Zwischen 30 und 40.000 Menschen haben gestern in Brüssel gegen die Sparpolitik der Regierung demonstriert. Aufgerufen zu dem Protest hatten Gewerkschaften, allen voran die sozialistische FGTB. Sie hatte zuvor die Sozialverhandlungen mit den Arbeitgebern verlassen und die Föderalregierung kritisiert.
“Eine Demo, ein Signal“, schreibt La Libre Belgique über ihren Kommentar und führt aus: Das war ein Überraschungserfolg für die Gewerkschaften. Mit so vielen Menschen hatte keiner gerechnet. Das Zeichen an die Regierung war deutlich und es kam nicht nur von Gewerkschaften. Die Botschaft heißt: Sparen ist gut - Wirtschaft und Beschäftigung anzukurbeln ist besser. Hierfür die Kaufkraft weiter zu beschneiden und Kündigungsfristen zu kürzen, ist sicher kontraproduktiv, findet La Libre Belgique.
FGTB trifft Nerv
L’Avenir wertet den gestrigen Tag ebenfalls als Erfolg für die Gewerkschaften: Die Demonstration hat gezeigt, dass die FGTB nicht alleine steht, sondern den Nerv der Bevölkerung trifft. Handeln muss jetzt die Regierung. Sie steht vor einer schwierigen Entscheidung. Weiter sparen, wie Premierminister Elio Di Rupo es anscheinend will, heißt zugleich das Volk zu erzürnen. Ein gordischer Knoten liegt bei der Regierung und keiner weiß, wie man ihn lösen kann, glaubt L‘Avenir.
Auch Het Laatste Nieuws sieht jetzt die Regierung in der Pflicht: Dass es Probleme bei den Sozialverhandlungen gibt, ist nicht die Schuld der Gewerkschaften und der Arbeitgeber. Denn die Regierung hat ihnen kaum Spielraum für Verhandlungen gelassen. Den Sparkurs gibt die Richtung vor, deshalb kommt es jetzt zu dem Konflikt. Nur die Regierung kann die Situation verbessern. Sie muss endlich an die Lohnkosten rangehen und sie reformieren, findet Het Laatste Nieuws.
“Streit um den Index“, titelt Le Soir auf Seite eins. Die Zeitung berichtet über Vorschläge des Gouverneurs der Belgischen Nationalbank Luc Coene. Der hatte gestern den Jahresbericht der Nationalbank vorgestellt und dabei auch seine Ideen geäußert wie sich die belgische Wirtschaft am besten für die Zukunft rüsten sollte. Sein Rezept: Reform des Index, längere Lebensarbeitszeit, Weiterführung der Haushaltsdisziplin. Sozialministerin Laurette Onkelinx regt sich darüber auf: Am Index zu rütteln, das wäre verrückt, zitiert Le Soir die Ministerin.
Onkelinx im Clinch mit Coene
“Onkelinx gibt das Ziel eines ausgeglichenen Haushalts auf“, fasst De Morgen ein Interview mit der Ministerin zusammen. Demnach würde die Sozialistin gerne den strikten Sparkurs der Regierung verlassen.
Die Zeitung vergleicht die unterschiedlichen Auffassungen von Onkelinx und Nationalbankchef Luc Coene mit einem Boxkampf: Coene und Onkelinx, das sind die beiden Extreme, zwischen denen sich Belgien bewegt. Die einen wollen weiter sparen, die anderen wollen etwas Soziales tun, den Menschen jetzt schon helfen. Heute veröffentlicht die Europäische Kommission die neuen Haushaltszahlen für die Mitgliedsländer. Laut unseren Informationen sollen die schlechten Prognosen der Nationalbank bestätigt werden. Das könnte die nächste Runde im Boxkampf einläuten, dieses Mal wieder im Kernkabinett, prophezeit De Morgen.
Le Soir pickt sich noch einen anderen Aspekt des Berichts der Nationalbank heraus und schreibt: Auf Seite 25 des Berichts ist eine Grafik zu sehen, die den Einfluss von Bildung und Forschung auf die wirtschaftliche Entwicklung darstellt. Die Grafik zeigt den Mangel auf, den es in diesen Bereichen gibt. Die Faktoren Kapital oder Arbeit spielen dagegen eine kleinere Rolle für die schlechte Entwicklung. Das sollten wir bei der aktuellen Diskussion bedenken, so Le Soir.
Polizisten prügeln Gefangenen tot
Auf den Titelseiten fast aller flämischen Zeitungen ist heute von einer Gewalttat die Rede. "Sechs Polizisten schlagen in zwei Minuten einen jungen Mann tot", titelt Het Laatste Nieuws. “Brutale Polizeigewalt“, schreibt De Standaard, “Jonathan Jacob getötet in der Gefängniszelle“ so De Morgen.
“Bilder beweisen, dass Jonathan wehrlos von Polizisten totgeschlagen wurde“ fasst Het Nieuwsblad den Skandal zusammen. Die Zeitungen kommen auf einen Fall aus dem Jahr 2010 zurück. Ein 26-jähriger Mann war damals in einem Gefängnis in Mortsel durch Polizeischläge so schwer verletzt worden, dass er starb. Im flämischen Fernsehen waren gestern Bilder von der Tat zu sehen. Die Aufnahmen, die zum Teil auch in den Zeitungen abgedruckt sind, zeigen den nackten Mann, wie er, an den Händen gefesselt, wehrlos in einer Zelle brutal von mehreren Polizisten geschlagen wird. De Standaard schreibt, dass das Opfer zu der Zeit unter einer Psychose litt und unter Drogen stand.
The King is not amused
“Der König war sehr verärgert, ich hätte ihm Bescheid sagen sollen“, zitiert La Dernière Heure Prinzessin Claire auf der Titelseite. Die Zeitung hat angeblich exklusiv mit der Prinzessin gesprochen. Hauptthema war vor allem der Skiunfall, den ihr Mann, Prinz Laurent, in Österreich erlitten hat. Die Prinzessin begründet, warum sie König Albert nicht sofort von dem Vorfall berichtet hat. “Ich wollte die Eltern nicht beunruhigen“, sagt die Prinzessin. Die Zeitung nimmt den Vorfall zum Anlass, um über die Informationspolitik des Königshauses herzuziehen. Schon wieder hat sich gezeigt, dass die Kommunikationsabteilung des Königshauses nicht auf der Höhe der Zeit ist - schnell und klar reagieren ist das beste Mittel, um Unwahrheiten und Gerüchte von vorneherein zu unterbinden, rät La Dernière Heure.
Bild: Nicolas Maeterlinck (belga)