Die Themen im Einzelnen
"Vor allen Augen", so die Schlagzeile von De Standaard. "Das Böse sieht ganz normal aus", titelt Het Laatste Nieuws. "De Gelder posiert vor den Kameras", schreibt Het Nieuwsblad auf Seite eins. Auf vielen Titelseiten prangt heute das Foto des Serienmörders Kim De Gelder. De Gelder muss sich derzeit vor dem Schwurgericht von Gent verantworten. Bislang wollte er nicht gefilmt werden, bis er gestern dann doch Bilder zuließ.
"Er scheint es zu genießen", meint Het Nieuwsblad. In ihrer Berichterstattung über den Prozesstag vom Montag zitieren viele Blätter vor allem einen Satz der angehörten Gerichtsmediziner: "Es hätte zehn Tode mehr geben können". Dass die Bilanz in der Kinderkrippe von Dendermonde nicht noch viel tragischer ausgefallen ist, grenze an ein Wunder.
Ist die Deckelung von Managerbezügen populistisch?
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch heute mit den verschiedenen Initiativen zur Deckelung von Managergehältern. In der Schweiz haben die Bürger am Wochenende einem entsprechenden Vorschlag zugestimmt. Damit ist die Diskussion auch in Belgien neu entfacht. PS und Ecolo haben die Regierung aufgerufen, Obergrenzen für die Entlohnung der Topmanager von börsennotierten Unternehmen festzulegen.
Wie L'Echo auf seiner Titelseite berichtet, will jedenfalls der PS-Minister für Staatsbetriebe, Jean-Pascal Labille, schon einmal bei den staatseigenen Unternehmen anfangen. "Ist das alles populistisch?", fragt sich Le Soir. Diesen Vorwurf jedenfalls bekommt jeder quasi postwendend an den Kopf geworfen, der über eine Deckelung von Bonuszahlungen, Abschiedsprämien und dergleichen nachdenkt. Mit Populismus hat das aber nichts zu tun. Inzwischen ist erwiesen, dass gerade das Bonussystem die Manager dazu verleitet hat, unkalkulierbare Risiken einzugehen. Zudem darf die Gehaltsschere zwischen den Firmenverantwortlichen und dem Personal nicht zu groß werden; anderenfalls droht eine soziale Explosion. Auch in einer Marktwirtschaft bedarf es einer Regulierung.
"Keine Neid-Gesellschaft"
Man muss definitiv kein Kommunist und auch kein frankophoner Sozialist sein, um die astronomischen Managergehälter an den Pranger zu stellen, meint auch Gazet Van Antwerpen. Der große Boss des Bierbrauers AB InBev verdient 4.500-mal mehr als ein Durchschnittsmitarbeiter. Das ist nicht zu vermitteln. Wünschenswert wäre eine gesetzliche Norm, um die Spanne zwischen dem höchsten und dem niedrigsten Lohn innerhalb eines Unternehmens zu begrenzen. Allerdings muss man sich dann auch mal die Frage stellen, ob ein Fußballprofi 250.000 Euro in der Woche verdienen muss.
Het Belang Van Limburg stimmt das Ganze nachdenklich: Es besteht die Gefahr, dass wir am Ende in einer Neid-Gesellschaft aufwachen, in der man dem anderen nicht gönnt, was man selbst nicht erreichen kann. Grundprinzip muss bleiben, dass diejenigen, die härter arbeiten und erfolgreicher sind, auch besser bezahlt werden. Aber zugegeben: Zu viel ist zu viel.
L'Echo kann nur feststellen, dass es jetzt doch andere den Belgiern vormachen. Belgien hatte ursprünglich am lautesten gegen die astronomischen Gehälter insbesondere bei Staatsbetrieben gewettert. Danach allerdings kam nicht mehr viel. Erst unter dem Eindruck der Entscheidung in der Schweiz unternimmt Minister Labille wieder einen Vorstoß, um die Bezüge der Bosse von SNCB, bpost oder Belgacom zu senken.
Haushalt - PS isoliert
Innerhalb der Föderalregierung steigt derweil die Spannung vor der anstehenden Haushaltskontrolle. Laut Schätzungen müssen rund 2,5 Milliarden Euro zusätzlich gefunden werden, um auf EU-Kurs zu bleiben. Die frankophonen Sozialisten PS erscheinen in diesen Tagen zunehmend isoliert, analysiert De Morgen. Die PS betet bekannte rote Klassiker herunter: Lockerung des Sparkurses, Reichensteuer, Minimalabgaben für Unternehmen. Und damit stehen die Sozialisten ziemlich alleine da.
"Die PS steht unter Druck", stellt auch Le Soir fest. Das Blatt hat bei der Sitzung des Parteivorstandes den Puls führender PS-Politiker gefühlt. Der allgemeine Tenor: "Warum sehen die rechten Parteien nicht ein, dass es so nicht weitergehen kann?" Zugleich warnt aber unter anderem DG-Ministerpräsident Karl-Heinz Lambertz davor, in Linkspopulismus abzugleiten. Die Haushaltskontrolle dürfte auf jeden Fall ein Kraftakt werden, sind sich Beobachter einig. Wir haben wohl eher noch einen neuen Papst als ein Budget, orakelt Vizepremier Vande Lanotte in Het Laatste Nieuws.
Die Gleichung ist quasi nicht zu lösen, meint Het Laatste Nieuws in seinem Leitartikel. Selbst angesehene Uni-Professoren wie Paul De Grauwe - übrigens ein Liberaler - warnen davor, sich kaputt zu sparen. Andererseits können wir unsere Schulden nicht länger auf die Schultern der kommenden Generationen laden. Und bislang muss man doch zugeben: Im Vergleich zu Griechenland oder Portugal haben wir in Belgien noch nicht sonderlich unter dem Sparkurs gelitten.
Vanackere weiter unter Druck
Vizepremier und Finanzminister Steven Vanackere steht wegen seiner Rolle im Zusammenhang mit einem Geschäft zwischen der christlichen Arbeiterbewegung ACW und der staatseigenen Belfius Bank weiter in der Diskussion. "Die Kommunikation von Vanackere lässt zu wünschen übrig", titelt Het Nieuwsblad. Das jedenfalls sei die Meinung der CD&V-Kollegen. De Morgen sind ähnliche Töne zu Ohren gekommen: "Kris Peeters hat die Nase voll", titelt das Blatt. Die Nase voll nicht nur von Vanackeres lückenhafter Informationspolitik, sondern auch von der ACW insgesamt: "Es kann nicht mehr so weitergehen, dass alle drei Tage neue Missstände ans Licht kommen und die ACW uns alle in Misskredit bringt", wird ein anderer, ungenannter CD&V-Spitzenpolitiker zitiert.
Kommentierend meint Het Nieuwsblad dazu: Steven Vanackere entwickelt sich zum Problem, nicht nur für die eigene Partei, sondern für die Koalition insgesamt. Er verhält sich in gewisser Weise schizophren: Auf der einen Seite gibt er den Macher, auf der anderen wurde er offenbar über wichtige Entwicklungen nicht in Kenntnis gesetzt. Frei nach dem Motto: "Mein Name ist Hase, ich weiß von nichts". Doch sollte Vanackere schnellstens einsehen, dass es so nicht weitergehen kann.
Schlechte Neuigkeit auf Seite eins von Le Soir: "Strom wird zum dritten Mal hintereinander teurer", schreibt das Blatt. Zum dritten Mal innerhalb von nur sechs Monaten werden die Transportgebühren erhöht. Verantwortlich dafür ist Elia, der Betreiber der Hochspannungsnetze. Elia begründet seine Entscheidung mit den Kosten, die durch den Boom der erneuerbaren Energien entstanden sind.
Eine angekündigte Tragödie?
Viele Zeitungen beschäftigen sich auch mit dem Familiendrama in Rocourt bei Lüttich, wo eine Mutter ihre beiden erwachsenen Kinder getötet hat. Beide Kinder waren schwer behindert, und die Mutter war anscheinend am Ende ihrer Kräfte. "Das Drama einer Mutter, die mit ihren behinderten Kindern überfordert war", so die Schlagzeile von La Libre Belgique. Kommentierend meint das Blatt dazu: Das Drama ist erschütternd, zum Weinen. Nach den Tränen kommt aber gleich die Wut. Es ist bekannt, dass gerade für erwachsenen Menschen mit einer Behinderung die Auffangstrukturen fehlen. Die Schuld für die Tragödie in Rocourt liegt eindeutig bei den Behörden.
Ähnlich sieht das L'Avenir. Die Eltern von schwer behinderten Kindern stoßen auf Dauer an mentale und physische Grenzen. Tatsächlich gibt es oft nicht genug Auffangstrukturen. Das ist aber nicht alles. In dieser Gesellschaft fehlt es auch an Menschlichkeit, menschlicher Wärme. Und darunter leiden Menschen, die ohnehin schon mit ihren Kräften am Ende sind, umso mehr, schreibt L'Avenir.
rop - Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)