BHV - wie geht's weiter?
Premier Yves Leterme habe am Wochenende, schreibt La Libre Belgique, zweimal die Spitzenpolitiker seiner Regierungskoalition für Gespräche über die Spaltung des Wahlbezirks BHV zusammengebracht. Ziel war es, eine entsprechende Abstimmung im Plenum der Abgeordnetenkammer diese Woche zu vermeiden und eine Verhandlungslösung herbeizuführen. Gestern Abend sei der letzte Versuch hierzu ergebnislos geblieben.
Es sei ein Wettlauf mit der Zeit, notiert La Libre Belgique. Morgen würde das Präsidium der Kammer über die Aufnahme des von den Flamen geforderten Tagesordnungspunktes "Spaltung von B.H.V" entscheiden. Diesmal, so schreibt die Zeitung, wäre die Zeit zum Herbeiführen von Lösungen besonders knapp, denn Regierungschef Yves Leterme habe heute und morgen eine Reihe von internationalen Verpflichtungen. Heute Nachmittag ist er zu einem Blitzbesuch bei Frankreichs Staatschef Sarkozy, morgen den Tag über in Berlin zum Antrittsbesuch bei Bundeskanzlerin Angela Merkel. Derweil habe der Premier am Wochenende keine informellen Kontakte zu BHV wahrgenommen, sondern verhandelt.
Unterdessen habe seine Regierung auch noch ein anderes Problem, das sie unter Druck setze. Die Opposition, allen voran die flämischen Sozialisten der SP.A, fordere seit Wochen eine vorgezogene Kontrolle des Staatshaushaltes. Und während der Finanzminister und der für den Etat zuständige Staatssekretär dies ablehnen, melde sich auch Kammerpräsident Van Rompuy zu Wort und äußere den Wunsch nach einer Haushaltskontrolle noch vor Beginn des Sommers.
Für Le Soir wiederholt sich ein Szenario, das man vor genau 6 Monaten schon einmal erlebt hat. Am 6. November des vergangenen Jahres habe die Brüsseler Tageszeitung bereits mit der strittigen Frage um die Spaltung des Wahlbezirks BHV aufgemacht. Diese Zeitbombe habe der Premier bislang immer noch nicht entschärft.
Le Soir stellt die beiden Möglichkeiten einer Aufnahme der Abstimmung zu BHV oder den Verzicht hierauf einander gegenüber. Für die Zeitung ist es beinahe unvorstellbar, dass am Donnerstag nicht über BHV abgestimmt wird. Kommt es also zur Aufnahme dieser Abstimmung in die Tagesordnung für die Plenarsitzung, wäre es möglich, dass die Französischsprachigen vor einer Abstimmung den Prozess zur Feststellung eines Interessenkonfliktes über das Parlament der wallonischen Region lostreten. Die Abstimmung würde dann über 120 Tage verschoben.
Ebenfalls möglich, aber wenig wahrscheinlich, so Le Soir, wäre das sogenannte "Läuten der Alarmglocke", mit der eine 30-tägige Verschiebung der Abstimmung und eine Rücküberweisung der Thematik zur Regierung erreicht würden. Genauso unwahrscheinlich ist für die Tageszeitung das Einreichen von Abänderungsvorschlägen oder das Einholen eines Gutachtens beim Staatsrat. Möglich wäre in diesem Fall auch eine weitere Verzögerung durch Anrufung des Senats. Komme es aber zur Abstimmung, würden die Französischsprachigen möglicherweise die Regierungskoalition verlassen und es käme zur Krise.
Premier Leterme versuche zu überleben, schreibt De Morgen. Die Regierung bemühe sich, den Zusammenstoss diese Woche zu vermeiden. Trotzdem notiert auch De Morgen, dass der Regierungschef aufgrund seiner gefüllten Agenda nur wenig Spielraum habe, um doch noch eine Verhandlungslösung in Sachen BHV herbei zu führen. Die Krise habe damit begonnen, schreibt De Morgen, dass die Französischsprachigen geschlossen überein kamen, nicht erneut einen Interessenkonflikt feststellen zu lassen. Würden sie dies nun doch tun, sähe das nach Kapitulation aus. Doch selbst, wenn tatsächlich über die Spaltung von BHV abgestimmt werden sollte, ist der Wahlbezirk damit noch nicht geteilt, denn die Akte würde dann erst in den Senat und schließlich zurück zur Regierung wandern. Vorausgesetzt, es gibt dann noch eine Regierung.
"Leterme sucht wieder nach Ausweg" ist auch der Titel in Gazet van Antwerpen. Das Blatt fragt, ob die Französischsprachigen nicht doch die Feststellung eines Interessenkonfliktes lostreten werden. Der Job des Premierministers könne zeitweise sehr einsam sein, vor allem wenn es Probleme zu lösen gelte, notiert das Blatt. Gestern aber habe Yves Leterme Unterstützung bei seiner Suche nach einer Lösung für BHV erhalten. Gazet van Antwerpen notiert, dass bei einer Abstimmung der Sturz der Regierung Leterme eher unwahrscheinlich ist. Dies vor allem, weil man ohne eine Lösung des Problems, das der Wahlbezirk BHV darstelle, derzeit keine Neuwahlen ansetzen könne, weil die gesetzliche Grundlage hierfür fehle.
Betriebsratswahlen
Ein ganz anderes Thema, das von einigen Tageszeitungen heute aufgegriffen wird, ist der Beginn der Betriebsratswahlen im Land. Diese alle 4 Jahre stattfindenden Wahlen würden noch bis zum 18. Mai dauern und gut 1,3 Millionen Arbeitnehmer betreffen, die ihre Vertreter in die jeweiligen Betriebsräte entsenden können.
Flämische Wirtschaft
De Standaard schließlich macht heute mit der Balkenüberschrift "Flämische Wirtschaft steht still" auf. Im Vergleich zu anderen Regionen in Europa sei die flämische Wirtschaft in der jüngsten Vergangenheit nicht mehr gewachsen. Flanderns Ministerpräsident, Kris Peeters, so De Standaard, habe bereits zugegeben, dass seine Region derzeit eher im wirtschaftlichen Mittelfeld Europas rangiere.