Wo bleibt der compromis à la belge?
De Morgen stellt fest: Die Regierung folgt einer Strategie der Konfrontation. Man hält nicht einmal mehr den Schein einer Zusammenarbeit aufrecht. Man sucht keine Kompromisse mehr. Doch auch wenn über BHV abgestimmt wird, ist der Wahlbezirk damit immer noch nicht gespalten. Es gibt noch mehrere Prozeduren, um die definitive Entscheidung hinaus zu schieben. Die Verhandlungen werden nach einer einseitigen Abstimmung noch schwieriger, nicht nur für BHV, sondern für die gesamte zweite Phase der Staatsreform.
Le Soir glaubt, dass es der Regierung noch möglich ist, eine Woche Zeit zu gewinnen, weil die Tagesordnung der Kammer in dieser Woche schon so angefüllt ist, dass man die Verabschiedung der BHV-Gesetze auf den 15. Mai verschieben könnte. Im Grunde wünscht sich niemand den Sturz der Regierung, doch eine brutale Krise könnte keinen anderen Ausweg als Neuwahlen lassen. Diese können noch vor der Sommerpause am 22. Juni stattfinden.
Für Het Laatste Nieuws ist der Gipfel des Absurden erreicht. Die von Yves Leterme angekündigte gute politische Verwaltung des Landes ist ein Zirkus. Jeder befürchtet, dass Donnerstag die Krise ausbricht, doch wenn man etwas zögert, erhält Leterme noch eine weitere Woche Gnadenfrist. Die Spaltung, die Leterme in fünf Minuten erreichen wollte, hat sich zum langwierigsten politischen Problem der belgischen Geschichte entwickelt. Es ist zum heulen.
De Standaard ist überzeugt, dass die Flamen in der Kammer die Spaltung des Wahlbezirks gegen den Willen der Frankophonen durchsetzen werden. Die Frankophonen wollen die Prozedur des Interessenkonflikts, die das Grundgesetz ihnen erlaubt, nicht anwenden. Sie wollen von den Flamen ein Signal der Bundestreue. Sie sollen beweisen, dass sie noch an eine Kompromisslösung glauben. Die Flamen müssen nach der Abstimmung zeigen, dass sie das Recht haben, von ihrer Mehrheit Gebrauch zu machen, aber auch, dass sie konstruktive Ideen für die Befriedung des belgischen Nationalitätenkonflikts haben.
Gazet van Antwerpen fügt hinzu: Die Frankophonen haben die Entwicklung der flämischen Christdemokraten unterschätzt. Sie waren überzeugt, dass die Partei sich im Ernstfall für den Erhalt der Regierung entscheiden würde. Doch das ist nicht mehr so, auch wenn man nicht weiß, was die CD&V damit gewinnen kann. Es wird höchste Zeit, dass BHV und die zweite Phase der Staatsreform durchgeführt werden, so dass die Regierung endlich regieren kann. Wenn keine Einigung möglich ist, sollte man den Todeskampf nicht mehr länger hinauszögern.
Kritik an Regierungschef Leterme
Het Volk schreibt: Leterme spielt nicht seine Rolle als Premierminister. Von einem Regierungschef muss man erwarten können, dass er bei delikaten Problemen eingreift, und dass er sie entschärfen kann.
La Libre Belgique schreibt: Die Situation ist unhaltbar, eklig, lamentabel. Niemand interessiert sich noch für die schreckliche Akte BHV. Normalerweise ist die Suche nach einem Kompromiss zwischen den beiden Gemeinschaften etwas Schönes und Edles. Diesmal ist es lächerlich. Was hat Leterme seit seiner Vereidigung getan? Man kann nicht behaupten, dass er seiner Regierung ein Markenzeichen, einen Stil und eine Methode aufgedrückt hätte. Sein Name steht für Trostlosigkeit und Sprödigkeit. Seine eigene Partei kontrolliert er schon lange nicht mehr.
Kritik übt auch Het Belang van Limburg: Leterme war bisher nur der Notar seiner Regierung. Bei den Verhandlungen ist er Zuschauer. Er kümmert sich allein um sein Image und will sich nicht verbrennen. Wenn die Regierung stürzt, will er unbeschädigt vor die Wähler treten und noch einmal die Wahl gewinnen. Doch so wird Leterme niemals ein bedeutender Premierminister. Echte Regierungschefs wie Dehaene engagieren sich, machen Vorschläge, können einstecken und suchen Kompromisse. Sie werden von den Wählern als große Staatsmänner anerkannt.