"Die wallonische Regierung rettet sich in letzter Minute", titelt Le Soir. "Dauerstress in Namur", meint L’Avenir. Für La Libre Belgique steht die Koalition aus Sozialisten, Christdemokraten und Grünen vor dem Aus. Anlass für den Streit zwischen den Mehrheitsparteien ist eine Debatte über den neuen Rechtsrahmen für den Bau von Windkraftanlagen in der Wallonie.
Vergangene Woche hatte die Regionalregierung einen Vorschlag der Grünen geschlossen verabschiedet. Doch im Parlament war es plötzlich vorbei mit der Eiligkeit: Vertreter von PS und CDH übten vernichtende Kritik am Regierungsbeschluss. Die Grünen von Ecolo wollten das nicht hinnehmen und stellten die Vertrauensfrage. Die Parteispitzen haben sich am Donnerstagabend klar zum Regierungsabkommen aus dem Jahr 2009 bekannt.
Le Soir meint: PS, CDH und Ecolo haben das Feuer damit gelöscht - vorerst, denn der Brand schwelt weiter. Auch La Libre Belgique bemerkt, dass es nicht der erste Streit zwischen den drei Parteien ist. Offenbar denkt man in Namur hinter vorgehaltener Hand über einen Rauswurf von Ecolo aus der Koalition nach. In der sogenannten Olivenbaum-Mehrheit steckt definitiv der Wurm drin. Doch in Zeiten, in denen Tausende wallonische Arbeitnehmer ihren Job verlieren, ist kein Platz für solche politischen Spielchen, so das Blatt.
Windenergie lässt es in der Regierung krachen
L’Avenir sieht im Aufstand der wallonischen Abgeordneten etwas Gutes und etwas Schlechtes. Zunächst das Gute: Dass das Projekt über die neue Rechtsform für Windkraftanlagen von der Regierung gutgeheißen und anschließend vom Parlament blockiert worden ist, beweist, dass es tatsächlich eine Trennung der Gewalten gibt. Die Parlamentarier der Mehrheit nicken also nicht bloß Vorhaben der Regierung ab und drücken im richtigen Moment auf das grüne Knöpfchen.
Jetzt das Schlechte: Die Mehrheit gibt in Sachen Zusammenhalt ein desaströses Bild ab. Und: Einige Abgeordnete haben sich völlig daneben benommen, indem sie ihre sub-lokalen Interessen lautstark vertreten haben, statt sich für einen neuen, wallonieweiten Rahmen für die Windenergie einzusetzen.
"Sonderbare Krise" bei der ACW geht weiter
"Die christliche Arbeiterbewegung ACW geht schon wieder in die Knie", schreibt Het Nieuwsblad auf Seiten eins. Bei De Standaard heißt es: "Die ACW wirft erneut das Handtuch". Die Organisation verhält sich völlig orientierungslos. Jetzt hat sie überraschend den umstrittenen Deal mit der Belfius-Bank platzen lassen. An der Übereinkunft mit der Bank gebe es nichts Verwerfliches, so die ACW. Doch wegen der nichtaufhörenden Kritik und der Beschuldigungen verzichte man lieber darauf. Es geht um eine zusätzliche Rendite von 1,5 Prozent, was knapp eine Million Euro im Jahr ausmacht. Der Vorwurf: Die ACW habe sich unlautere Vorteile verschafft. Die Zeitung meint: Die Kritik hätte man mit Transparenz entkräften können. Doch statt die Verträge offen zu legen, zieht die ACW sich jetzt aus dem Geschäft zurück.
Het Nieuwsblad sieht das ähnlich: Illegales Handeln und kriminelle Machenschaften kann man der christlichen Arbeiterbewegung bisher nicht vorwerfen, allerdings hat sie einen Kommunikationsfehler nach dem anderen begangen. Unterm Strich ist die ACW-Affäre nicht nur unerfreulich, sondern entwickelt sich mittlerweile zur sonderbarsten Krise der letzten Jahre.
Neuwahlen wären schlechteste Alternative
Het Laatste Nieuws sieht unterdessen die Föderalregierung in akuter Gefahr. Durch das Anzetteln der Krise treibt die nationalistische N-VA Premierminister Di Rupo und sein Kabinett in die Enge. Egal, was passiert, die Koalition muss sich jetzt zusammenraufen. Ansonsten wird sie die schwierigen Haushaltsberatungen nicht überleben. Ein Sturz der Regierung und Neuwahlen noch in diesem Jahr wären die denkbar schlechteste Alternative. Für die flämischen Mehrheitsparteien würden sie sogar zur Katastrophe. Keine Ergebnisse und auch keine Staatsreform. Die Regierungsmannschaft muss jetzt alles auf ihren neuen Finanzminister setzen.
Auch L’Echo sieht Koen Geens in der Pflicht. Um die Budgetvorgaben einzuhalten, müssen zusätzlich 2,8 Milliarden Euro eingespart werden. Unklar ist, wie die sechs Regierungsparteien jetzt damit umgehen werden.
Alle Zeitungen befassen sich heute zum Teil mit Sonderbeilagen mit dem Weltfrauentag. De Morgen etwa ist von zwei bekannten Frauen gestaltet worden, Chefredakteurinnen für einen Tag sind die Ärztin Marleen Temmerman und die Politikerin Meryame Kitir. Laut einer Umfrage von La Dernière Heure ist die beliebteste Frau im Süden des Landes Staatssekretärin Maggie De Block.
Archivbild: Dirk Waem (belga)