"Belgische Verbraucher sind das Opfer von neuen Muskelspielen im Energiesektor", titelt heute L'Echo. "Hochspannung und höhere Rechnungen", fasst es Le Soir zusammen. "Electrabel droht eine Strafe von 50 Millionen Euro", so die Schlagzeile von De Standaard.
Am belgischen Strommarkt ist neue Unruhe ausgebrochen. Zunächst wird der Energiekonzern Electrabel des Machtmissbrauchs beschuldigt. Electrabel soll künstlich das Preisniveau hochgehalten, sprich die Preise manipuliert haben. "Diese Geschichte ist ein lupenreiner Skandal", sagt bereits ein Sprecher der Verbraucherschutzorganisation Test-Achats in De Standaard.
Die leidigen Energiepreise
Damit scheint sich zu bestätigen, was längst jeder geahnt hat, bemerkt De Standaard in seinem Leitartikel. Electrabel hat sein Quasi-Monopol offenbar missbraucht. Dies, nachdem das Unternehmen schon über Jahrzehnte hinweg Monstergewinne verbuchen konnte, spätestens, nachdem die belgischen Atomkraftwerke abgeschrieben waren. Wegen Preismanipulation könnte Electrabel jetzt die Quittung für seine hochmütige Politik bekommen. Sollte das Unternehmen zur Zahlung einer Geldbuße verurteilt werden, dann fließt das Geld aber wahrscheinlich in die Staatskasse. Der Verbraucher jedenfalls, der demnach also jahrelang zu viel bezahlt hat, der dürfte leer ausgehen.
Besagtem Verbraucher droht vielmehr schon neuer Ärger: Die Regulierungsbehörde CREG hat einen Prozess gegen Electrabel verloren. Demnach muss der Betreiber der Hochspannungsnetze Elia jährlich rund 150 Millionen Euro zusätzlich in Rechnung stellen - zu Lasten der Verbraucher. Beide Episoden zeigen, so urteilt L'Echo: Zwischen der Regulierungsbehörde CREG und dem Stromsektor ist ein veritabler Kleinkrieg ausgebrochen.
Neue Sparzwänge?
Dem Bürger und vor allem seiner Brieftasche dürfte aber auch ansonsten nur wenig erspart bleiben. Das so genannte Plan-Büro hat seine neuen Wirtschaftsprognosen veröffentlicht. Demnach geht man für 2013 von einem Wirtschaftswachstum von 0,2 Prozent aus. Berechnungsgrundlage für den Haushalt der Föderalregierung war ein Wachstum von 0,7 Prozent. Das Budget 2013 ist - mit einiger Verspätung - erst gestern verabschiedet worden.
Und es ist also schon jetzt überholt, stellt De Standaard fest. Die Haushaltskontrolle steht Anfang März an. Auf der Grundlage der neuen Zahlen des Plan-Büros muss die Regierung weitere drei Milliarden Euro finden, damit Belgien sein Haushaltsziel erreicht. Der EU gegenüber hat Belgien sich dazu verpflichtet, sein Defizit im laufenden Jahr auf 2,15 Prozent zu begrenzen.
Die Haushaltssanierung darf nicht zum bloßen Dogma werden, warnt Le Soir. Die Aussicht auf neue Sparmaßnahmen, kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Gerade in den letzten Wochen hat sich das Klima an der Sozialfront noch einmal deutlich verschlechtert. Dass es von tragender Bedeutung ist, die Staatsfinanzen ins Lot zu bringen, das stellt niemand in Zweifel. Sparen ist gut. Aber Vertrauen ist besser. Die Staaten brauchen Spielräume, um ihre Wirtschaft anzukurbeln.
Zustimmung sogar von der Börsenzeitung L'Echo. Hier geht es letztlich um den Unterschied zwischen Theorie und Praxis. Allzu strikte Haushaltsdisziplin ist nicht der Weisheit letzter Schluss. Selbst der Internationale Währungsfonds musste das inzwischen einsehen. Die Herausforderung wird jetzt sein, einen gesunden Mittelweg zu finden. Auf der einen Seite darf der Sparkurs nicht gänzlich aufgegeben werden, auf der anderen Seite bedarf es intelligenter, zielgerichteter Maßnahmen zur Konjunkturbelebung.
"FGTB und PS isoliert"
Einmal auf Belgien bezogen geht es wohl auch darum, die Wogen zu glätten. Die sozialistische Gewerkschaft FGTB hat gerade erst den sozialen Dialog aufgekündigt.
"Die FGTB ist isoliert, aber mit ihr die PS", analysiert La Dernière Heure. Die FGTB praktiziert die Politik des leeren Stuhls. Sie will sich nicht mehr an den Verhandlungen mit den Arbeitgebern über ein neues, sektorübergreifendes Sozialabkommen beteiligen. Das hat auch damit zu tun, dass die Regierung etwa in puncto Lohnentwicklung vor vornherein die Richtung vorgegeben hatte.
Die Kriegserklärung der FGTB bringt die PS in eine Zwangslage. Die frankophonen Sozialisten sind hin und her gerissen: Auf der einen Seite stellen sie den Premier, auf der anderen wollen sie demonstrativ den Schulterschluss mit der FGTB üben.
Für die Regierung ist es wohl ein Schlüsselmoment, bemerkt Het Laatste Nieuws. Sie ist an der Hälfte ihres Lebenszyklus angelangt. Eigentlich gibt es keine andere Möglichkeit als durchzustarten. Eine neue Regierungskrise kann sich das Land nicht leisten. Genau deswegen steckt die PS in der Zwickmühle: Sie würde sich gerne auf der linken Seite profilieren, stellt aber zugleich den Premier und muss deshalb Zugeständnisse machen um des lieben Friedens willen. Vor diesem Hintergrund hat insbesondere der linke Flügel der frankophonen Sozialisten ganz offensichtlich die Pedale verloren.
Genau das sollte die Koalitionspartner vor Augen haben, mahnt L'Echo. Jeder, dem an der politischen Stabilität gelegen ist, sollte wissen, dass die PS wohl keine weiteren Zugeständnisse machen wird.
Neue Strukturreformen!
Und doch sind weitere Reformen nötig, meinen Le Soir und auch das Grenz-Echo. Die bisherigen Beschlüsse sind allenfalls der Anfang. "Länger arbeiten ist ein Muss", urteilt etwa das Grenz-Echo. Wir dürfen uns nicht mehr in die Tasche lügen: Das Rentenalter muss erhöht werden. Selbst, wenn alle Belgier bis 65 arbeiten würden, wäre das Pensionssystem damit nicht gerettet. Allerdings darf man hier nicht blindwütig zu Werke gehen: Für gewisse Berufsgruppen müssen Sonderreglungen gelten.
"Jeder kehre vor seiner Tür"
Viele Zeitungen bringen heute lange Fotostrecken von der gestrigen Demonstration der föderalen Beamten. Die wollten ja gegen die Pläne des zuständigen Staatssekretärs Bogaert protestieren. Der hatte unter anderem festgestellt, dass es innerhalb der föderalen Beamtenschaft zu viele krankheitsbedingte Abwesenheiten gebe.
Jeder kehre vor seiner Tür, meint dazu L'Avenir. Gestern musste die Abstimmung über den Haushalt in der Kammer zunächst abgebrochen werden, weil über die Hälfte der Abgeordneten fehlte.
Straßenverkehrsordnung: Alles wird anders
La Dernière Heure stellt sechs Maßnahmen vor, die "in der Straßenverkehrsordnung alles ändern werden". Das Blatt veröffentlicht ein Interview mit dem zuständigen Staatssekretär Melchior Wathelet. Demnach wird unter anderem am 1. Mai der neue "elektronische Führerschein" eingeführt. Auch wird es bald fast unmöglich sein, mit einem nicht versicherten Fahrzeug durch die Gegend zu fahren, die Kontrollen werden nämlich automatisiert.
Straßenverkehrssicherheit auch auf der Titelseite von Het Laatste Nieuws. Das flämische Massenblatt zieht eine Bilanz der Bob-Kampagne und stellt fest: "Noch nie sind so wenig Autofahrer positiv auf Alkohol getestet worden".
Da es heute nicht wirklich DAS große Thema gibt, machen viele Blätter das, was die belgischen Zeitungen am liebsten machen: Sie dröseln Statistiken auf: "Einer von drei Jugendlichen in Städten ist nicht tolerant", titelt De Morgen. "Einer von zwei Medizinstudenten im frankophonen Landesteil ist im laufenden Studienjahr schon durchgefallen", stellt La Libre Belgique fest. Anscheinend sind die Ergebnisse der Januar-Prüfungen stellenweise katastrophal. "Niemand in Flandern will noch Lehrer werden", titelt Het Nieuwsblad. Die Zahl der Studenten ist innerhalb von zwei Jahren um fast ein Zehntel zurückgegangen.
Archivbild: Herwig Vergult (belga)