine Reihe von Grundprinzipien mit Füßen getreten: Folter war geduldet, das Recht auf Privatleben wurde missachtet und die Freiheiten eingeschränkt.
Damit hat Bush zahlreiche traditionelle Verbündete der USA brüskiert, nicht zuletzt in Europa. Fazit: der neue US-Präsident erbt ein krankes Amerika.
Historische Wahlbeteiligung
Doch haben vor allem die amerikanischen Bürger schon einmal ein Zeichen gesetzt. Het Laatste Nieuws spricht auf einer Titelseite von einer historischen Wahlbeteiligung. Bis zu 140 Millionen Amerikaner gaben ihre Stimme ab. Das ist so viel wie seit 40 Jahren nicht mehr.
Für Gazet van Antwerpen ist denn auch die amerikanische Demokratie der eigentliche Gewinner der Wahl. Die Amerikaner waren sich sehr wohl darüber im Klaren, wie wichtig diese Wahl war. Gleich für wen sie am Ende gestimmt haben, sie wussten was auf dem Spiel stand.
Nach jahrelanger Apathie, wo noch nicht einmal die Hälfte der Amerikaner zur Wahl ging, wurde das aber auch höchste Zeit.
Barack Obama - das Prinzip Hoffnung
Einige Zeitungen, wie Le Soir oder L'Echo, skizzieren die Herausforderungen, die Barack Obama in den nächsten 4 Jahren erwarten. Die weltweite Finanzkrise, die Kriege im Irak und in Afghanistan, der Klimaschutz, das sind die wichtigsten Baustellen für den 44. US-Präsidenten.
Diesen monumentalen Herausforderungen stellt sich Obama mit der Parole: „Yes, we can“, „Ja, wir schaffen das“, bemerkt dazu Le Soir. Es ist das Gesicht eines anderen Amerikas: kreativ, jung, farbig. Obama verkörpert vor allem eins: Hoffnung.
Doch darf er sich jetzt keine Verschnaufpause gönnen: er muss den derzeitigen Elan und die sich damit öffnenden Spielräume schnellstens nutzen. Und selbst dann muss er wissen, dass er die Bilanz der Bush Ära nicht innerhalb der ersten 100 Tage ausbügeln kann. Im Augenblick darf man nicht naiv sein und Wunder erwarten, doch eins ist sicher: die Wende ist eingeleitet.
Auch für De Standaard symbolisiert Barack Obama am ehesten die Veränderung, den totalen Bruch mit der desaströsen Politik des George W. Bush. Zwar verfügt er auch nicht über einen Zauberstab, mit dem er die immensen Probleme, die er erbt, mit einem Mal verschwinden lassen könnte. Man darf aber auf einen neuen Stil, eine neue Herangehensweise hoffen, die schon viele Wunden heilen würden.
Obamas Ideen sind bestimmt nicht revolutionär, geschweige denn aus europäischer Sicht. Aber Obama weiß immerhin, dass der soziale Zusammenhalt in den USA wieder hergestellt werden muss. Millionen nicht-weiße Amerikaner sind nicht mehr Bürger zweiter Klasse.
Ein Signal für die Welt?
De Morgen bemüht in diesem Zusammenhang schon einen historischen Vergleich. Was wir jetzt erleben, schließt nahtlos an eine Rede vom 28. August von 1963 an. Damals formulierte Martin Luther King seinen Traum. Einen Traum, in dem der Rassismus in den USA überwunden war, den Traum, wonach eine gerechtere Welt möglich ist.
Natürlich kann Obama die ethnischen Probleme nicht wegzaubern. Seine Wahl ist aber ein unglaublich starkes Signal, dass Amerika immer noch das Land der unbegrenzten Möglichkeiten ist. Barack Obama ist bereits jetzt eine Ikone, jemand, den man in einem Atemzug mit Martin Luther King oder John F. Kennedy nennen muss. Damit ist Obama in ehrenvoller Gesellschaft, aber zugleich auch in gefährlicher.
Für Het Nieuwsblad schließlich ist die Wahl Obamas ein Fanal, nicht nur für die USA, sondern für die ganze Welt. Die mächtigste Nation der Welt ist bislang mit der Tatsache, dass sie viele Nationalitäten und Rassen beherbergt, nicht wirklich klar gekommen. Wenn Amerika jetzt bereit ist für einen schwarzen Präsidenten, dann sollte das auch uns eine Lehre sein.
Auch wir dürfen den Glauben an die Veränderung nicht verlieren. Und auch wir müssen prinzipiell dazu fähig sein, einen Landsmann zu wählen, der vielleicht eine andere Hautfarbe oder einen anderen Glauben hat, der aber wie Obama über die erforderlichen Qualitäten verfügt.