Viele Zeitungen blicken auch auf den Prozess gegen den Mörder von Joe Vanholsbeek, der heute beginnt.
PS laut Umfrage stärkste Kraft in der Wallonie
Die Brüsseler Tageszeitung Le Soir veröffentlicht heute die Ergebnisse einer neuen Meinungsumfrage, neun Monate vor der Regional- und Gemeinschaftswahl. Demnach ist die PS in der Wallonie trotz Verlusten stärkste Kraft. Die Liberale MR verliert fast 7%. Gewinner sind cdH und Ecolo. Kommentierend meint das Blatt dazu, MR-Chef Didier Reynders muss nun schnell seine Parteifreunde davon überzeugen, dass er nach wie vor der richtige Mann ist. In einem Monat stellt er sich erneut zur Wahl zum Parteivorsitzenden. Seine Strategie der Arroganz scheint keine Früchte zu tragen. Im Augenblick sieht es so aus, als habe Reynders alles verloren. Tatsächlich ist sein Lieblingsfeind, die PS, nach wie vor stärkste Kraft in der Wallonie. Doch müssen die Sozialisten ebenfalls Verluste hinnehmen, eine Erniedrigung für den ohnehin angeschlagenen PS-Chef Elio Di Rupo.
Wirbel um Polizeispitze setzt auch Innenminister unter Druck
Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit dem skandalumwitterten obersten Polizeichef Fernand Koekelberg. Der soll ja unter anderem zwei seiner Sekretärinnen in Top-Positionen befördert haben. Das Aufsichtsgremium der Polizei, das Komitee P, wird heute dem Parlament die entsprechenden Berichte vorlegen. Darin wird auch eine weitere Beförderung beanstandet: eine ehemalige Mitarbeiterin im Kabinett des Innenministers Patrick Dewael soll unberechtigt einen hohen Posten in einem Aufsichtsgremium der Polizei erhalten haben. Patrick Dewael gerät durch die Polizeiaffären in Bedrängnis, titelt denn auch De Standaard. Die Frage ist, in wieweit Dewael selbst von den Schummeleien Kenntnis hatte.
Wenn er davon wusste, dann muss er zurücktreten, meint in diesem Zusammenhang Het Belang van Limburg in seinem Kommentar. Doch selbst, wenn Dewael nicht über die Machenschaften in seinem Kabinett informiert war, ist das problematisch.
Die Regierung sucht nach einer eleganten Hintertür für Polizeichef Koekelberg, titelt seinerseits De Morgen. Das Problem: Koekelberg denkt gar nicht daran, seinen Stuhl zu räumen. Und er wird darin insbesondere von der PS unterstützt. Das zeigt einmal mehr, wie sehr die Regierung Leteme 1 einer Schlangengrube gleicht.
Andere Zeitungen sind da nuancierter. Fernand Koekelberg habe sich nichts zu schulden kommen lassen, meint etwa Het Laatste Nieuws. Das Problem ist allerdings, dass er sich und damit die gesamte Polizei in einen politischen Sturm manövriert hat. In jedem Fall hat er jetzt ein Glaubwürdigkeitsproblem.
La Libre Belgique will ihrerseits eine Kampagne gegen Koekelberg nicht ausschließen. Vielleicht soll damit ja nur der einzige Frankophone an der Spitze der Föderalen Polizei abgeschossen werden. Vielleicht ist das eigentliche Ziel aber auch der Innenminister. Doch gleich welche dieser Hypothesen stimmt: Hier muss schnell Klarheit geschaffen werden, im Sinne der Demokratie.
Eine zusätzliche Herausforderung für Regierung Leterme
Das Ganze wirft in jedem Fall ein schlechtes Licht auf den Start ins neue politische Jahr, meinen Gazet van Antwerpen und De Standaard. Yves Leterme hat sich ja gerade erst zurückgemeldet. Als hätte die Regierung Probleme nicht schon genug, kommt nun noch der Wirbel um die Polizeispitze hinzu.
Nach Fernsehinterviews am Wochenende drucken heute auch viele Blätter Gespräche mit dem Regierungschef ab. Dabei verspricht Leterme, dass trotz schwächelnder Konjunktur die Kaufkraft der Bürger nicht angetastet wird, unterstreicht in diesem Zusammenhang La Derniere Heure. Steuererhöhungen etwa wird es nicht geben.
Minderjährige und blinde Gewalt
Viele flämische Zeitungen berichten heute auf ihrer Titelseite von einem Akt von blindem Vandalismus. In Essene in der Provinz Flämisch Brabant wurden 143 Gräber geschändet und verwüstet. Die Täter: drei Kinder im Alter von 7 bzw. 8 Jahren. Sie hätten sich gelangweilt, gaben die Kinder an. Dass die Täter blutjung sind, ist natürlich schockierend, meint Het Nieuwsblad kommentierend. Doch muss man sich auch in die Eltern versetzen. Dass ihre Kinder so etwas getan haben, muss für die Eltern geradezu unerträglich sein.
Gleiches gilt im übrigen auch für die Eltern der beiden zum Tatzeitpunkt 17-Jährigen, die vor 2½ Jahren im Brüsseler Hauptbahnhof Joe Vanholsbeek wegen eines MP3-Players ermordeten. Heute beginnt ja vor dem Brüsseler Schwurgericht der Prozess gegen den mutmaßlichen Haupttäter.
In diesem Zusammenhang meint Vers l'Avenir: die Angehörigen von Joe machen sich keine Illusionen. Sie kritisieren vor allem die Tatsache, dass der zweite Täter sich lediglich vor einem Jugendrichter verantworten musste.
Auch Le Soir kritisiert, dass die beiden jungen Täter nicht gleich behandelt worden sind. Während der eine nur bis Ende nächsten Jahres in einer geschlossenen Jugendhaftanstalt bleiben muss, drohen dem anderen jetzt bis zu 30 Jahre Haft. Das Verfahren, das heute beginnt, ist allenfalls ein halber Prozess.