"Die Regierung sucht zusätzliche 2,5 Milliarden Euro", titelt Het Laatste Nieuws. "Regierung schätzt ihre Einkünfte um 2,4 Milliarden zu hoch ein", so die Schlagzeile von De Morgen. Kurz vor dem Beginn der Haushaltskontrolle veröffentlichen beide Blätter eine neue Steuerschätzung. Demnach fällt also das Steueraufkommen deutlich geringer aus, als noch im November veranschlagt. Die endgültigen Haushaltszahlen liegen aber noch nicht vor, der Kassensturz ist noch nicht abgeschlossen.
"Wir dürfen uns nicht kaputtsparen", titelt derweil De Standaard. Das Blatt zitiert hier keine geringeren als die Chef-Ökonomen von einigen großen belgischen Banken, wie Belfius, Petercam, KBC und ING. Die Fachleute warnen davor, dass mit der EU vereinbarte Sparziel nicht zum Dogma zu erheben. Sie geben damit indirekt den Sozialisten Recht, die ja auch dafür plädieren, den Sparkurs zu lockern.
Orpheus und die Chef-Ökonomen
Man sollte meinen, Laurette Onkelinx mache Schule, bemerkt dazu De Morgen. Bislang stand die PS ziemlich alleine da und man kann ja nun nicht Banken wie Petercam oder Belfius als PS-nahe Studienbüros bezeichnen. Sparen ist bestimmt wichtig; man muss aber darauf achten, dass der Patient nicht an den Folgen der Therapie stirbt.
In La Libre Belgique erteilt MR-Chef Charles Michel solchen Überlegungen aber noch einmal eine klare Absage. Wir können nicht weiterhin unseren überteuerten Lebensstil und damit Schulden auf die kommenden Generationen abladen.
De Standaard geht in dieselbe Richtung. Jetzt haben also auch Wirtschaftsfachleute in den Sirenengesang der PS eingestimmt. In der griechischen Sage sind es ebensolche Sirenen, die die Schiffe auf Riffe locken. Um im Bild zu bleiben: Jetzt brauchen wir einen Orpheus, dessen Stimme Sirenen übertönen kann. Dieser Orpheus, das muss Koen Geens sein, der neue Finanzminister. Denn eins muss klar sein: Belgien ist mit seiner gigantischen Staatsschuld nicht in der Position, um vom Sparkurs abzurücken. Es ist dieses Lied, das Koen Geens jetzt einstudieren muss.
Technokrat, kein Händeschütteln
"Herzlich Willkommen, Herr Geens, in drei Tagen verhandeln Sie über den Haushalt", fasst L’Avenir zusammen.
Für L’Echo bringt der neue Finanzminister aber durchaus die Voraussetzungen mit. Geens war bislang ein Schattenmann, der aber zugleich innerhalb der CD&V als graue Eminenz galt. Der Mann verfügt über ein beeindruckendes Adressbuch. Ein Politiker im eigentlichen Sinne ist er aber nicht. Koen Geens ist nicht das politische Großmaul, das auf der Dorfkirmes oder auf Schützenfesten Hände schüttelt.
Koen Geens ist ein reiner Technokrat, bemerkt auch Gazet van Antwerpen in ihrem Leitartikel. Er kommt von außerhalb des Parlaments. Das ist grundsätzlich kein Problem, wobei man sich die Frage stellen muss, ob diese Wahl nicht der Beweis ist für die Blutarmut in der CD&V-Kammerfraktion.
Koen Geens ist fraglos ein Finanzfachmann, stellt auch Het Laatste Nieuws fest. Das ist aber nur die halbe Miete. Er ist nicht der erste Technokrat an der Spitze des Finanzministeriums. Und eine ganze Reihe dieser Leute ist kläglich gescheitert. Geens fehlt es an politischer Erfahrung. Schon in wenigen Tagen steht mit der Haushaltskontrolle seine Bewährungsprobe an.
Rechtsruck in der CD&V?
Mit dem Rücktritt von Vanackere verliert die christliche Arbeiterbewegung im Übrigen ihre Antenne in der Regierung. Das jüngste Stühlerücken bei der CD&V trägt die Handschrift des flämischen Ministerpräsidenten Kris Peeters, analysiert L’Avenir. Kris Peeters bringt sich mit Blick auf das Superwahljahr 2014 in Stellung, und gleichzeitig seine Partei auf einen Mitte-Rechts-Kurs. Den Rang des CD&V-Vizepremiers übernimmt ja jetzt Verteidigungsminister Pieter De Crem. Der steht für einen stramm rechten Kurs, was dem Gewerkschaftsflügel der Christdemokraten Sorgen bereitet. In Het Laatste Nieuws stellt De Crem aber klar: Er sei besser als sein Ruf. "Sie können mich aber gerne weiter Crembo nennen".
De Wevers PR-Offensive
Die Beobachter in der Presse sind sich einig: Kris Peeters hat im Zuge der Vanackere-Affäre der CD&V seinen Stempel aufgedrückt. Er positioniert sich damit schon als der kommende Spitzenkandidat. Sein Hauptkonkurrent ist natürlich Bart De Wever. Und der hat am Mittwoch eine Kommunikationsoffensive in Richtung der Frankophonen gestartet. De Wever stellte in einem bekannten Unternehmerclub sein neues Buch vor. Dabei bemühte er sich, die Ecken abzurunden.
De Wever ist äußerst geschickt, attestiert ihm Le Soir in seinem Leitartikel. Der N-VA-Chef wusste auch die frankophonen Unternehmer für sich zu gewinnen. Allerdings: Kein Wort etwa über Separatismus. Wenn De Wever von Konföderalimus redet, dann bleibt er äußerst vage. Zudem ist seine Argumentation mit Zahlen gespickt, die mitunter einfach nicht stimmen. Vor allem wegen der Dinge, die De Wever nicht sagt, bleiben viele Fragezeichen.
De Wever hatte am Mittwoch unter anderem die frankophonen Liberalen, MR, als seine privilegierten Partner bezeichnet. MR-Chef Charles Michel scheinen diese Avancen in La Libre Belgique aber fast schon unangenehm zu sein. Die Interviews mit De Wever seien durchtränkt von dessen Arroganz und Geringschätzung. Das Projekt von Bart De Wever sei ein Projekt der Zerstörung. Mit Nationalismus wolle die MR nichts zu tun haben, so Michel in La Libre.
Von Wetterhähnen
Bart De Wever und Kris Peeters haben sich indes in den letzten Tagen einen ersten wirklichen Schlagabtausch geliefert. Het Nieuwsblad spricht von einem Hahnenkampf. Das passt zu einem Photo, das heute in vielen Zeitungen abgedruckt ist: De Wever wird gezeigt, wie er einen Wetterhahn auf die Kirche von Berchem platziert. Peeters bezeichnet De Wever denn auch als Wetterhahn, De Wever wirft Peeters Volksverdummung vor.
Na das kann ja heiter werden, meint Het Nieuwsblad in seinem Leitartikel. Der Wahlkampf beginnt ein ganzes Jahr zu früh. In diesem Land herrscht im Grunde Dauer-Wahlkampf. Das führt dazu, dass die Parteien im Grunde gar keine Möglichkeit mehr haben, Politik zu machen, und damit ihre Wahlversprechen einzulösen.
Am Ende geht es nur noch um Versprechen, nicht mehr um ihre Umsetzung. Wie lange wollen wir uns eigentlich noch diesen Zirkus antun?
Bild: Laurie Dieffembacq (belga)