Anlass ist die Drohung der CD&V-Vorsitzenden Marianne Thyssen, im Falle eines Scheiterns der Verhandlungen die Solidarität Flanderns mit der Wallonie aufzukündigen.
De Morgen findet: Die größte flämische Partei droht mit Separatismus. Die Solidarität ist schließlich das letzte Element, das dieses Land noch zusammenhält. Das hat es zuvor noch nie gegeben, und es zeigt, dass die föderale Ebene für die flämischen Christdemokraten keinen Mehrwert mehr besitzt. Das Land ist einer Lösung für BHV keinen Schritt näher gekommen und auch nicht einer zweiten Phase der Staatsreform. Niemand sieht noch einen Ausweg. Wenn ein Kompromiss unerreichbar ist, bleibt nur noch die Polarisierung, die Schürung der Gegensätze. Die CD&V-Vorsitzende hat keine legale Möglichkeit, die Solidarität aufzukündigen und auch keinen Plan zur Ausführung eines solchen Vorhabens. Sie hat nur eine neue Wahlkampagne eingeleitet, erneut mit einem Versprechen, das sie nicht wahr machen kann.
Auch Het Laatste Nieuws stellt heraus: Noch nie hat ein CD&V-Politiker eine solche Drohung ausgesprochen. Es ist diese Art von Poker, die in der Vergangenheit Zivilisationen vernichtet hat. Bluffen und Drohen, bis es zu spät ist. Solange der Kampf um die Staatsreform wütet, geschieht in diesem Land nichts mehr. Der 15. Juli ist eine echte deadline geworden.
La Libre Belgique schreibt: Die CD&V-Vorsitzende droht mit der Spaltung des Landes, wenn die Frankophonen einer großen Staatsreform nicht zustimmen. Das sind Muskelspiele und die Vorbereitung eines Wahlkampfs gegen die Liste Dedecker. Doch die frankophonen Parteien dürfen diese Haltung der flämischen Christdemokraten nicht unterschätzen. Es ist dringend notwendig, dass sie zu einer gemeinsamen Strategie finden, um die Interessen der Frankophonen zu verteidigen. Doch leider streiten die französischsprachigen Parteipräsidenten miteinander und bereiten ihrerseits den nächsten Wahlkampf vor. Es ist zum Verzweifeln.
Gazet Van Antwerpen gibt Marianne Thyssen Recht. Die gemeinschaftspolitische Diskussion ist eine grundlegende Debatte über die Zukunft des Landes. Ohne gründliche Reform können die Regierungen nicht die in ihrer Region erforderlichen Maßnahmen ergreifen. Eine Staatsreform ist gut für alle, wenn sie nur bereit sind, ihre Verantwortlichkeit zu übernehmen. Genau das wollen die frankophonen Parteien nicht. Wenn sie selbst das Ruder übernehmen, können sie sich nicht mehr unter die belgischen oder flämischen Fittiche stellen. Und sie können weniger Geld aus der föderalen Kasse holen. Doch die Staatsreform wird kommen. Wenn nicht am 15. Juli, dann eben später. Wenn die Frankophonen jetzt eine Staatsreform ablehnen, spielen sie mit der Zukunft des Landes. Denn dann werden bei den Wahlen die radikalen Parteien gewinnen.
Het Nieuwsblad gibt zu bedenken: Föderale Wahlen vor dem 7. Juni 2009 sind sinnlos. Dann sind Regionalwahlen, vorher sind föderale Wahlen unmöglich. Wenn die Verhandlungen am 15. Juli scheitern, bleibt nichts anderes mehr übrig, als die föderalen und regionalen Wahlen gleichzeitig abzuhalten. Ohne Staatsreform ist dieses Land unregierbar. Man sollte aber nicht verzweifeln. Das Land hat schon ähnliche Krisen durchstanden. Schließlich sind daraus große Staatsreformen hervorgegangen. Ein Resultat ist am 15. Juli immer noch möglich. Doch wenn nichts mehr geht, muss etwas geschehen. Alles ist besser als der heutige Zustand.
Vers L'Avenir veröffentlicht das Ergebnis einer Umfrage über die Wahlabsichten der frankophonen Bürger. Die PS überholt demnach wieder die MR, allerdings um nur 0,2%. Sozialisten und Liberale liegen beide bei 27% der Stimmen. Sieger dieser Umfrage ist die zentrumshumanistische cdH, die um knapp 5% auf 20% steigt. Die Grünen kommen auf 15% der Wahlabsichten.