Großanleger verscherbeln Aktien
„Börsen weiter im Sinkflug. Wie sicher ist das Geld der Kunden?“, fragt das Grenz-Echo. Die Wirtschaftszeitung De Tijd notiert: schlechteste Börsenwoche seit Menschengedenken. Großanleger verscherbeln in ihrer weltweiten Suche nach Bargeld Aktien und Obligationen. Der Brüsseler Börsenindex verlor seit Jahresanfang 47% seines Wertes. Für die Brüsseler Börse wird es das schlechteste Jahr seit ihrem 175-jährigen Bestehen werden.
„Börsencrash in Brüssel“, titelt L'Echo. Die Brüsseler Börse schneidet von allen europäischen Börsen am schlechtesten ab. Europa will jetzt einen gemeinsamen Aktionsplan erarbeiten.
La Libre Belgique widmet der Krise, wie verschiedene andere Zeitungen auch, mehrere Sonderseiten und sprach ausführlich mit Elio Di Rupo, der mit folgendem Satz zitiert wird: "Das liberale System bricht momentan zusammen".
Le Soir bringt als wichtigste Schlagzeile „Der Staat wird die Kleinaktionäre von Fortis retten“. Der Kursverfall der Fortisaktie betrifft einen Großteil der Bevölkerung, die auf die Solidität dieser Bank vertraut hatte. Die Betroffenen sollen aber jetzt teilweise entschädigt werden, hat die Föderalregierung beschlossen, so Le Soir.
Champagner „à volonté“ bei Fortis Versicherungen
Het Laatste Nieuws bringt als wichtigste Meldung: Leterme findet Fortis-Party unpassend. Der Premierminister kritisierte, dass Fortis Versicherungen gestern in Monaco ein Luxusfest im teuersten Hotel organisierte, während Fortis zur Zeit in der schlimmsten Krise seiner Geschichte steckt. Das Fest soll 50.000 Euro gekostet haben, schreibt die Zeitung.
De Morgen weiß: Genau wie Fortis spült Dexia seinen Kater in Monaco runter. Auch diese Bank mietete das schickste Hotel in Monaco und spendierte Champagner “à volonté“. Die Zeitung erinnert daran, dass eine Übernachtung im besagten Hotel „de Paris“ 1500 Euro kostet.
Bald Einbruchserie?
Gazet van Antwerpen und Het Belang van Limburg berichten auf Seite 1 über eine Randerscheinung der aktuellen Krise. „Polizei warnt vor Einbruchserie“, so die Schlagzeile. Auf Grund der Krise haben viele ältere Menschen das Vertrauen zu ihrer Bank verloren. Die Polizei befürchtet, dass viele ihr Bargeld wieder zu Hause verstecken, aber das wissen auch die Einbrecher.
La Derniere Heure berichtet über den obdachlosen Millionär, der sein ganzes Vermögen an der Börse verloren hat. Vor einigen Jahren hatte der Betroffene Marc Lecocq völlig unerwartet von seinem Vater 350.000 Euro geerbt. Der Mann lebte bis dann als Clochard in der Brüsseler Metro. Jetzt hat er sein ganzes Vermögen verloren und muss wieder betteln gehen, schreibt La Derniere Heure.
Die Kommentare
Auch die Leitartikler befassen sich mit der Bankenkrise. De Tijd findet, die angekündigte Entschädigung für die Fortis Kleinanleger müsse eine Ausnahmeregelung bleiben. Schließlich wisse jeder, dass der Aktienkauf große Risiken beinhalte. Sowieso werden die Fortis-Aktionäre nur einen Bruchteil ihres Verlustes zurück erhalten, so De Tijd.
Gestern haben die Anleger wieder massiv kapituliert, kommentiert De Morgen. Nicht nur an den Börsen auch in der realen Wirtschaft ist das Vertrauen verschwunden. Das Schlimmste muss noch kommen. In den nächsten Monaten ist mit Massenentlassungen zu rechnen.
Di Rupo: „Liberales System gescheitert“
Unser Bankensystem wackelt und die Volkswirtschaften balancieren am Rande der Rezession, meint Gazet van Antwerpen. Die Krise trifft jeden.
La Libre Belgique kommentiert: Die Politiker, die bis gestern behaupteten, der freie Markt reguliere sich selbst, tun heute genau das Gegenteil von dem, was sie gestern noch glaubten. Schlimm ist, dass jetzt jedes Land alleine einen Ausweg aus der Krise sucht. Europa steht vor einer großen Herausforderung. Fest steht, dass wieder neue Regulierungsmechanismen für die Wirtschafts- und Finanzwelt gefunden werden müssen.
L'Echo meint, an den Börsen breitet sich jetzt eine irrationelle Depression aus. Es bleibt zu hoffen, dass die zuständigen internationalen Gremien der Finanzwelt jetzt eine Rosskur verabreichen. Es ist doch völlig unlogisch, dass z.B. Carrefour an der Börse weniger wert ist als die Immobilien der Gruppe.
Le Soir kommentiert, in den vergangen Monaten fürchteten die Belgier ihr Land zu verlieren, verloren haben sie aber zwei Großbanken und ihr Erspartes. Deshalb muss die Regierung alles tun, um den Kleinaktionären von Fortis wieder neues Vertrauen zu schenken. Diese Bank hat nämlich ihr Vertrauen missbraucht.
Politbarometer
Und zum Schluss noch ein Blick in De Standaard. Die Zeitung veröffentlicht heute ihr Politbarometer. Demnach werden die Rechtspopulisten der Liste De Decker drittstärkste Partei in Flandern nach der CD&V und Open VLD. Vor allem Vlaams Belang und die SP.A verlieren Wähler. Nur noch 27% der Flamen schenken der Föderalregierung ihr Vertrauen. Guy Verhofstadt und Kris Peeters sind beliebter als Yves Leterme. Im Kommentar meint die Zeitung, in Flandern gibt es inzwischen nur noch fünf mittelgroße Parteien und zwei kleine. Regieren wird unter diesen Umständen immer schwieriger.