Für die meisten Tageszeitungen steckt die CD&V nach dem Rückzug ihres kleinen Kartellpartners in der Klemme.
Vers l'Avenir erklärt: Die N-VA unterstützt nicht mehr die Föderalregierung. Ihre Partner in der flämischen Exekutive wollen sie nicht mehr in der Koalition behalten. Doch die CD&V will das Kartell retten. Die Schizophrenie der flämischen Christdemokraten ist für ihre Führer offensichtlich kein Problem.
De Morgen schreibt auf seiner Titelseite: Es ist unvorstellbar und noch nie da gewesen: die CD&V beschließt, keine Entscheidung zu treffen, und Verhandlungen in einer Regierung zu führen, in der der eigene Kartellpartner den Dialog ablehnt. Entweder die CD&V unterstützt die N-VA und zerstört damit die flämische und die föderale Regierung oder sie entscheidet sich für die Exekutiven und löst damit das Kartell auf.
La Libre Belgique bemerkt: Wenn die CD&V genauso radikal ist wie die N-VA, ist die Situation aussichtslos. Die CD&V muss sich zwischen einer verantwortungsvollen Verwaltung des Landes und dem selbstmörderischen Abenteuer einiger radikaler Flamen entscheiden, die den belgischen Staat zerstören wollen. Einen Staat reformieren bedeutet nicht, ihn zu spalten.
La Dernière Heure warnt vor der wirtschaftlichen Entwicklung. Belgien kann es sich unter diesen Bedingungen nicht erlauben, untätig zu bleiben. Premier Leterme muss endlich Mut zeigen. Sein Kartell mit der N-VA trug schon im Keim das Scheitern vom vergangenen Wochenende in sich. Jetzt muss er nicht nur eine neue föderale Krise meistern, sondern er steht auch noch vor einem allgemeinen Aufstand in Flandern.
De Standaard fügt hinzu: Der Kaiser Leterme trägt keine Kleider. Es gibt noch keinen zwischengemeinschaftlichen Dialog, keine flämische Mehrheit mehr im föderalen Parlament, aber einen Bruch des Kartells und eine wachsende Kluft in der flämischen Regierung. Jeder normale Regierungsführer hätte mit einem solchen Resultat nur eine Wahl: sich zum Staatsoberhaupt begeben und den Rücktritt seiner Regierung anbieten.
Het Nieuwsblad behauptet: Diese festgefahrene Situation kann nicht wieder in Ordnung gebracht werden. Entweder man organisiert vorgezogene Neuwahlen und man überlässt die wichtigen Probleme einer Regierung, die nur noch die Amtsgeschäfte führt, oder Leterme macht weiter und ist noch machtloser als zuvor. Die Bürger warten unterdessen auf eine Lösung der sozialwirtschaftlichen Probleme und die notwendige Staatsreform.
Kommen vorgezogene Neuwahlen?
Gazet van Antwerpen behauptet: Die schlimmste Möglichkeit, nämlich der Sturz der Leterme-Regierung und vorgezogene Neuwahlen, ist immer näher gerückt. Das Land kann keine Krise brauchen. Die Regierung muss dringend sozial-wirtschaftliche Maßnahmen treffen, den Haushalt ins Gleichgewicht bringen und eine Asylpolitik entwerfen. Doch unter den heutigen Umständen ist nichts mehr möglich.
Le Soir gibt zu bedenken: Neuwahlen wären unverantwortlich. Dem Land steht eine Rezession bevor und am 6. Oktober ein Generalstreik. Neuwahlen wären zum jetzigen Zeitpunkt auch unangebracht, weil die beiden großen Gemeinschaften sich inzwischen darauf geeinigt haben, einen Dialog über eine große Staatsreform zu führen.
Het Belang van Limburg glaubt nicht, dass die frankophonen Parteien einer parlamentarischen Behandlung der Spaltung des Wahlbezirks Brüssel-Halle-Vilvoorde zustimmen werden. Das bedeutet nämlich die Spaltung des Wahlbezirks durch eine einfache Abstimmung der flämischen Mehrheit gegen die frankophone Minderheit. Vor allem die MR, die die FDF braucht, um größer als die PS zu sein, wird das nicht zulassen. Denn die FDF will keine Spaltung von Brüssel-Halle-Vilvoorde. Höchstwahrscheinlich steht dem Land eine Regierungskrise bevor, die darauf hinausläuft, dass eine Übergangsregierung das Land bis zu den Wahlen im Juni verwaltet.