“Confusione!“ titelt heute Le Soir. Und übersetzt: Das Chaos! “Italien verhaspelt sich, Europa wird ungeduldig, schreibt La Libre Belgique auf Seite eins. Viele Zeitungen beschäftigen sich heute mit den Folgen der italienischen Parlamentswahl vom Wochenende. Es gibt ja keine klaren Mehrheitsverhältnisse; Italien ist quasi unregierbar. Hintergrund sind die spektakulären Wahlerfolge eines Totgesagten und eines Newcomers. Silvio Berlusconi hat sich auf beeindruckende Weise zurückgemeldet; der ehemalige Komiker Beppe Grillo hat ebenfalls ein unerwartet gutes Ergebnis eingefahren.
Italien: Confusione!
Das GrenzEcho veröffentlicht einen Gast-Kommentar des Chefredakteurs der Südtiroler Zeitung “Dolomiten“: Italien ist zur Lachnummer geworden, meint Dr. Toni Ebner. Jeder zweite Wähler hat seine Stimme entweder einem professionellen Komiker oder einem Polit-Komiker gegeben: Grillo und Berlusconi. Das italienische Theater wäre zum Lachen, wenn es nicht so schlimme Auswirkungen hätte; allen voran für die EU und den gesamten Binnenmarkt. Italien kann sich endgültig zum großen europäischen Sorgenkind entwickeln.
Es hat Zeiten gegeben, so analysiert hat Belang van Limburg, da konnte der Rest von Europa noch amüsiert auf das fast legendäre innenpolitische Dauerchaos in Italien blicken. Das geht heute nicht mehr. Die italienische Sackgasse ist auch unser Problem. Je länger Italien instabil und unregierbar ist, desto schlimmer die Folgen für die gesamte Eurozone. Die Erfolge von Berlusconi und Grillo sind auch eine Niederlage für Europa.
Die Clowns lachen, die EU weint. Europa ist die große Verliererin der italienischen Wahl, stellt auch La Dernière Heure fest. Doch sollte die EU das Zeichen aus Italien zur Kenntnis nehmen und sich einmal selbst in Frage stellen. Italien ist nur die Spitze des Eisbergs.
Le Soir sieht das ähnlich. Der europäische Traum ist im Begriff, in Scherben zu fliegen. Dabei ist die EU aber gut beraten, sich nicht ausschließlich als Opfer hinzustellen. Vielmehr sollte man sich fragen, ob der drastische Sparkurs, den insbesondere Deutschland den Partnern aufgezwungen hat, der richtige Weg war. Europa braucht frischen Wind. Denn: Gleich, was die Populisten glauben: In der Welt von morgen können die Europäer nur gemeinsam bestehen.
Populismus im Herzen Europas
Für L’Echo ist der Populismus im Herzen Europas angekommen. Bislang konnte man sich hinter der Feststellung verstecken, dass das Phänomen nur kleinere Länder, insbesondere im Osten Europas betraf. Inzwischen ist der Populismus aber längst kein punktuelles oder regionales Problem mehr. Vereinfachende Stammtischparolen und Anti-Establishment-Rhetorik tragen inzwischen auch in den Niederlanden, Belgien, Frankreich und Italien Früchte. Und in der Tat: Weil die Krise so vielschichtig ist - es ist nicht nur eine Wirtschaftskrise, sondern auch eine Krise der Werte, der Demokratie, der europäischen Idee - genau deswegen ist es schwer, populistische Kräfte aufzuhalten. Schwer, aber nicht unmöglich.
Antwerpener Justiz: Angekratztes Image
Die flämische Presse macht mit einer anderen Geschichte auf: "Krieg bei der Antwerpener Justiz eskaliert", titelt Gazet Van Antwerpen. "Prokurator im Auge des Zyklons", so die Schlagzeile von De Morgen. "Der Prokurator Dams wankt", schreibt De Standaard auf Seite eins. Hintergrund ist der Tod eines jungen Mannes, der in Mortsel in einer Polizeizelle von Beamten totgeprügelt wurde. Der Fall liegt schon drei Jahre zurück, kam aber erst vor einigen Tagen ans Licht.
Jetzt stellt sich heraus: an diesem schicksalhaften 6. Januar 2010 hatte der Antwerpener Prokurator des Königs, Herman Dams, Kontakt mit dem Polizeikommissariat von Mortsel. Was Dams den Polizeiverantwortlichen gesagt hat, ist nicht bekannt; jetzt soll aber unter anderem geprüft werden, ob der Prokurator die Anweisung gab, dem Mann eine “Lektion“ zu erteilen; die er dann nicht überlebte.
Über der Antwerpener Justiz ziehen dunkle Wolken auf, konstatiert Gazet van Antwerpen. Man kann leider nur feststellen: Vor einigen Jahren noch galt die Antwerpener Justiz als vorbildlich, ein Modell für andere Bezirke. Inzwischen ist das Image aber ziemlich angekratzt. Zunächst gab es Streit über das Vorgehen gegen Betrug im Diamantensektor. Und jetzt wirft der General-Prokurator seinem Untergebenen Fehlverhalten vor im Zusammenhang mit dem Tod von Jonathan Jacob in einer Polizeizelle. Da kann man nur hoffen, dass der eigentliche Vorfall nicht in den Hintergrund rückt: Ein totgeprügelter Häftling, das darf nicht mehr passieren.
“Krieg der Richter“
Hoffentlich müssen wir keine neue Episode in der “Guerre des Juges“, “im Krieg der Richter“ erleben, mahnt De Morgen. Bei der Antwerpener Justiz ist in jedem Fall ganz offensichtlich einiges schief gelaufen. Da muss man sich die Frage stellen, ob es wirklich eine gute Idee ist, dass Antwerpener Staatsanwälte prüfen, ob Antwerpener Staatsanwälte Fehler gemacht haben. Hier bedarf es einer externen Untersuchung. Jedenfalls gilt zu klären, ob der Tod von Jonathan Jacob ein einmaliger Betriebsunfall war, oder doch die Folge gestörter Prozeduren innerhalb der Antwerpener Justiz.
Für De Standaard tickt eine Bombe unter der Justiz. In einer Demokratie ist der Prokurator des Königs fast schon der mächtigste Mann. Er darf Gewaltanwendungen anordnen, Menschen einsperren lassen. Und von solchen Leuten darf der Bürger erwarten, dass sie absolut integer und ehrlich sind. Prokurator Dams hat offensichtlich nicht die ganze Wahrheit gesagt. Und er war möglicherweise nicht der Einzige, der geschwiegen hat. Allein der Verdacht rammt das Vertrauen in die Justiz in Grund und Boden. Wir haben jetzt das Recht auf die Wahrheit.
Albtraum für die flämischen Christdemokraten
"Risse in der Regierungsmehrheit in Sachen ACW", titelt Het Laatste Nieuws. Der ACW, also der christlichen Arbeiterbewegung, wird ja Steuerbetrug vorgeworfen. Die Liberalen haben es offensichtlich satt, jeden Tag neue Einzelheiten zu erfahren. Jetzt fordern MR und OpenVLD eine Erklärung vom CD&V-Finanzminister Steven Vanackere. Hintergrund ist eine mutmaßliche geheime Absprache zwischen der ACW und der inzwischen staatseigenen Belfius-Bank. Für den Leitartikler von Het Laatste Nieuws entwickelt sich die Geschichte für die CD&V zum Albtraum. Zugleich werden die Partner ungeduldig. Schlechte Vorzeichen für die anstehende Haushaltskontrolle.
Bild: Alberto Pizzoli (afp)