Staatsminister Etienne Davignon appelliert in einem offenen Brief in der Zeitung Le Soir an die Politiker, sich zusammenzureißen und das Land endlich zu regieren. Eine Staatsreform sei notwendig, doch sie müsse in langen Verhandlungen ausgearbeitet werden, die zu einem neuen Gleichgewicht führten. In ihrem Leitartikel ruft die Zeitung dazu auf, eine nationale Konferenz über die Zukunft des Landes einzuberufen.
Het Laatste Nieuws schreibt: Davignon macht die richtige Analyse. Auch wenn Flamen und Wallonen sich seit einem Jahr streiten, ist ein weiteres Zusammenleben nicht unmöglich. Das Land braucht ein neues Gleichgewicht, das nur durch eine gründliche Staatsreform gefunden werden kann. Zur Zeit lassen die Atmosphäre und der Zeitdruck keine ernsthaften Verhandlungen zu. Man muss sich die nötige Zeit nehmen, um über eine gründliche Revision des belgischen Staatsmotors zu nachzudenken. Diese Verhandlungen können bis zu den föderalen Wahlen im Jahre 2011 anhalten.
Letermes Fehler
La Libre Belgique schreibt unter dem Titel „Das große Pokerfinale hat begonnen“: Viele glauben, dass Leterme von seiner Partei fallen gelassen wird. Andere meinen, dass das Ende des Kartells CD&V/N-VA bevorsteht. Die flämischen Nationalisten wollen sich nicht mit einer allgemeinen Absichtserklärung zufrieden geben. Wenn Leterme in der kommenden Woche eine nichts sagende politische Erklärung verliest, kann seine Partei das Kartell begraben. Bei den Regionalwahlen wird die N-VA viele enttäuschte CD&V-Mitglieder in ihr Lager holen. Dann können Gespräche über die Umwandlung des Föderalstaates in eine Konföderation beginnen.
Gazet van Antwerpen erklärt: Die CD&V muss zwei Sachen absolut vermeiden. Sie darf keine Regierung unterstützen, die die Wahlversprechen in den Wind schlägt. Wenn kein Abkommen zustande kommt, kann die Partei es sich nicht erlauben, das Land im Chaos versinken zu lassen. Die CD&V ist die führende Partei und muss zeigen, wie es weiter gehen soll. Niemand will eine Krise, doch wenn sie ausbrechen sollte, muss man darauf vorbereitet sein. Es kann nicht schaden, wenn die flämischen Parteivorsitzenden sich schon jetzt Gedanken über den Tag danach machen.
Het Belang van Limburg geht mit Premier Leterme ins Gericht. Wiederholt lagen bei den gemeinschaftspolitischen Verhandlungen verschiedene Vorschläge auf dem Tisch, die man nur miteinander verbinden musste. Doch anstatt Schlussfolgerungen zu ziehen, nahm Leterme am Ende eines Verhandlungstages diese Vorschläge wieder mit und kam mit neuen Texten zur nächsten Versammlung. Ein weiteres großes Problem ist, dass er bei den Verhandlungen mit den Flamen etwas anderes sagt als bei seinen Gesprächen mit den Frankophonen. So wird man nie zu einem Abkommen finden. Der Premierminister muss Vorschläge machen, Anregungen anhören, einen Kompromiss ausarbeiten und diesen in seiner Regierung, seiner Partei und seinem Kartell verteidigen. Er kann nicht länger den anderen die Schuld für sein Scheitern geben. Jetzt muss er selbst in die vorderste Linie. Wenn er es nicht kann, ist es höchste Zeit für andere und bessere.
De Standaard fragt sich, ob es noch eine Alternative gibt. Die frankophonen Parteien können im belgischen System jede Forderung der zahlenmäßig größeren Bevölkerungsgruppe blockieren. Daher wollen die Flamen größere Autonomie, um selbst entscheiden zu können. Doch jedes Mal wird das abgelehnt, es sei denn, die Flamen bieten Geld. Das war die Geschichte aller Staatsreformen seit 1970. Doch jetzt ist kein Geld mehr da, und das erklärt, weshalb nach 56 Verhandlungswochen kein Resultat vorliegt. Der einzige Ausweg sind Verhandlungen zwischen den Gliedstaaten.
Der flämische Feiertag
Het Nieuwsblad meldet: Ministerpräsident Peeters hat zwei verschiedene Reden in der Tasche und entscheidet erst in letzter Minute, welche er halten wird. In Brügge wird der deutschsprachige Ministerpräsident Lambertz auf Einladung des CD&V- Senators und Vorsitzenden des 11.Juli-Komitees, Van Den Driessche, als erster Politiker einer anderen Gemeinschaft eine Ansprache halten. Der sozialistische Abgeordnete Renaat Landuyt ist überzeugt, dass man dort den Regionalisten Lambertz hören möchte. Er will Lambertz noch warnen, auf was er sich eingelassen hat.