Proteste auf Baukränen
"Kranaktionen bluten aus", so die Balkenüberschrift in De Standaard. Das Besetzen von Kränen in Brüssel habe wie ein Magnet auf Dutzende illegale Einwanderer gewirkt, die ähnliche Aktionen planten. Gestern Abend jedoch habe ein Brüsseler Richter den Aktionen ein vorläufiges Ende bereitet. Bis heute morgen neun Uhr seien die Kräne an der Brüsseler Place de Brouckère durch die sie besetzenden Migranten zu räumen, so das Urteil des Friedensrichters, der in einem Eilverfahren vom betroffenen Bauunternehmer angerufen worden war.
Schon gestern Abend seien einige Menschen freiwillig von den Kränen geklettert. In den vergangenen Tagen seien zahlreiche illegal in Belgien verbliebene Personen in Brüssel zusammengekommen, um die Kranbesetzer zu unterstützen. Zwar verhindert die Polizei, dass auch sie die stählernen Kolosse erklimmen. Der wachsende Tatendrang dieser Migranten wird dadurch jedoch nicht geschmälert.
Kommentierend bemerkt De Standaard, dass die Kranbesetzer keine Sympathie verdienen. In einer Demokratie, in der eine Vielzahl akzeptierter Protestformen existiere, seien Erpressungsversuche, die Menschenleben in Gefahr bringen, abzulehnen. Gleichzeit müsse deutlich sein: Redliche Asylbewerber sind auch hierzulande willkommen. Pseudoasylanten müssen jedoch ebenso schnell wie effizient entlarvt und in ihre Heimat zurückgeschickt werden.
Auch De Morgen hat das Thema heute auf der Titelseite. Brüssels Bürgermeister Freddy Thielemans habe wegen der besetzten Baukräne seinen Urlaub unterbrochen, um die Entwicklung der Situation verfolgen zu können. Er hatte es bislang abgelehnt, die Polizei eingreifen und die Aktion der Kranbesetzer gewaltsam beenden zu lassen.
Derweil würden sich die Politiker im Land die Verantwortung und den Schwarzen Peter in dieser Angelegenheit gegenseitig zuschieben. Die für Einwanderungspolitik zuständige Ministerin Turtelboom will mit den illegalen Einwanderern auf den Kränen nicht verhandeln. Man lasse sich nicht erpressen, heißt es. Brüssels Arbeitsminister Benoît Cerexhe hatte unterdessen am Sonntag angekündigt, den Immigranten, die über eine Aufenthaltsgenehmigung verfügen, eine Arbeitserlaubnis auszustellen. Indes sind an mehreren anderen Orten in Brüssel weitere Kräne immer noch von Asylbewerbern besetzt.
Het Laatste Nieuws notiert zu diesem Thema auf der Titelseite, dass die Feuerwehr den illegalen Immigranten nach dem Richterspruch beim Verlassen der besetzten Kräne geholfen hat. Viele von ihnen, die seit Tagen im Hungerstreik waren, konnten ihre Position, die sie in luftiger Höhe eingenommen hatten, aus eigener Kraft nicht mehr verlassen. Mit einer großen Drehleiter holte die Brüsseler Feuerwehr schließlich die meisten der Kranbesetzer an der Place de Brouckère wieder auf sicheren Boden.
Auch La Libre Belgique berichtet ausführlich über das Schicksal der illegalen Einwanderer und ihre Kranaktion. Das Blatt kommentiert in diesem Zusammenhang die von der Regierung in diesem Bereich gemachten Fehler. Hierzu gehöre die Entscheidung, in die Ferien aufzubrechen, ohne das Problem der illegalen Einwanderung anzupacken und zu lösen. Aufschieben sei in diesem Bereich immer verkehrt, so die Zeitung.
Der Bericht der drei Vermittler
La Libre Belgique berichtet ebenfalls über die für morgen erwartete erste Bilanz der drei von König Albert berufenen Vermittler. Es sei höchst unwahrscheinlich, dass die Herren de Donnéa, Langendries und Lambertz es wagen würden, Entscheidungen für die eine oder andere Option zur Fortsetzung des zwischengemeinschaftlichen Dialogs zu treffen. Der morgen dem König vorzulegende Bericht der drei Vermittler werde wohl viel eher mit Nachdruck darauf hinweisen, dass bei allen Parteien der gemeinsame Wunsch, sich auf eine tief greifende Staatsreform zu zu bewegen, vorhanden sei.
Auch Gazet Van Antwerpen greift dieses Thema auf und titelt: "Durchbruch in weiter Ferne". Für die Antwerpener Tageszeitung kann man nicht von einem Erfolg der drei Vermittler reden, ist doch eine Verlängerung ihrer Mission eher unwahrscheinlich und würde höchstens ein Inventar der Probleme und Vorschläge zum Dialog über die Staatsreform bei ihrer Mission herauskommen.
Zu wenig Allgemeinmediziner
Le Soir macht heute auf Seite 1 mit einem ganz anderen Thema auf. Die Brüsseler Tageszeitung warnt vor einem akuten Mangel an Allgemeinmedizinern. Einige ländliche Gebiete zeigten bereits entsprechende Symptome. Gerade in Ferienzeiten seien in zahlreichen Gegenden der Wallonie und Brüssels zu wenige Hausärzte vorhanden. In einigen Ortschaften sollte man in diesem Sommer wegen des Mangels an Allgemeinmedizinern besser nicht krank werden. Le Soir argumentiert daher erneut gegen den "numerus clausus", der die Zahl von Hausärzten deutlich reduziert. Schon jetzt würden viele Allgemeinmediziner im Land ihre Patienten in die Sprechstunde bitten, weil für Hausbesuche keine Zeit mehr sei.