Gemeinschaftspolitische Unstimmigkeiten
De Standaard titelt hierzu „Leterme I am Rand des Abgrunds“ und schreibt, dass die Krise aufgrund zwischengemeinschaftlicher Unstimmigkeiten ein so großes Ausmaß angenommen hat, dass bis zum Ende des Wochenendes deutlich werden müsse, ob ein Wunder noch möglich ist. Auch wenn erneut eine große politische Krise drohe, kommentiert das Blatt, gebe es noch eine winzige Chance. Es sei schließlich Tradition in diesem Land, dass bei zwischengemeinschaftlichen Diskussionen erst dann Resultate sichtbar werden, wenn jeder glaubt, dass dies unmöglich geworden ist.
Erst am Rande des Abgrundes würden Zugeständnisse möglich. Die Diskussionen würden, so De Standaard, wie auf arabischen Märkte ablaufen: Erst wenn der potentielle Käufer geht, ist der Verkäufer bereit, seinen Preis zu senken. Es sei gut möglich, notiert das Blatt, dass die französischsprachigen Politiker dieses Spiel auch treiben und einen Kompromiss erst dann akzeptieren, wenn ihr flämisches Gegenüber erklärt hat, dass das Spiel aus ist.
Het Nieuwsblad titelt zu diesem Thema „Wir schaffen es nicht“ und zitiert damit Premier Leterme, der fürchte, dass die Regierung noch vor dem 15. Juli stürzen könnte. Der Regierungschef gebe sich noch bis zum Ablauf des Wochenendes Zeit. Es sei das erste Mal seit den Wahlen, dass Leterme so deutlich zugebe, dass alle Gespräche in der Sackgasse stecken, zitiert Het Nieuwsblad einen Parteifreund des Premiers. Aus der Umgebung des Regierungschefs verlautet derweil, die derzeitige Krise führe die Regierung an einen Scheideweg. Heute sowie am Wochenende werde sich entscheiden, ob eine Einigung zur Staatsreform, einem sozialwirtschaftlichen Mehrjahresplan und der Kontrolle des Staatsetats noch möglich ist.
Auch Gazet Van Antwerpen macht mit Yves Letermes pessimistischer Haltung auf und titelt „ Man muss mit einem Scheitern rechnen“. Das habe der Regierungschef gestern auf einer Fraktionssitzung seiner Partei, also dem Parteienbund CD&V/N-VA, erklärt. Die Antwerpener Tageszeitung zitiert in diesem Zusammenhang auch einen namentlich nicht genannten flämischen Verhandlungsteilnehmer der Gespräche über institutionelle Fragen mit den Worten „Wenn sich die Situation nicht rasch bessert, dann ist es in einigen Tagen vielleicht vorbei.“ Denn auch die französischsprachigen Sozialisten drohten mit dem Verlassen der Regierungskoalition, sollte bis zum 15. Juli keine Einigung über eine Sozialreform erzielt worden sein, so Gazet Van Antwerpen.
Man stehe kurz vor einer totalen Sackgasse, notiert Het Laatste Nieuws. Premier Yves Leterme würde eifrig nach einer Lösung suchen aber hätte gestern nicht sehr fröhlich ausgesehen, als er vor Parteifreunden einen Sachstandsbericht der laufenden Verhandlungen vortrug. Die flämische Tageszeitung glaubt derweil an die Entwicklung eines Notfallplans.
Plan B sehe im Fall eines Scheiterns der Verhandlungen eine rein technokratische Regierung ohne Staatsreform vor, die die nächsten Parlamentswahlen vorbereiten müsste. Man müsse sich angesichts der derzeitigen Lage die Frage stellen, ob die heutige Generation flämischer und französischsprachiger Politiker aus eigener Kraft in der Lage ist, die gegenseitigen Drohungen zu überwinden. Für die derzeit an den Schaltstellen Agierenden müsse diese Frage wohl mit Nein beantwortet werden, kommentiert Het Laatste Nieuws.
Auch De Morgen ist der Meinung, dass die Verhandlungen zur Staatsreform, sozioökonomischen Fragen und dem Staatsetat erneut in einem Stellungskrieg festgefahren sind. Das Blatt zitiert Elio Di Rupo mit den Worten: „Wir befinden uns immer noch in einer Vorbereitungsphase.“ Der Parteichef der französischsprachigen Sozialisten habe gestern noch einmal betont, dass man im südlichen Landesteil gemeinschaftspolitische Verhandlungen nicht gewollt habe, sie aber trotzdem eingegangen sei. Eine flämische Quelle wird derweil von De Morgen mit den Worten „Es ist vorbei, die Französischsprachen wollen nicht“ in Bezug auf die laufenden Verhandlungen zitiert.
Befreiung von Ingrid Betancourt aus ihrer Geiselhaft im kolumbianischen Urwald
„Endlich wiedervereint“ so die Balkenüberschrift in La Libre Belgique. Was für eine umwerfende Frau, kommentiert das Blatt, und verweist auf die strahlende Miene der Franko-Kolumbianerin beim Verlassen des Flugzeugs, das sie in die Freiheit zurückbrachte. Das Beeindruckende sei, so der Kommentar der Libre Belgique, der Unterschied zwischen der Frau, die man gestern gesehen habe und den Bildern Betancourts, auf denen sie während ihrer Geiselhaft als erschöpfte, abgemagerte und resignierte Person erschienen war.
Le Soir nimmt das gleiche Thema zum Anlass, die Frage nach der Zukunft Kolumbiens zu stellen, einem Land, das in den letzten Jahrzehnten unter Massakern, Vertreibungen und Bürgerkrieg gelitten habe. Der Traum Ingrid Betancourts für eine bessere Zukunft Kolumbiens sei noch immer möglich, so Le Soir.