"Noch 24 Stunden", titelt in diesem Zusammenhang Het Nieuwsblad. Für das Grenz-Echo schlägt "Die Stunde der Wahrheit für Yves Leterme". De Morgen titelt: "Leterme kämpft ums Überleben". De Standaard meint lapidar: "Der letzte Tag".
Leterme soll morgen die Grundzüge einer neuen Staatsreform präsentieren. Die Regierungserklärung soll darüber hinaus auch eine Lösung für das Problem Brüssel-Halle-Vilvoorde umfassen. Dass es am Ende eine Einigung in diesen beiden Punkten geben wird, bezweifeln aber ausnahmslos alle Zeitungen.
Leterme schwankt zwischen Hoffnung und Zweifeln, meint La Libre Belgique in ihrem Kommentar. Hoffnung weckt die Tatsache, dass die Regierung sich auf ein sozial-wirtschaftliches Programm für den Zeitraum 2009 bis 2011 einigen konnte. Angesichts der sozialen und wirtschaftlichen Herausforderungen kann man hier nur sagen: besser spät als nie. Wären da nicht die gemeinschaftspolitischen Probleme, wo immer noch kein Kompromiss in Sicht ist. Stellt sich also die Frage: wird Yves Leterme auf dem rutschigen Parkett der belgischen Innenpolitik endlich sein Gleichgewicht finden?
Het Nieuwsblad ist davon überzeugt, dass morgen um 15 Uhr kein Abkommen auf dem Tisch liegen wird. Wer geglaubt hat, der 15.Juli werde zum "Tag aller Lösungen", der war bestenfalls gutgläubig, vor allem aber kindlich naiv. Dabei muss man festhalten: es ist schon surrealistisch, dass in Zeiten galoppierender Inflation und sinkender Kaufkraft alle Aufmerksamkeit der Spaltung eines Wahlbezirkes gilt. Gleich wie es kommt, ob mit oder ohne Einigung: die Regierung Leterme muss weiter machen. Eins ist allerdings auch sicher: ohne ein Abkommen wird das ein schwieriges Unterfangen.
Die Brüsseler Tageszeitung Le Soir appelliert indes an die politische Klasse, doch bitte endlich Nägel mit Köpfen zu machen. Wenn morgen keine Einigung vorliegt, dann gilt allenfalls: aufgeschoben ist nicht aufgehoben. Das Haus "Belgien" braucht mehr als nur einen neuen Anstrich. Es muss von Grund auf renoviert werden. Auf die Gefahr hin, dass es ansonsten zusammenbricht. Irgendwann in naher Zukunft muss die Stunde der Wahrheit schlagen. Gibt es morgen einen neuen Aufschub, dann wäre das eine verpasste Gelegenheit.
Einige Zeitungen wagen ihrerseits einen Blick in die Glaskugel. Het Belang van Limburg skizziert die Grundzüge eines möglichen Plan B. Neuwahlen wollen alle Beteiligten verhindern. Wahrscheinlicher ist, dass die alte Frist durch eine neue ersetzt wird. Sprich: dass Yves Leterme beim Start des neuen politischen Jahres, Mitte Oktober sozusagen, vor dem Parlament seine Nachprüfung ablegt. Möglich wäre aber auch, dass man den Regionen das Heft in die Hand gibt. Demnach würden der flämische Ministerpräsident Kris Peeters und sein wallonischer Amtskollege Rudi Demotte gemeinsam über die Architektur des künftigen Staatsgefüges nachdenken. Ihre Ergebnisse würden sie dann 2011 vor der nächsten Parlamentswahl vorlegen.
De Standaard hat ein ähnliches Szenario vor Augen. Kris Peeters entwickelt sich zum innerparteilichen Gegenpol von Yves Leterme. Heute kommt Peeters mit seinen Amtskollegen aus der Wallonie und Brüssel, Demotte und Piqué, zusammen. Und der flämische Ministerpräsident will offenbar beweisen, dass die Teilstaaten in Sachen Staatsreform mehr erreichen können als die föderalen Verhandlungsführer und Parteivorsitzenden. Damit will er auch signalisieren, dass man am besten alles gleich ihm überlässt. Ob Peeters das allerdings gelingt, ist fraglich.
Gazet van Antwerpen sieht die Zeit für einen Anderen gekommen, nämlich Didier Reynders. Zwar will niemand eine politische Krise, doch brauchen wir dennoch, nach über einjährigen Verhandlungen, endlich Klarheit. Der Ball liegt jetzt im Lager der Frankophonen. Sie müssen nun wissen, was sie wollen. Wenn es morgen zu einer Krise kommt, dann liegt es an den Frankophonen, die Lage zu entkrampfen. Und dann sollte Didier Reynders in den Ring steigen. Vor dem Hintergrund der sich radikalisierenden öffentlichen Meinung könne man ihm da nur viel Erfolg wünschen, meint die Zeitung.
Die links-liberale flämische Tageszeitung De Morgen übt sich ihrerseits in Realismus. Leterme steht unter dem Druck seiner eigenen Leute. Will er einen Aufschub, dann muss er erst einmal seine eigene Partei, das Kartell CD&V/N.Va davon überzeugen. Doch wird damit eigentlich nur eine Frist durch eine andere ersetzt. Viel mutiger wäre es, wenn Leterme die Staatsreform gleich für ein Jahr in den Kühlschrank verfrachten würde, auf die Zeit nach den nächsten Regionalwahlen. Bis dahin wird es nämlich keinem einzigen Politiker dieses Landes gelingen, ein gemeinschaftspolitisches Abkommen aus der Taufe zu heben. Doch sieht es so aus, als wäre die CD&V/N.VA noch nicht einmal bereit, über einen kleinen Aufschub zu diskutieren. Wenn das so bleibt, dann darf der König morgen hohen Besuch erwarten.