"Ehrenrunde für Benedikt XVI. vor 150.000 Menschen", so die Schlagzeile von L'Echo. "Emotionaler Abschied des Papstes", titelt das Grenz-Echo. "Benedikt XVI. sagt 'Lebewohl'", schreibt Het Belang Van Limburg auf Seite eins. Heute Abend um 20 Uhr wird Benedikt XVI. nicht mehr Papst sein. Fast acht Jahre lang hat Kardinal Joseph Ratzinger auf dem Stuhl Petri gesessen. Sein Pontifikat war von einer Reihe von Krisen geprägt: die Missbrauchsaffären, der Vatileaks-Skandal, Berichte über undurchsichtige Geldströme.
Der Papst selbst sprach im Zusammenhang mit seiner Amtszeit von einer "aufgewühlten See".
"Schifflein Petri" braucht Bestandsaufnahme
"Doch das Schifflein Petri wird nicht untergehen", zeigt sich La Libre Belgique überzeugt. Ab morgen werden die Kardinäle die Weichen für die Zukunft stellen. Ziel dürfte es sein, so schnell wie möglich einen Nachfolger für Benedikt XVI. zu finden. Sie werden dabei eine Schnittmenge finden müssen zwischen einerseits dem Pontifikat von Benedikt XVI. und auf der anderen Seite dem Wunsch vieler Christen nach mehr Öffnung und Transparenz im Sinne des zweiten vatikanischen Konzils.
Auch L'Avenir bemüht das Bild des Schiffleins Petri. Die Barke ist schon kräftig beladen, meint das Blatt. An Bord sind alle Krisen, Probleme, Herausforderungen, denen sich die Kirche jetzt stellen muss. Selbst wenn sie sich zum Konklave zurückgezogen und von der Außenwelt isoliert haben, können die Kardinäle besagte Herausforderungen nicht einfach ausblenden. Sie sollten vielmehr in sich gehen, eine gnadenlose Bestandsaufnahme vornehmen und entsprechend ihre Wahl treffen.
Neuer Papst bringt keine Revolution
Die katholische Kirche braucht einen spirituellen Führer aber zugleich einen Krisenmanager, glaubt Het Nieuwsblad. Benedikt XVI. dürfte nämlich nicht umsonst zurückgetreten sein. Die genauen Gründe werden wohl für immer ein Geheimnis bleiben. Fakt ist aber wohl, dass der Papst den Problemen der Kirche nicht mehr Herr geworden ist. Vor diesem Hintergrund war es wohl die richtige Entscheidung, freiwillig vom Heiligen Stuhl Abstand zu nehmen. Und es war wohl auch seine mutigste Entscheidung.
Alle Hoffnungen ruhen jetzt auf den Nachfolger, der in den kommenden Tagen bestimmt werden wird, konstatiert La Dernière Heure. Doch sollte man nicht zu viel erwarten. Der neue Mann auf Petri Stuhl wird die Richtung nicht radikal verändern können. Zölibat, Verhütung, Abtreibung, die Haltung zur Homosexualität: Hier dürfte es keinen grundlegenden Wandel geben. Kein Papst kann all diese Grundsätze innerhalb eines Pontifikats in Frage stellen.
Teilnehmen am Konklave wird auch Kardinal Godfried Danneels, bevor er die Reise nach Rom antrat, gab er am Mittwoch eine Pressekonferenz: Es war "der erste öffentliche Auftritt nach zwei Jahren Funkstille", so die Schlagzeile von Het Nieuwsblad. Danneels hatte sich zurückgezogen, als der Missbrauchsskandal seinen Höhepunkt erreicht und die Justiz auch Ermittlungen gegen ihn selbst eingeleitet hat. Danneels wird ja vorgeworfen, systematisch weggeschaut und geschwiegen zu haben. "Ich bin mir keiner Schuld bewusst", zitiert ihn jetzt Het Laatste Nieuws.
"Jeder gegen jeden" in Antwerpen
Vor allem in Flandern sorgt der Skandal um den von Polizisten totgeprügelten Jonathan Jacob weiter für Schlagzeilen. "Prokurator Hermann Dams weiter unter Druck", titelt Gazet Van Antwerpen. "Dams ist nicht mehr zu halten", so die Schlagzeile von De Standaard. Gegen Prokurator des Königs Herman Dams wurde eine interne Ermittlung eingeleitet. Hintergrund ist der Tod von Jonathan Jacob in einer Polizeizelle in Mortsel. Dams hat immer behauptet, nicht direkt in die Angelegenheit eingeschaltet gewesen zu sein; jetzt stellte sich heraus: Er hatte wenige Stunden zuvor Kontakt mit den Verantwortlichen in Mortsel. Und weil er drei Jahre lang die Wahrheit verschwiegen hat, fordern inzwischen seine eigenen Kollegen, er möge sich bis auf weiteres zurückziehen.
Generalprokurator Yves Liégeois hat derweil eine Untersuchung gegen einen weiteren Staatsanwalt angeordnet. "Liégeois gegen den Rest der Welt", titelt denn auch De Morgen. Für das Blatt ist in der Staatsanwaltschaft Antwerpen inzwischen der "totale Krieg" ausgebrochen. Kommentierend meint das Blatt dazu: Die Ereignisse in Antwerpen erinnert fast schon an eine "Nacht der Langen Messer". Inzwischen könnte man meinen, dass jeder gegen jeden ermittelt. Die Frage ist, wie lange Justizministerin Turtelboom bei diesem Machtkampf noch tatenlos zusehen will.
"Straßenkämpfen in Toga"
Man muss den Eindruck haben, dass es bei der Antwerpener Justiz nicht mehr um die juristische Wahrheit geht, sondern nur noch um Egos, meint auch De Standaard. Die ganze Geschichte riecht nach persönlichen Abrechnungen. Man muss davon ausgehen, dass in all diesen internen Ermittlungen niemand mehr wirklich objektiv sein kann. Deshalb bedarf es einer externen Untersuchung. Entweder: Justizministerin Turtelboom kann, oder: Sie will das nicht anordnen.
Het Laatste Nieuws glaubt, dass der Ministerin die Hände gebunden sind. Turtelboom ist zum jetzigen Zeitpunkt in dieser Angelegenheit machtlos. Sie kann allenfalls versuchen, einen der Streithähne "befördern" zu lassen, und ihn damit dazu bewegen, Antwerpen zu verlassen. Die Magistrate von Antwerpen erinnern jedenfalls im Moment eher an Straßenkämpfe in Toga.
ACW sorgt weiter für Unruhe
Derweil köchelt in Flandern auch weiter die mutmaßliche Steuer- und Finanzaffäre um die christliche Arbeiterbewegung ACW. Neuester Vorwurf: Die ACW soll der staatseigenen Belfius-Bank Geld geliehen haben und zwar zu einem besonders vorteilhaften Zinssatz. Jetzt gerät auch Finanzminister Steven Vanackere unter Druck. Der soll davon gewusst und den Deal stillschweigend abgesegnet haben. Da wollte wohl einer schlauer sein, als der Rest der Welt, analysiert L'Echo. Wer hat hier falsch gespielt? Die Frage steht heute auch auf der Tagesordnung im Parlament.
Das Ganze belastet auch die Beziehungen unter den Koalitionspartnern, stellt Gazet Van Antwerpen fest. Auf dem Tisch der Regierung liegt eine ganze Reihe von explosiven Dossiers. Neben der ACW sind das vor allem der soziale Dialog und die Haushaltskontrolle. Es sind schwierige Wochen für die Regierung. Allerdings wenn sie all diese Klippen umschiffen kann, dann kann sie sich wirklich erhobenen Hauptes im kommenden Jahr dem Wähler stellen.
Neue "juristische Geographie"
"Die neue Geographie der Justiz ist fertig", titelt Le Soir. Justizministerin Turtelboom hat die Reform der Gerichtsbezirke abgeschlossen. Demnach soll die Zahl der Gerichtsbezirke reduziert werden, von den bislang 27 Bezirken sollen 12 übrig bleiben. Grundlage für die territoriale Neuordnung sind die zehn Provinzen. Ausnahmen sind die Bezirke Brüssel und Eupen, die ihre Eigenständigkeit behalten.
Der Ministerrat soll an diesem Freitag über die Reform entscheiden.
Archivbild: Filippo Monteforte (afp)