11. Juli
Flandern begeht heute seinen Feiertag. Flämische und frankophone Zeitungen heben dabei gleichermaßen die Besonnenheit hervor, die die flämische politische Klasse an den Tag gelegt hat, allen voran der flämische Ministerpräsident Kris Peeters.
Peeters hat kein flämisches Öl in das gemeinschaftspolitische Feuer gegossen, meint etwa stellvertretend die frankophone Regionalzeitung Vers L'Avenir. Er legte zugleich Entschlossenheit und Besonnenheit an den Tag.
Zum Anlass des flämischen Feiertags bringen gleich mehrere flämische Zeitungen die Ergebnisse von exklusiven Meinungsumfragen.
Die Flamen wollen mehr Flandern, wollen aber zugleich an Belgien festhalten, hat etwa Het Nieuwsblad herausgefunden. Demnach lehnen sechs von zehn Flamen eine Spaltung des Landes ab. Zugleich sind aber neun von zehn Flamen der Ansicht, dass die Frankophonen Zugeständnisse machen müssen. Der Flame wippt von einem Bein aufs andere, meint denn auch Het Nieuwsblad in seinem Kommentar. Belgien soll bestehen bleiben, aber ohne dass die Flamen Zugeständnisse machen müssen. Diese Haltung des Durchschnittsflamen macht es den flämischen Politikern nicht leicht.
Gazet Van Antwerpen kommt mit ihrer Umfrage zu einem ähnlichen Schluss. Der flämische Wähler geht erwachsen und besonnen mit der politischen Lage um. So sind sechs von zehn Flamen der Ansicht, dass die Staatsreform keine Staatskrise wert ist. Auch für eine Unabhängigkeit Flanderns gibt es keine Mehrheit. Die Angst vor einer Spaltung des Landes wird also einzig von den frankophonen Politikern geschürt. Doch bedeutet das auch nicht, dass alles beim Alten bleiben muss, warnt Gazet Van Antwerpen. Eine solche Schlussfolgerung wäre falsch und gefährlich.
De Morgen gibt vor allem den flämischen Nationalisten die Schuld an dem derzeitigen Klima. Sicher: Das Bild vom reichen und egoistischen Flamen, der sich von der Welt abschotten will, ist eine Karikatur. Doch gibt es leider viele Flamen, die genau dieses Zerrbild untermauern. Wer alles fordert, der sorgt dafür, dass er nichts bekommt. Vor diesem Hintergrund ist eine Einigung zum 15. Juli unwahrscheinlich, so De Morgen nachdenklich.
La Libre Belgique übermittelt ihrerseits den Flamen ihre Glückwünsche zum Feiertag. Ironisch meint das Blatt: Wir wünschen Euch Glück und Zufriedenheit, aber auch, dass ihr tolerant und offen bleibt, und euch nicht einigelt. Inzwischen sehen auch die Frankophonen ein, dass eine neue Staatsreform nötig ist. In diesem Punkt hat Flandern gewonnen. Doch müssen die Flamen einsehen, dass sie hier nicht mit der Brechstange vorgehen können, das geht nur über den Verhandlungsweg. Ansonsten kann die Antwort nur lauten: „Und tschüss!“, warnt La Libre Belgique.
Aber immerhin, notiert in diesem Zusammenhang De Standaard, das letzte Jahr war nicht ganz umsonst. Vor einem Jahr füllte noch das non von Frau Milquet den Raum. Inzwischen sehen auch die Frankophonen ein, dass ein neues Gleichgewicht im belgischen Staatsgefüge unerlässlich ist. Darauf kann man aufbauen, vor und nach dem 15. Juli.
Fortis: Muss Votron gehen?
Zweites großes Thema ist heute das Schicksal des Generaldirektors der Bank- und Versicherungsgruppe Fortis, Jean-Paul Votron. Der könnte heute für den Absturz der Fortis-Aktie bezahlen und den Hut nehmen.
„Springt heute mit Votron bei Fortis die Sicherung raus?“ fragt sich Le Soir auf seiner Titelseite. Es sieht so aus, notiert die die Brüsseler Tageszeitung. Doch stellt sich die Frage, ob das reichen würde. Votron hat den Kauf von ABN-AMRO und die desaströse Kommunikation von Fortis nicht alleine zu verantworten. Diese Entscheidungen sind nämlich vom Aufsichtsrat mitgetragen worden, und dessen Präsident ist Maurice Lippens.
Die Anleger fordern den Kopf von Lippens, weiß denn auch De Morgen zu berichten. Den Kleinanlegern würde der Abgang von Votron nicht reichen. Sie bereiten eine Sammelklage gegen Fortis vor. Nach dem Absturz der Fortis-Aktie müssen beide gehen, Votron und Lippens.
Dazu notiert die Börsenzeitung De Tijd: Die Fortis-Strategie funktioniert nicht. Man wollte Votron den Wölfen zum Fraß vorwerfen, doch kann das die Anleger nicht besänftigen. Fortis steckt mitten in einer Vertrauenskrise, und das ist das Schlimmste, was einer Bank passieren kann. Die lebt nämlich vom Vertrauen ihrer Kunden und Anleger. Und dieses Vertrauen wieder herzustellen ist nun einmal nicht einfach.
Das Finanzblatt L'Echo warnt aber in diesem Zusammenhang vor Panikfußball. Bereits in den vergangenen Wochen hat es bei Fortis eine Kurzschlussreaktion nach der anderen gegeben. Die Ankündigung einer neue Kapitalerhöhung und der Streichung der Dividende kamen unerwartet und kurzfristig. Die Trennung von Jean-Paul Votron wäre ein neues Beispiel für diesen Trend der großen Unternehmen, auf die Wut der Anleger mit spektakulären Maßnahmen zu reagieren. Die Frage ist, ob auch Maurice Lippens, ein Monument der belgischen Wirtschaft, über diese Klinge springen wird.