“Abgang ohne eine einzige Antwort", titelt De Morgen. “N-VA entlässt Steven Vanackere“, schreibt Le Soir, und Het Laatste Nieuws wählt die Schlagzeile: “Peeters greift nach der Macht“. Die Zeitungen bewerten den Rücktritt des föderalen Finanzministers Steven Vanackere unterschiedlich.
Der Politiker von den flämischen Christdemokraten hatte gestern sein Amt niedergelegt. Ihm wird vorgeworfen, von angeblich illegalen Finanzgeschäften zwischen der christlichen Dachorganisation ACW und der Dexia-Nachfolgebank Belfius gewusst zu haben. Die Vorwürfe hatte die nationalistische N-VA geäußert.
K.-o.-Sieg für die N-VA
Le Soir kommentiert: Sieg für die N-VA. Aber der Sieg für N-VA-Chef Bart De Wever war auch leicht. Es war ein strategischer Fehler der flämischen Christdemokraten, den eher schwachen Steven Vanackere als starken Mann in der Föderalregierung zu positionieren. Ihn zu Fall zu bringen war kein Kunststück, meint Le Soir.
La Dernière Heure geht weniger hart ins Gericht mit dem Ex-Finanzminister, schreibt aber auch: K.-o.-Sieg für die N-VA. Steven Vanackere liegt am Boden, der linke Flügel der CD&V ist geschwächt und die Christdemokraten suchen verzweifelt neues Führungspersonal. Der Sieg der N-VA ist vernichtend, meint La Dernière Heure.
Die Wirtschaftszeitung L’Echo macht sich nähere Gedanken zu genau diesem Führungspersonal der flämischen Christdemokraten: Was für Sensibelchen, diese Minister der CD&V! Zwar verdient Vanackere Respekt, wenn er zugibt, dass er dem Druck entfliehen möchte, der jetzt auf ihn gemacht wurde. Doch ein Politiker muss andere Eigenschaften haben. Ein Politiker muss Schläge einstecken können, muss standhaft bleiben und selbst zurückschlagen. Doch die Generation von Vanackere, die im Schatten eines gewissen Jean-Luc Dehaene groß geworden ist, scheint dieses Rückgrat nicht zu haben, vermutet L’Echo.
Rücktritt Vanackere: Misstrauen geweckt
Auch La Libre Belgique kommentiert: Die Entscheidung, zurückzutreten, verdient Respekt. Aber sie ist auch ungeschickt. Denn indem Vanackere flüchtet, erweckt er den Anschein, dass doch etwas faul sei. Was allerdings gar nicht bewiesen ist. Indem er jetzt durch den Hinterausgang abzieht, schenkt er der N-VA seinen Skalp. Ein unerwartetes Geschenk ein Jahr vor den Wahlen, findet La Libre Belgique.
Das Grenz-Echo schreibt dazu: Vanackeres Darstellung, er habe seinen Entschluss aus freien Stücken und ungeachtet der Rückendeckung seiner Partei getroffen, darf bezweifelt werden. In Wirklichkeit war Vanackere für die CD&V, die 2014 den Siegeszug der N-VA stoppen möchte, zum Problemfall geworden. Zumal die Tragweite dessen, was jetzt als ACW-Belfius-Affäre gilt, noch nicht abzusehen ist, so das GrenzEcho.
Genau das ist auch der Tenor der flämischen Kommentatoren. Sie sehen in dem Rücktritt von Vanackere eine Entscheidung des Parteichefs und Ministerpräsidenten von Flandern, Kris Peeters. Mit Vanackere habe Peeters den linken Flügel der Partei fallen gelassen und sich klar rechts positioniert. Het Nieuwsblad spricht von einem “Putsch“, De Standaard von Vanackere als “Opfer auf dem Alter der Pflicht“.
De Morgen führt aus: Peeters legt langsam die Karten auf den Tisch. Der Showdown für die Wahlen 2014 hat begonnen. Die CD&V stellt sich rechts auf. Die Ernennung seines ehemaligen Kabinettchefs Koen Geens zum neuen föderalen Finanzminister ist dafür ein deutliches Zeichen. Peeters strebt eine föderale Koalition an - ohne die Sozialisten, wertet De Morgen.
Polit-Fußball
Het Laatste Nieuws verbindet diese politische Strategie mit der Nachricht, dass der bekannte flämische Sportreporter Rik De Saedeleer gestorben ist. Die Nachricht von dem Tod des “größten Fußballfans aller Zeiten“, wie das Blatt ihn nennt, bewegt alle flämischen Zeitungen. Het Laatste Nieuws macht sich in ihrem Kommentar Gedanken, wie De Saedeleer wohl das politische Geschehen rund um Vanackere kommentiert hätte: Linksaußen Steven Vanackere verlässt das Feld, körperlich und mental am Ende. Die Kapitänsbinde gibt er an Rechtsaußen, Pieter De Crem ab. Ins zentrale Mittelfeld kommt Koen Geens, der Typ von Spieler, der im Fußballjargon als verlängerter Arm des Trainers auf dem Platz gilt.
Beim Fußball bleibt auch La Dernière Heure und vermeldet auf Seite eins: "Die Clubs der ersten Liga sind mit 185 Millionen Euro verschuldet." Was sich zunächst viel anhört, wird im Innenteil relativiert. Denn im europäischen Vergleich liegt Belgiens D1 damit gut. Die deutsche Bundesliga zum Beispiel hat Schulden von 620 Millionen Euro, und die Clubs der ersten spanischen Liga stehen als Europas Spitzenreiter mit 3,5 Milliarden Euro in der Kreide.
De Wevers Vision
La Libre Belgique hat ein Exklusivinterview mit N-VA-Chef Bart De Wever geführt. Der Bürgermeister von Antwerpen spricht darin über seine Vision von Belgien nach den Wahlen 2014, die er natürlich glaubt, zu gewinnen. Demnach müsse das politische System nach den Wahlen komplett neu organisiert werden. "Die föderale Ebene wird früher oder später eine leere Hülle sein", so De Wever gegenüber La Libre Belgique.
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